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Ausbildung oder Abschiebung: Altenpfleger in der Schwebe


Autor: Markus Klein

Bamberg, Mittwoch, 31. Oktober 2018

Vier Geflüchtete in Bamberg können derzeit ihre Ausbildung zum Altenpfleger nicht weiterführen, obwohl es für die Fälle eigentlich die "3+2-Regelung" gäbe. Die Regel wird in Bayern sehr restriktiv gehandhabt - trotz des Fachkräftemangels.
Ali Sharifi deckt im Proberaum der Altepflegeschule eine Puppe zu - während seine Klassenkameraden bereits praktisch in Altenheimen arbeiten. Wegen einer Formalität darf Sharifi seine Ausbildung derzeit nicht weiterführen. Ob er überhaupt bleiben kann, ist ungewiss. Foto: Markus Klein


Das Schöne am Beruf des Altenpflegers ist für Ali Sharifi, "dass man sieht, wie dankbar die Menschen sind, dass man sich um sie kümmert", erzählt er. Im Juli 2018 hat er seine Pflegehelfer-Ausbildung abgeschlossen. Danach hat er einen dreijährigen Ausbildungsvertrag zur Fachkraft in der Altenpflege beim Seniorenzentrum Albrecht Dürer in Bamberg unterschrieben. Er freut sich darauf. "Die Häuser freuen sich auch darauf", sagt Sharifis Lehrerin Ulrike Sänger an der Evangelischen Berufsfachschule für Altenpflege. Doch eine Berufserlaubnis hat er nicht bekommen. Ob er seine Ausbildung beenden kann, ist seit Monaten unklar.

Den Unterricht in der Altenpflegeschule hat Sharifi weiter besucht, als Gast. Vor zwei Wochen hat der praktische Teil der Ausbildung begonnen. Seine Klassenkameraden arbeiten in den Pflegeeinrichtungen, "und ich muss zu Hause bleiben", sagt Sharifi. Dabei fiele er eigentlich unter die "3+2-Regelung" aus dem Koalitionsvertrag. Diese greift, nachdem der Asylantrag eines Geflüchteten abgelehnt wurde, wie bei Sharifi geschehen. Wenn der Geflüchtete bereits eine Ausbildung begonnen oder einen Vertrag unterschrieben hat, darf er diese beenden und bei einer Übernahme zwei Jahre als Fachkraft arbeiten. Im Anschluss bekommt er eine Aufenthaltserlaubnis ohne diese Zweckbindung.

Doch Bayern handhabt die Regelung sehr restriktiv. So gilt sie nicht, wenn bereits Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung getroffen wurden. Das heißt in anderen Bundesländern: Die Regel greift bis kurz vor der Abschiebung. In Bayern wird aber teils schon die Belehrung über die Ablehnung des Asylantrags als Maßnahme gesehen. Damit liegt es letztlich im Ermessen der zuständigen Behörde, ob ein Geflüchteter unter die Regelung fällt oder nicht.

Dass keine Berufsgenehmigung erteilt wird, werde in Bayern laut Sänger außerdem oft mit der Identitätsklärung begründet. Sharifis "Tazkira", die afghanische Geburtsurkunde mit Zusatzinformationen, liegt dem Bundesamt für Migration (Bamf) zwar vor und auch die Echtheit wurde bestätigt. Doch sie wird derzeit einbehalten, weshalb Sharifi keinen afghanischen Pass beantragen kann. Als Grund nannte das Bamf laut Sharifi, dass sie der Bruder aus Afghanistan schickte, er sie aber über das Konsulat hätte beantragen müssen. "Das Absurde ist doch, dass man sagt, man will ausländische Fachkräfte reinholen. Aber die, die schon da sind und eine Ausbildung machen, werden abgeschoben. Dazu schiebt man dann irgendwelche bürokratischen Hürden vor", meint Sänger.

"Das ist alles sehr demotivierend und eine hohe Belastung", sagt Sharifi. Vor einem Jahr hätte er schon einmal abgeschoben werden sollen, da machte er gerade ein Praktikum bei der Sozialstation. Dort hat er sich währenddessen nicht mehr hingetraut, auch nicht nach Hause. Zu groß war die Angst, das Land verlassen zu müssen.

Die Hoffnung bleibt

Sharifis Familie gehört der persischsprachigen Volksgruppe der Hazara an, die größtenteils ein liberales Frauenbild vertritt und unter anderem deshalb von Taliban und Islamischem Staat verfolgt wird. Im Juli 2015 kam er nach Deutschland. Weil Sommerferien waren, hat er Deutsch im Internet vorgelernt, bevor er einen dreimonatigen Deutschkurs besuchte. Er spricht nun fließend und fast akzentfrei. Dann ging er in die Berufsschule, schloss die Pflegehelfer-Ausbildung mit der Note 2 ab. In der Klasse fand er viele Freunde.

Das Schicksal von Sharifi und dreier weiterer ihrer Schüler hat Altenpflege-Lehrerin Sänger dazu veranlasst, sich an die Politik zu wenden: Sie sprach mit der bayerischen Gesundheitsministerin und Direktkandidatin aus dem Stimmkreis Bamberg-Stadt, Melanie Huml (CSU). Die ging die Fälle mit Innenminister Joachim Herrmann (CSU) durch. "Wir hoffen, dass wir damit etwas erreichen", sagt Sänger. "Ich hoffe, dass sich etwas tut und ich mit meiner Ausbildung weitermachen kann", sagt Sharifi.

"Wir hoffen immer noch darauf, dass er hier arbeiten darf", sagt Christine Lechner, Leiterin des Seniorenzentrums Albrecht Dürer. Sie wartet noch auf eine Entscheidung der Behörden, die Praxisstunden, die Sharifi derzeit verpasst, könne er nachholen. "Wir würden ihn wirklich gerne nehmen. Er hat schon ein Praktikum gemacht und ist sehr engagiert. Er hat guten Kontakt zu den Bewohnern und Kollegen", erzählt sie. Anfangs habe sie Bedenken gehabt, wie die Senioren auf den jungen Afghanen reagieren, "aber die haben ihn gut aufgenommen." Man höre immer, dass sich Geflüchtete integrieren sollen. "Aber wenn sie es tun, werden Keile dazwischen gelegt."

Huml: Identitätsklärung nötig

Lechner habe sie sich bereits mehrfach an die ZAB gewandt, die allerdings auf die ungeklärte Identität verwies. Staatsministerin Melanie Huml sagt auf Anfrage, dass sie sich grundsätzlich für Betroffene einsetze, unter anderem auch im Fall Sharifi und seiner drei Klassenkameraden. "Leider fehlt es aber bei allen vier Asylbewerbern bisher an der vollständigen und zweifelsfreien Klärung ihrer Identität", sagt Huml. "Diese Klärung ist aus Sicherheitsüberlegungen von herausragender Bedeutung."

Sie empfehle den vier Betroffenen, der Ausländerbehörde die notwendigen Identitätsdokumente vorzulegen und anschließend die Beschäftigungserlaubnis zu beantragen. "Hierbei wird positiv berücksichtigt, dass an der Gewinnung von qualifizierten Pflegekräften ein öffentliches Interesse besteht." Und auch eines der Arbeitgeber: Laut der Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit herrscht in kaum einem anderen Berufsfeld mehr Bedarf als in der Altenpflege.

Von drei der vier Auszubildenden der Altenpflegeschule liegen die Geburtsurkunde (oder das afghanische Pendant) bei ZAB beziehungsweise Bamf vor. Bei Sharifi wird sie seit Mai einbehalten, weshalb er keinen Pass beantragen kann. Im Falle eines Kollegen von Sharifi, Mohamed Fofanah aus Sierre Leone, sagte die Behörde, er müsse in sein Heimatland ausreisen, dort einen Pass beantragen und könne dann mit einem Arbeitsvisa erneut einreisen. Dazu, wie er das finanzieren solle, machte die Behörde keine Angaben.

Ein positives Beispiel

Dass es auch unkomplizierter laufen kann, zeigt der Fall des Syrers Abdul Hamid Almhimeed, der seit April beim Fliesenhaus Drescher in Bamberg eine Ausbildung macht. "Wir sind mit ihm sehr zufrieden", sagt Geschäftsführer Hans Jürgen Drescher. "Der junge Mann ist sehr ordentlich, fleißig und lernbegierig." Bürokratische Hürden bei der Einstellung von Almhimeed habe es nicht gegeben. Sein Asylantrag wurde allerdings bewilligt - im Gegensatz zu den vier Altenpflege-Auszubildenden. Auch Handwerker werden dringend gesucht. "Wir sind auf die Geflüchteten angewiesen", sagt Drescher. "In Syrien hat das Handwerk noch einen höheren Stellenwert. Hier will sich ja keiner mehr die Hände schmutzig machen."

Kommentar: Unterstützen statt blockieren

Dass die Identität eines Geflüchteten hinreichend geklärt sein muss, ist klar. Dass wir einen Fachkräftemangel in der Altenpflege haben ebenso. Da sollte es doch möglich sein, dass eine Geburtsurkunde zunächst ausreicht, um eine Ausbildung zu beginnen.Gerade bei Menschen, die im Berufsfeld, in der Schule, der Sprache und ihrem Umfeld Fuß gefasst haben. Wenn Menschen wie Ali Sharifi alles tun, um sich gut zu integrieren, wäre es doch wünschenswert, wenn die Behörden sie bei der Identitätsklärung und ihrem weiteren Weg unterstützen würden, anstatt zu blockieren. Doch gerade die bayerische Politik handelt restriktiv, um denen entgegenzukommen, die vom Untergang des Abendlandes schwadronieren. Aber wie viele dieser Panikmacher gehen in die Altenpflege? Es wäre ein Leichtes, den Geflüchteten den Weg in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu erleichtern - wenn man denn wollte. Dringend nötig wäre es.