Aufbruch zu neuen Ufern
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Sonntag, 14. August 2016
1962 erhielt Bamberg den lang ersehnten Anschluss an die "Großschiffahrtsstraße", die Oberfranken mit dem Rhein-Ruhr-Gebiet verband. Staatshafens.
Es war ein denkwürdiger Tag, wie ihn die Domstadt nie zuvor erlebt hatte: Von der Löwenbrücke an drängten sich auf den Böschungen Zehntausende bis hinunter zu den Hafenbecken und weiter flussab am Gaustadter Ufer. Endlich hatte Bamberg Anschluss an die "Großschifffahrtsstraße" und feierte zugleich die Fertigstellung ihres neuen, den Erfordernissen der Zeit entsprechenden Staatshafens. "Die Stadt am Zonenrand hatte an diesem Tag ein Stück Zentralität zurückgewonnen - und ein neues Selbstbewusstsein dazu", bilanzierte Willy Heckel, der frühere Leiter der FT-Lokalredaktion, in "Bamberg im 20. Jahrhundert".
Ab 1883
Bereits 1883 hatte der Ausbau des Mains mit Staustufen begonnen, um sich von Frankfurt aus über Aschaffenburg, Würzburg und Schweinfurt bis Bamberg fortzusetzen. So konnten ab 1962 auch 1500-Tonnen-Schiffe die Stadt erreichen und nicht mehr nur die alten Mainkähne, die allenfalls 420 Tonnen beförderten. Woraufhin nun die Arbeiten am Main-Donau-Kanal Richtung Nürnberg und später Kelheim fortgesetzt wurden. Das aber war am 25. September 1962 noch Zukunftsmusik, als sich zahllose Menschen im Hafen drängten und auf die feierliche Eröffnung warteten. Lang war die Liste der Ehrengäste, die sich schon am Vormittag beim Festakt im Dominikanerbau eingefunden hatten: Ministerpräsident Hans Ehard war an die Regnitz gekommen, Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm, die Staatsminister Rudolf Eberhard, Otto Schedl, Alfons Goppel, auch Nürnbergs damaliger OB Andreas Urschlechter und andere Polit-Prominenz, an die sich Bambergs Alt-OB Herbert Lauer noch gut zurückerinnert. Denn der damals 16-jährige Gymnasiast jobbte im Freizeitwerk St. Heinrich an dem Tag als Kellner - und bediente die Ehrengäste. "So profitierte ich ganz persönlich von dem Ereignis, bei dem's natürlich auch ein gutes Trinkgeld gab." An die Speisefolge kann sich Lauer nicht mehr erinnern. Kaum zu glauben angesichts der Köstlichkeiten, mit denen man die Minister verwöhnte: einer Bouillon folgte auf Holztellern ein Bauernfrühstück mit Leberwurst, Schinken und kaltem Braten.
Eine Bouillon für die Minister
Nicht wiederzuerkennen war das Hafengebiet nach dem rund vierjährigen Ausbau, der knapp 24 Millionen DM kostete und "1,1 Millionen Kubikmeter Erde bewegte", wie Heckel berichtete. Eine Biegung der Regnitz war begradigt worden, indem man dem Fluss auf mehreren hundert Metern ein neues Bett gegraben hatte. Statt einem gab's nun zwei große Hafenbecken, Kais und Ufer, die auf einer Gesamtlänge von rund 3,4 Kilometern fortan zu nutzen waren. 20 000 Kubikmeter Beton und 25 000 Quadratmeter Böschungspflaster "schluckte" die gesamte Maßnahme Heckel zufolge.Als "Markstein und Wende" bezeichnete Ministerpräsident Ehard - ein gebürtiger Bamberger übrigens - das Großereignis. Vom Oberdeck der "Undine" aus, die einen langen Schiffskorso anführte, durchschnitt er an jenem 25. September 1962 an der Hafenzufahrt das schwarz-rot-goldene Band, das man über den Fluss gespannt hatte. Den "Großschifffahrtshafen" übergab der Ehrengast seiner Bestimmung und setzte zugleich das Startsignal zum Weiterbau des Main-Donau-Kanals.
Kein Grund zum Feiern
Tatsächlich erfüllten sich die hoch gesteckten Erwartungen, die viele Festredner bei der Hafenweihe zum Ausdruck brachte, in den ersten Jahren: Wurden 1962 in Bamberg noch 558 000 Tonnen von Schiffen auf Lkws beziehungsweise Züge und umgekehrt umgeladen, so waren es 1971 schon 1,3 Millionen Tonnen, wie Erhard Treude in einem Beitrag zum Hafen als regionalem und überregionalem Wirtschaftsfaktor schrieb. Dann aber wendete sich das Blatt dem früheren Professor für Wirtschaftsgeographie zufolge, der von einem "drastischen" Rückgang berichtete. Der Main-Donau-Kanal hatte Nürnberg erreicht, wohin nun alle Schiffe weiterfahren konnten, für die Bamberg bislang gezwungenermaßen die Endstation war. Vorbei war's mit der anfänglichen Euphorie, die sich in Frust verwandelte. "Wir alle sind nüchterner geworden", hieß es 1977 in einer FT-Beilage. "15 Jahre Hafen - niemand will diesen Termin feiern."Aber Bambergs Hafen entwickelte sich weiter, wie wir heute wissen. Seine Bedeutung als Wirtschaftsstandort betonte Herbert Lauer, der zugleich auf die Arbeitsplätze verwies, die hier in verschiedensten Bereichen geschaffen wurden. Derzeit beschäftigen die 75 im Bayernhafen Bamberg angesiedelten Unternehmen rund 1800 Mitarbeiter.
Auf den Tag genau 30 Jahre nach Bambergs Hafenweihe wurde der Main-Donau-Kanal am 25. September 1992 für den Verkehr freigegeben. Er hatte Kelheim an der Donau erreicht - nach seinem Verlauf durchs Altmühltal und über das Mittelgebirge des fränkischen Jura. In dem Bereich ist der 171 Kilometer lange Kanal übrigens die höchstgelegene Wasserstraße Europas (406 Meter über dem Meeresspiegel). Die Kosten des Gesamtprojekts: 4,7 Milliarden D-Mark, also rund 2,3 Milliarden Euro.