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Augen auf beim Online-Kauf!


Autor: Günter Flegel

Würzburg, Montag, 09. April 2018

Immer mehr Waren gehen im Internet über den "Ladentisch". Doch im Netz lauern auch viele Betrüger.
Jens Büttner/dpa


Das war ein teures "Schnäppchen": Weil er kurzfristig ein günstiges Ticket für eine Bahnfahrt nach Berlin gebraucht hatte, machte sich Rainer S. (Name geändert) aus Unterfranken im Internet auf die Suche: Für unschlagbar günstige 30 Euro ersteigerte er eine Erste-Klasse-Karte, bezahlte online und fand schon am nächsten Tag das Ticket im Briefkasten.
Das böse Erwachen kam im Untercity, als der Zugbegleiter die Fahrkarte kontrollierte: Das Online-Ticket war selbst vom dem Beschäftigten der Bahn auf den ersten Blick nicht als Fälschung zu erkennen; erst der Scanner erkannte den Fake: Rainer S. war einem Betrüger aufgesessen, und aus dem Schnäppchen wurde ein teurer "Spaß":


60 Euro plus x

Für den Berlin-Fahrer wurden nicht nur die 60 Euro als "erhöhtes Beförderungsentgeld" fällig, weil er ohne gültige Fahrkarte reiste, ergo ein Schwarzfahrer war. Er musste im Zug auch ein reguläres Ticket lösen (alternativ den ICE an der nächsten Station verlassen), was ihn selbst nach dem Wechsel von der ersten in die zweite Klasse noch 128 Euro kostete. Und es könnte sogar noch teurer werden, weil sich die Bahn bei der Verwendung gefälschter Tickets eine Anzeige wegen Betrugs und Urkundenfälschung vorbehält. Auch in diesem Fall gilt der Grundsatz, dass Unwissenheit den Täter nicht vor Strafe schützt: Rainer S. hätte das "Schnäppchen" sehr viel sorgfältiger prüfen (lassen) müssen, alleine schon der im Vergleich zum regulären Ticket auffallend niedrige Preis hätte ihm verdächtig vorkommen müssen, argumentiert die Bahn.


Jeder zehnte Euro

Die relativ neue Masche mit der gefälschten Fahrkarte, vor der Online-Auktionshäuser wie Ebay ihre Kunden inzwischen ausdrücklich warnen, ist nicht die einzige Falle, die im boomenden Markt des Online-Handels lauert. 2017 haben die Bundesbürger erstmals jeden zehnten Euro im Internet ausgegeben: Der Online-Handel wuchs nach Angaben des Branchenverbandes um zehn Prozent auf einen Umfang von 53 Milliarden Euro, das ist annähernd das Haushaltsvolumen des Freistaates Bayern für 2018.
Dass sich in diesem riesigen Kaufhaus nicht nur Verkäufer (und auch Käufer) tummeln, die es ehrlich meinen, liegt auf der Hand. Die Kriminalstatistik für 2017 in Bayern weist 25 832 Fälle mit dem "Tatmittel Internet" aus - 961 (3,6 Prozent) mehr als im Jahr davor. Die Bandbreite ist groß, sie reicht bis zur Kinderpornografie und zum illegalen Waffenerwerb; die allermeisten Fälle sind jedoch Eigentumsdelikte, sprich Betrug: Nach dem klassischen Muster wird bei der Cyber-Kriminalität Ware bestellt und bezahlt, aber nicht geliefert (oder umgekehrt: die Ware auf Rechnung bestellt und geliefert, aber nicht bezahlt).


Spitze des Eisbergs

Die 25 000 "amtlichen" Fälle sind nach Ansicht der Verbraucherzentrale aber nur die Spitze des Eisbergs, da nicht jeder betrügerische Deal zu einem Fall für den Staatsanwalt wird. Viele Kunden, die im Internet geprellt wurden, scheuen den Gang zur Polizei, sei es, weil der Schaden eine vermeintliche Bagatelle ist, sei es, dass der Kunde, nachdem er den Anbieter genauer unter die Lupe genommen hat, Konsequenzen für sich selbst befürchtet - in der Regel zu Unrecht, das gefälschte Bahnticket ist eher eine Ausnahme.
Der Polizei ist wichtig, dass sie auf jeden potenziellen Betrüger im Internet hingewiesen wird, weil selbst ein Betrug, bei dem es nur um paar Euro geht, enormen Schaden verursachen kann, wenn viele tausend Kunden betroffen sind. Und: Die Polizei ist bei der Jagd nach den Cyber-Gaunern durchaus erfolgreich; die bayerische Kriminalstatistik weist eine Aufklärungsquote von 47,8 Prozent aus; der Schaden bei allen Fällen wird auf 15,3 Millionen Euro beziffert.


Wuchernder Markt

Fakt ist allerdings auch: Nicht nur für die Kunden ist der wuchernde Markt im Internet schwer zu überblicken (und noch schwerer zu durchschauen), auch die Polizei kämpft gegen eine vielköpfige Hydra: Shops tauchen auch und verschwinden wieder, nicht täglich, sondern minütlich wird eine neue Masche erfunden, um gutgläubigen Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Das "Geschäftsmodell" der meisten Betrüger im Internet beruht darauf, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Kunden in die Falle zu locken, das Geld zu kassieren und dann spurlos zu verschwinden. Selbst die IP-Adresse führt dann ins Leere, erklärt ein auf Cyberkriminalität spezialisierter Beamter der Kriminalpolizei in Unterfranken: Sie verwischen ihre Fährten, indem sie über Server im Ausland kommunizieren und zerstören nach getaner Tat ihren PC.


Fake-Shops

Zur professionellen Variante des Internet-Betrügerei gehören die Fake-Shops, die nicht selten mit hochwertigen Waren zu Schnäppchenpreisen locken, etwa Mode oder Unterhaltungselektronik. Der Kunde zahlt per Vorkasse - und bekommt seine bestellte Ware nie oder ein völlig anderes, minderwertiges Produkt. Dieser "Markt" wächst mit dem Boom im Online-Handel, sagt Hans-Joachim Henschel vom Landeskriminalamt in Niedersachsen. Er sieht Nachholbedarf bei der Polizeiarbeit, denn derzeit arbeiten die Behörden in allen Bundesländern nach ihren eigenen Verfahren gegen die Internet-Kriminalität - was bei bundesweit oder gar international tätigen Betrügern nicht nur wenig Sinn macht, sondern auch dazu führt, dass der gleiche Fall, von mehreren geprellten Kunden gemeldet, mehrfach bearbeitet wird. Henschel plädiert für eine bundesweit einheitliche Cyber-Stelle bei der Polizei.
Bis dahin setzen die Kriminalämter auf Prävention. Gemeinsam mit den Verbraucherzentralen warnen sie vor Webseiten ohne Impressum, die nur die Möglichkeit zum Bezahlen per Vorkasse geben. "Man sollte vorsichtig sein, wenn die Preise zu gut sind, um wahr zu sein", rät Britta Groß vom Team Digitaler Wareneinkauf der Verbraucherzentralen - siehe Fahrkarte. Pro Monat werden der Arbeitsgruppe etwa 20 Fälle gemeldet. Die Fake-Seiten gibt es dann oft schon nicht mehr.
Den Betreibern solcher Betrugsseiten drohen hohe Strafen. Im Juni 2017 verurteilte das Landgericht München einen 35-Jährigen zu fünfeinhalb Jahren Haft. Er hatte mit 19 Fake-Shops 430 000 Euro erbeutet.


Tipps für den Online-Einkauf

Zahlreiche Seiten im Internet bieten hilfreiche Hinweise für einen sicheren Einkauf im Internet. Auch die Verbraucherzentralen haben Experten für den Online-Handel. Die folgende Übersicht findet sich auf www.watchlist-internet.at. Dort findet man auch eine aktuelle Liste betrügerischer Webseiten und kann verdächtige Anbieter melden.

1. Informieren Sie sich immer zuerst über den Seitenbetreiber, etwa über das Impressum. Seiten ohne Impressum sollte man weiträumig meiden. Kaufen Sie nicht in Online-Shops, bei denen keine Angaben über den Verkäufer zu finden sind oder nur eine E-Mail-Adresse angegeben ist!

2. Akzeptieren Sie keine Vorauskasse, und lassen Sie sich nicht von extrem günstigen Preisen täuschen. Prüfen Sie, ob der Verkäufer, etwa in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), auf das gesetzliche Rücktrittsrecht hinweist.

3. Rechtschreibfehler auf der Website des Anbieters sind ein Anzeichen für mangelnde Seriosität. Bei Anbietern außerhalb der EU ist es oft schwierig, zu seinem Recht zu kommen. Kaufen Sie deshalb bevorzugt in Online-Shops aus Deutschland oder der EU. Beachten Sie Gütesiegel oder Verbandsmitgliedschaften auf der Website des Verkäufers.

4. Lassen Sie sich nicht von der Domain täuschen! Eine .de-Domain ist kein Hinweis auf den tatsächlichen Sitz des Verkäufers. Der Weblink von Fake-Seiten, die URL, führt oft zu ganz anderen Domains; da werden etwa unter dem Link einer Kaminausstellung Schuhe verkauft.

5. Seien Sie besonders vorsichtig bei "Nischenprodukten", etwa seltenen Oldtimer-Ersatzteilen oder sehr speziellen Elektronikartikeln. Erfahrungsgemäß florieren Fake-Shops hier ganz besonders. Kaufen Sie Markenware am besten direkt beim Hersteller oder bei von diesem lizenzierten Händlern. Das macht bei hochwertigen Waren alleine schon wegen der Garantie Sinn.

Das können Sie tun, wenn Sie trotz alledem doch in die Shopping-Falle getappt sind:

6. Treten Sie vom Vertrag zurück und verlangen Sie die Rückzahlung des Kaufpreises (formlos per E-Mail). Achtung: Das Rücktrittsrecht besteht nicht bei Ticket-, Reise- oder Hotel-Buchungen, personalisierten oder maßgeschneiderten Waren, entsiegelten Datenträgern und anderem.

7. Da die Betreiber von Fake-Shops den Kaufpreis in der Praxis nicht freiwillig erstatten werden, empfiehlt es sich, falls mit Kreditkarte bezahlt wurde, so schnell wie möglich das Kreditkarteninstitut zu kontaktieren und um Rückbuchung zu bitten. Eventuell bleibt am Ende nur eine Anzeige bei der Polizei.