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Nervige Autokärtchen in Bamberg: Visitenkarten sind eigentlich verboten


Autor: Anna Lienhardt

Bamberg, Sonntag, 29. Mai 2016

Viele Fahrzeughalter sind genervt von Visitenkarten von Autohändlern, die den Wagen "wie gesehen" oder "mit Unfallschaden" kaufen wollen.
FT-Leserin Stefanie Palme entdeckte ein Auto mit diesem "Abwehr-Aufkleber" an der Fensterscheibe an der Weide und schoss ein Foto.


Typische Situation nach dem Einkaufen: Ans Auto zurück kommen, Visitenkärtchen klemmt an der Scheibe. Kurzer Blick drauf - ah, da möchte schon wieder jemand das Auto kaufen. Wie gestern und vorgestern und vergangene Woche. Also weg mit dem Pappkärtchen. Mancher wirft das Papier einfach auf den Boden, andere stecken es ein und legen daheim ein Sammelsurium an, das irgendwann entsorgt wird.

Entsorgen ist genau der Punkt: Denn wer räumt den Müll weg, wenn ein Autofahrer die Visitenkarte neben das Fahrzeug wirft? Rein rechtlich gesehen ist nicht der Kartenverteiler, sondern der Entsorger am Müll schuld, wie die städtische Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar erklärt.

Sie veranschaulicht: "Sozusagen der zornige Autobesitzer, der das Kärtchen wutentbrannt in Fitzelchen zerreißt und auf den Boden schmeißt. Der Abfall entsteht durch das Entfernen der Kärtchen."

Am besten also ab damit in den nächsten Mülleimer. Geschieht das nicht, bleibt das Aufsammeln an der Straßenreinigung hängen, sofern es sich um öffentlichen Raum handelt. Werden die Kärtchen auf dem Supermarktparkplatz fallen gelassen, muss der Marktbetreiber hinterher aufräumen - wie Anne Rudel.

Die Stadträtin ist Betreiberin eines Supermarktes in Bamberg-Südwest und merkt an: "Die Karten werden nicht nur bei uns auf dem Parkplatz verteilt, auch daheim hab ich sie am Auto." Gesehen hat sie noch nie einen Kartenverteiler - "sonst würde ich ihn ansprechen, dass ich das nicht möchte."

Doch eigentlich müsste es sogar umgekehrt laufen und derjenige, der die Werbung verteilen will, sich dies vom Supermarktbetreiber genehmigen lassen, wie Ulrike Siebenhaar erläutert. Sie fügt hinzu: "Ich wüsste nicht, dass das jemals geschieht."


Anheften ist nicht rechtens

Wie schaut es auf öffentlichen Plätzen aus? "Rechtens ist das Vorgehen nicht, wie aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf von 2010 deutlich wird", sagt die Stadtsprecherin. Sie zitiert, dass "das Befestigen von Visitenkarten an auf öffentlichen Parkplätzen abgestellten Autos als eine genehmigungspflichtige Sondernutzung zu werten ist." Denn das Einverständnis des Halters zu dieser Form der Werbung könne nicht vorausgesetzt werden.

Eine solche Sondernutzung ohne Erlaubnis kann laut Siebenhaar mit Bußgeld belegt werden. In der Straßenverkehrsbehörde Bamberg seien diesbezüglich noch keine Beschwerden eingelaufen. Allerdings: "Ahnden kann man es nur, wenn der Verursacher, sprich Verteiler, auf frischer Tat ertappt wird."

Die Stadtverwaltung bewertet die Visitenkarten rechtlich wie die Handzettelverteilung - "die wir sehr restriktiv sehen in Bamberg", stellt Siebenhaar klar. Diese müsse über die "Deutsche Städte Medien GmbH" geschehen und sei nur im direkten Umfeld des werbenden Unternehmens oder der Veranstaltung erlaubt.
Doch haben die Geschäftsleute hinter den Autokärtchen überhaupt ein ernsthaftes Kaufinteresse? Und wenn ja, wie würde so ein Verkaufsgespräch ablaufen?

Drei stichprobenartige Anrufe der Lokalredaktion Bamberg bei Nummern auf den Visitenkarten ergaben Folgendes: Erster Anruf: Anrufbeantworter. Zweiter Anruf: Die wiederholte Aussage, "der Chef ist erst nächste Woche wieder zu sprechen". Beim dritten Anruf zeigt sich: Es ist der gleiche Autohändler wie der erste Kontakt, nur, dass das Kärtchen komplett anders gestaltet ist.

Der ADAC erklärt auf seiner Internetseite, dass sich hinter den Kaufangeboten meist Händler verbergen, die Autos für den Export suchen. " Es lässt sich nicht pauschal sagen, dass es sich hierbei um unseriöse Machenschaften handelt, Vorsicht ist jedoch in jedem Fall geboten!", schreibt der Automobilclub.


Pfiffiger Schutz

Doch können sich Autohalter schützen, die weder mit den Visitenkärtchen noch deren Besitzern zu tun haben möchten? Ein pfiffiges Foto hat FT-Leserin Stefanie Palme vor kurzem an der Weide gemacht: Ein Privat-Pkw mit zwei Aufklebern im Stile der typischen Kärtchen. Einer weist direkt daraufhin: "Nix verkauf, nix Karte, meins!"

Der Text des anderen Aufklebers erklärt dagegen sinngemäß: Wer sein Visitenkärtchen an dieses Auto klemmt, erklärt sich damit einverstanden, das Fahrzeug für 30 000 Euro zu kaufen. Es folgt ein Verweis auf Paragraf 433 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Otto Heyder, Oberstaatsanwalt in Bamberg, erklärt auf FT-Nachfrage: "Das ist der Paragraf zum Kaufvertrag." Doch geht so was wirklich? Thomas Pohl, stellvertretender Pressesprecher am Landgericht Bamberg, nennt zunächst einige juristische Fachbegriffe und übersetzt dann: "Der Käufer müsste eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben."

Beispiel: Der Autohändler steckt sein Kärtchen an den Pkw direkt neben den Aufkleber und schreibt mit Kugelschreiber auf seine Visitenkarte, dass er auf den Autokauf eingeht.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das tatsächlich passiert, ist wohl verschwindend gering. Apropos verschwinden: Das sollen die "Wir wollen ihr Auto kaufen"-Kärtchen, wenn es nach den meisten Fahrzeug-Besitzern geht. Es wurde bereits die Frage gestellt, wo man die Aufkleber auf dem obigen Foto denn kaufen könne.
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