Druckartikel: Aufnahmezentrum in Bamberg soll 500 Menschen beschäftigen

Aufnahmezentrum in Bamberg soll 500 Menschen beschäftigen


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Freitag, 20. November 2015

Neue Fakten zum Balkanzentrum: 500 Beschäftigte von Behörden und Unternehmen sollen hier im Endausbau einen Job finden. Interessant: Trotz der zurückgehenden Zahlen bei den Balkanflüchtlingen geht man von einer raschen Belegung aus.
Wie Bauklötze wirken die Häuser des Flynn-Wohngebiets aus der Luft: Insgesamt 26 Häuser werden zu einem "besonderen Aufnahmezentrum" ausgebaut.  Foto: Ronald Rinklef


Selten hat ein Beschluss die Bamberger Bevölkerung so umgetrieben. Am Mittwoch sagte der Stadtrat Ja zu 4500 Flüchtlingen an der Pödeldorfer Straße. Er akzeptierte damit, dass in Bamberg eine der größten Aufnahmeeinrichtungen Bayerns neben Zirndorf und München entsteht und 26 Häuser eines ehemaligen Wohngebiets für zehn Jahre nicht für die zivile Nachnutzung zur Verfügung stehen.

Trotz der Zugeständnisse von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) machen viele Bürger im Internet oder in persönlichen Gesprächen ihrer Enttäuschung darüber Luft, dass gegebene Versprechen nicht eingehalten wurden. Nicht nur von gewählten Politikern übrigens. Noch am 18. September sagte Regierungspräsident Wilhelm Wenning dieser Zeitung: 5000 kommen nur, "wenn vorher die Welt untergeht".

Zwei Tage nach der Entscheidung im Rathaus gibt es aber auch Erkenntnisse, die den jetzt erzielten Kompromiss in einem günstigeren Licht erscheinen lassen. Sozialministerin Emilia Müller (CSU) hatte den Fakt, dass in Bamberg sogar 15 000 Flüchtlinge hätten untergebracht werden sollen, im Stadtrat bereits angedeutet. Gleichzeitig sagte sie, dass sie 4500 für die gerade noch vertretbare Obergrenze in Bamberg hält.


Bamberg als Spielball?

Nun hat auch die aus Bamberg stammende Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) die Sicht bekräftigt, dass es für Bamberg anders hätte ausgehen können. Offenbar wurde die Stadt mit der großen Kaserne im politischen Ringen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer vom Bund als Spielball benutzt, um den Vorwürfen der Staatsregierung zu begegnen, man lasse die Bayern mit dem Ansturm an den Grenzen alleine. Die Bundesregierung habe dem Freistaat angeboten, in den bundeseigenen Gebäuden in Bamberg bis zu 15.000 Flüchtlinge unterzubringen, sagte Huml im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die nun getroffene Vereinbarung stößt bei ihr auf ausdrückliche Zustimmung. Wegen der Zugeständnisse Seehofers, die einen Kauf der Kasernenfläche durch die Stadt möglich machen, und nicht zuletzt, weil die Ergebnisse der Unterredung in der Staatskanzlei nicht selbstverständlich gewesen seien. So hätte die Staatsregierung vor allem das 160 Hektar große Munitionsdepot gerne als weitere Reserve für die Flüchtlingsunterbringung zurückgehalten - eine Fläche, auf die sich wegen des Mangels an Gewerbeflächen große Hoffnungen richten. Auch die sichere Zusage der Staatsregierung für ein digitales Gründerzentrum wertete Huml als Durchbruch. Oberfranken sei damit der einzige Regierungsbezirk, der Aussicht auf zwei solche Einrichtungen habe.

Interessante, aber auf den ersten Blick auch widersprüchliche Zahlen nannte Emilia Müller. So werden im "besonderer Aufnahmezentrum" Bamberg im Endausbau 500 Mitarbeiter beschäftigt sein. Und es wird just zu einem Zeitpunkt ausgebaut, in dem die Zahl der Migranten aus dem Westbalkan erstmals deutlich absackt. Nach Angaben von Müller schrumpfe ihr Anteil auf nur noch drei Prozent im Oktober - nach weitaus höheren Zahlen noch im Sommer.


Im November kamen 123.000 Menschen

Was bedeutet das für Bamberg? Wohl nicht, dass sich die Planungen für die 26 Flynn-Häuser als überflüssig erweisen könnten. Petra Platzgummer-Martin, stellvertretende Regierungspräsidentin, erklärt dazu, dass drei Prozent in absoluten Zahlen immer noch eine Menge Menschen sind, genau 4882. Auch wisse man nicht, ob der Zustrom aus dem Westbalkan so niedrig bleibe wie zuletzt. Fakt ist: Auch im November kamen in Deutschland 123.000 Menschen an, rund 6470 am Tag. Damit dürften sich auch jene Hoffnungen in Bamberg als unbegründet erweisen, die sich auf eine "Durchmischung" der Großunterkunft richten. So hatten Grüne, Freie Wähler, Bamberger Linke und immer deutlicher auch die SPD-Fraktion Kritik an einem reinen "Abschiebelager" geäußert. Die Hoffnung, die dahinter steckt: Ein Zentrum mit Kriegsflüchtlingen würde in der Bevölkerung auf mehr Akzeptanz stoßen als ein Lager mit einer Durchlaufzeit von nur vier Wochen.

Ein in der Nähe der Siedlung lebender Stadtrat berichtet, dass es vor allem die Furcht vor Eigentumsdelikten ist, die mache Nachbarn umtreibt - auch weil man von einer gewissen Verzweiflung im Aufnahmezentrums ausgeht. Die Bamberger Polizei kann aber nicht bestätigen, dass sich die Zahl der Straftaten im Umfeld der Unterkunft erhöht hätte. Um unerwünschten Ereignissen vorzubeugen, wurde die Präsenz der Polizeistreifen dennoch stark erhöht.