Aufstand für das "Krippala" in Bamberg am Schönleinsplatz
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Samstag, 30. November 2013
Im Dezember 2013 wird die Großkrippe am Schönleinsplatz 50 Jahre alt. Diesen Geburtstag hat sie dem Kampfgeist der Bamberger zu verdanken.
Haben Sie bemerkt, dass hinter der Krippe am Schönleinsplatz immer ein Nadelbaum steht? Eine nette weihnachtliche Deko vielleicht? Mitnichten. Der Baum ist sozusagen der Vor-Vorgänger der Krippe, die seit fünf Jahrzehnten immer in der Weihnachtszeit ihren festen Platz an der Hainstraße einnimmt.
"Angefangen hat alles nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Stadtratsbeschluss", erklärt Michael Gerencser, stellvertretender Leiter der Abteilung Gartenwesen im Garten- und Friedhofsamt der Stadt Bamberg.Er steht direkt vor der Krippe, in der Hand hält er eine dicke Akte. Er schlägt sie auf, die ältesten Unterlagen ganz vorne sind schon vergilbt. Umso weiter er nach hinten blättert, umso weißer wird das Papier. "Auch jeder neue Zeitungsartikel kommt in die Akte", sagt Gerencser.
Dann blättert er ganz an den Anfang, zu Stadtratsunterlagen, die noch mit Schreibmaschine getippt wurden. "Der damalige Direktor des ,Stadt-Eltwerks', Herr Huß, fand den Schönleinsplatz winterlich kahl und gar nicht weihnachtlich. Also regte er an, dort einen Christbaum aufzustellen", erläutert der Fachmann aus dem Gartenamt. Im Stadtrat stieß Huß mit seinem Vorschlag auf offene Ohren: Ein mit Kerzen beleuchteter "Weihnachtsbaum für die Bevölkerung", wie Gerencser aus der Akte zitiert, wurde beschlossen. Er liest laut vor und grinst: "Die Stadtförsterei spendierte eine schöne Fichte." Das war 1950.
Ein Jahr später, genau am 6. Dezember 1951, wünschte sich die damalige Stadträtin Betty Dütsch in einem Antrag "ein Häuschen mit Weihnachtsengeln, das zur Heiligen Nacht in eine Krippe umgestaltet werden könnte". Vorbild war wohl eine Krippe in Nürnberg.
Von 1951 bis 1963 stand damit am Schönleinsplatz erstmals eine Krippe, die Vorgängerin der heutigen. Michael Gerencser liest aus einem Bericht im Fränkischen Tag vom 16. Dezember 1950: "Aus der Baubude zimmerten die Leute vom Tiefbauamt ein putziges Häuschen (die Kinder waren sich noch nicht einig, wer darin haust: ob der Weihnachtsmann oder eine richtige Pfefferkuchenhexe)."
Letztere hätte das Häuschen wohl so verhext, dass es nicht derart in Mitleidenschaft gezogen worden wäre, wie es schließlich der Fall war: Die erste Krippe und ihre Figuren, damals noch aus Gips, waren spätestens im Jahr 1962 stark mitgenommen. Zwar beschloss damals der Schul- und Kulturausschuss die Anschaffung von drei neuen Figuren. Doch als aus den ursprünglichen dafür angesetzten 850 DM ganze 4000 Mark wurden, war das Geld nicht da. 1962 stand zur Weihnachtszeit keine Krippe am Schönleinsplatz.
Es sollte das einzige Mal bleiben, denn "es ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung", sagt Michael Gerencser. Er blättert in seiner Akte durch Leserbriefe an den Fränkischen Tag, Heinrichsblatt und "Neues Volksblatt".
Kinder wollten unbedingt hin
"Weiß man eigentlich bei der Bamberger Stadtverwaltung, wie viele Bamberger es bedauern und nicht begreifen, daß die schöne Weihnachtskrippe am Schönleinsplatz nicht mehr aufgestellt worden ist. Unsere Kinder haben uns jedes Jahr geplagt, bis wir mit ihnen hingingen zum Schönleinsplatz, das Krippela anzugucken", liest Gerencser laut vor. Der Sturm der Entrüstung hielt an und so gründete sich eine Initiative aus Privatpersonen und der Ortsgruppe Bamberg des Vereins Bayerischer Krippenfreunde. Sie hatten Erfolg: Am 17. Juli 1963 beschloss der Bamberger Stadtrat, dass noch im selben Jahr eine Krippe am Schönleinsplatz aufgebaut werden soll - und stellte 4000 DM für Hütte und Figuren bereit.
"Die Schreinerei des Gartenamtes baute dann die Krippe nach einem Entwurf der Bamberger Krippenfreunde im fränkischen Stil", erläutert Gerencser. Die sechs Figuren stammen von Bildhauer Hermann Leitherer, eingekleidet wurden sie von der Schneiderei des E.T.A Hoffmann-Theaters. Am 8. Dezember 1963 wurde die neue Krippe am Schönleinsplatz offiziell eingeweiht. Doch wie ihrer Vorgängerin im Jahr 1951, wurde auch der neuen Krippe das Jesuskind geklaut - nicht nur einmal. 1988 forderten die Entführer 3000 bemalte Ostereier als Lösegeld. Und auch hier setzten sich Bamberger für ihre Krippe ein: In der Lokalredaktion des Fränkischen Tag wurden tatsächlich einige Eier abgegeben. Schließlich tauchte das Jesuskind wieder auf. Von da an wurden alle Figuren der Krippe festgeschraubt. Trotzdem wurde die Jesusfigur 1993 noch einmal gestohlen, damals wurden sogar 1000 Mark Belohnung ausgesetzt. Auch danach hat die Krippe viel erlebt: Ein Engel wurde angezündet, Figuren umgeworfen, ein Obdachloser nutzte sie einmal als Nachtquartier.
2011 wurde Kaspar, einer der drei Könige, gestohlen. Ob Jesuskind oder König, alle Figuren tauchten letztendlich immer wieder auf. Sie wurden 2012 von der Theaterschneiderei neu eingekleidet, die Krippe selbst wurde ein Jahr vorher restauriert. Die Figuren werden im beheizten Keller des Gartenamtes aufbewahrt - "als ich das erste Mal in den Keller bin und das Licht angeknipst habe, bin ich ganz schön erschrocken, als sie mich plötzlich mit ihren Augen angeschaut haben", erinnert sich Michael Gerencser. Er findet: "Diese Krippe ist Teil der Traditionspflege Bambergs. Es gibt Leute, die schon als Kinder hier am Schönleinsplatz standen." Es sei beeindruckend, dass die Bamberger 1962 den Stadtrat dazu bewegten, 4000 Mark auszugeben.
1980 hat die Großkrippe in einem europaweiten Wettbewerb einen Preis gewonnen. Mit solch einer Auszeichnung kann der bescheidene Nadelbaum hinter der Krippe nicht aufwarten. Aber er ist immer noch da. Und steht für eine weihnachtliche Idee, die später zur Bamberger Tradition wurde.