25 Millionen Euro für Fahrrad-Autobahnen - Nürnberg will Pionier werden
Autor: Günter Flegel
Nürnberg, Dienstag, 04. April 2017
25 Millionen Euro stellt Berlin jedes Jahr für den Bau schneller Radwege zur Verfügung - bundesweit. Zu den Zweirad-Pionieren gehört Nürnberg.
Ob der Frankenschnellweg wirklich mal zum Schnellweg wird? Der genervte Autofahrer im Stau auf der A73 hat da seine Zweifel. Vielleicht ist der Radfahrer schon bald schneller unterwegs. Nürnberg wird eine der ersten Städte in Bayern sein, die auf einen neuen Zug aufspringt: Der Bund will mehr Radler-Autobahnen.
Die Ankündigung aus dem Bundesverkehrsministerium ist gut getimt: 2017 feiert das Fahrrad seinen 200. Geburtstag, und in der Stadt, wo die Draisine das Laufen lernte, in Mannheim, findet aktuell der bundesweite Radverkehrskongress statt.
Da macht es sich gut, zumal in einem Wahljahr, wenn Berlin nicht nur ein Lippenbekenntnis zum Rad abgibt, sondern mit Geld winkt. Gut 100 Millionen Euro will der Bund jedes Jahr für den Ausbau des Radwegenetzes zur Verfügung stellen, 25 Millionen Euro speziell für neue Radler-Schnellstraßen.
Mit angezogener Bremse
Die Forderung nach dem Bau von mehr Radschnellwegen ist ein alter Hut. Flotte "Velorouten" für Radler gibt es etwa in den Niederlanden und in Belgien schon seit den 1980er Jahren, wobei die Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung nicht leicht ist: In diesen Ländern wird traditionell sehr viel Rad gefahren, und der Bau schneller Wege ist eine Reaktion auf den steigenden Bedarf. Andererseits führt das gut ausgebaute Wegenetz dazu, dass weit mehr Berufspendler und Studenten vom Auto auf das Rad umsteigen. Ein Thema, das auch die deutschen Ballungsgebiete bewegen (sollte), ist doch vielerorts der Verkehrsinfarkt auf Straße und Schiene absehbar oder bereits eingetreten.
Trotzdem bewegt sich der Radverkehr in Deutschland eher im Draisinen-Tempo, kritisiert allen voran das Pendant zum ADAC, der Allgemeinde Deutsche Fahrrad-Club (ADFC): Dessen Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork sagt: "Praxis der Fahrradförderung in Deutschland ist immer noch, Piktogramme auf die Kfz-Fahrbahn zu pinseln - und dann zu hoffen, die Menschen würden darauf gerne und massenhaft Rad fahren." Das Potenzial der Rad-Infrastruktur sei noch immer nicht erkannt worden; Radwege würden vorrangig mit Blick auf den Freizeitnutzen bewertet.
Schneller und gesünder
Tatsächlich könnte man mit dem Fahrrad nach einer österreichischen Studie bis zu 50 Prozent des innerstädtischen Verkehrs bewältigen. Auf Strecken zwischen fünf und zehn Kilometer ist das Fahrrad in der Stadt demnach in der Regel schneller als das Auto, billiger sowieso, umweltschonend und gesünder obendrein auch noch.Deshalb begrüßt der ADFC die Initiative des Bundes zum Bau schneller Radwege - das sei zumindest ein guter Anfang, auch wenn die Rad-Infrastruktur noch immer weit unterfinanziert sei. 25 Millionen Euro nehmen sich im Gesamtvolumen des Bundesverkehrswegeplanes mit 300 Milliarden Euro bescheiden aus - selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass der Bund nur zuschießt und der Löwenanteil der Mittel aus anderen Töpfen (Land, Kommune) kommt.
Auf einer Bike-Autobahn soll der Radfahrer ungestört in die Pedale treten oder den Akku auspowern können: ohne Kreuzungen und Ampeln, eben und breit genug für gefahrlosen Gegenverkehr. Eine durchgängige Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern soll auf einem Radschnellweg möglich sein.
Nach den Erfahrungen in den Niederlanden fallen für den Bau einer Rad-Autobahn Kosten zwischen 500 000 und zwei Millionen Euro an - je nachdem, ob der Weg neu angelegt werden muss oder bestehende Infrastruktur genutzt werden kann.
Über sieben Wege ...
Die Nase vorn wird in jedem Fall haben, wer nicht erst mit der Planung beginnt, sondern schon Konzepte in der Schublade hat. Die Metropolregion Nürnberg hat zusammen mit den Radvereinen in der Stadt und im Umland bereits ein fertiges Konzept erstellt. "Anfangs hatten wir um die 20 Vorschläge. Das haben wir dann auf sieben sinnvolle Projekte eingedampft", sagt der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD).Das Nürnberger Schnellradnetz ist sternförmig auf Pendler zugeschnitten: aus dem Umland in die Stadt und retour. Zählt man die Trassen zusammen, die unter anderem nach Erlangen, Herzogenaurach und Heroldsberg führen, kommt man auf gut 100 Kilometer.
Bei der günstigsten Kostenvariante ergäbe sich ein Finanzierungsbedarf von 50 Millionen Euro. Der Bund müsste, ganz einfach gerechnet, seine Sondermittel zwei Jahre lang nur nach Nürnberg überweisen ...
Vorreiter Bayern
Zwar gilt der Mannheimer Karl Drais als Erfinder des Fahrrads, dessen 200. "Geburtstag" heuer gefeiert wird. Aber genau genommen war seine Draisine noch keine Fahr-, sondern eine Laufmaschine.Das Fahrrad, wie man es heute kennt, hat die Welt unter anderem Schweinfurt zu verdanken. Philipp Moritz Fischer stattete eine Draisine um 1850 mit einem Tretkurbel-Antrieb aus, und die Firma Fichtel & Sachs machte das Rad mit der Freilaufnabe erst alltagstauglich.
9000 Kilometer für Radler
Heute punkten Bayern - und Franken vorneweg - vor allem mit den Radwegen. Seit Jahren liegt der Freistaat bei den beliebtesten Zielen für Rad-Touristen im Bundesgebiet an der Spitze. Mit 9000 Kilometern Fernradwegen ist die Infrastruktur für die Bewegung auf zwei Rädern sogar dichter als das Netz der Autobahnen und Bundesstraßen im Freistaat. Donau-, Main- und Altmühlradweg zählen seit Jahren zu den Top Ten der beliebtesten deutschen Radwege.Trotzdem läuft nicht alles rund. Der ADFC kritisiert, dass das bayerische Radwegenetz sehr auf den Tourismus zugeschnitten ist und dass vielerorts die weitere Infrastruktur Lücken hat: Der Verein nennt die Mitnahmemöglichkeiten in Zügen und Bussen oder Rad-Abstellplätze.
Herrmanns Programm für bayern
Einen Verbündeten haben die Radler in Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gefunden. Er hat im Programm "Bayern 2025" das Ziel ausgegeben, den Anteil der Radler an den Pendlern von jetzt 10,5 auf 20 Prozent zu erhöhen. Auch der Trend zum E-Bike soll berücksichtigt und so manches Hindernis abgebaut werden - buchstäblich wie bürokratisch."Wir werden nur dann Leute für das Fahrradfahren begeistern, wenn die Umsteigemöglichkeiten und die Fahrradwege eine entsprechende Qualität haben", betont Herrmann. Er kündigt an, unabhängig von den Mitteln des Bundes in Bayern jedes Jahr 40 Millionen Euro für den Ausbau der Rad-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Glosse: Wo bleiben die Wanderer?
Wie bitte? Bundesverkehrsminister Dobrindt macht Millionen für den Bau von Radl-Autobahnen locker? Die von den Rowdies auf zwei Rädern auch noch mautfrei genutzt werden dürfen? Einspruch!Man muss den vom Pickerl geplagten Minister wohl einmal sanft daran erinnern, dass in Deutschland Gleichberechtigung herrscht. Es kann nicht angehen, dass man am Bankautomaten für sein eigenes Geld Gebühren zahlen, vor der Reise mit Deutsche Bahn eine Fahrkarte kaufen und auf der Straße Maut abdrücken muss; während man sich auf zwei Rädern oder Beinen unbehelligt durch das Land schmarotzen darf. Und wenn überhaupt: Dann hat gleiches Recht für alle zu gelten.
Über Stock und Stein
Wer ist nicht schon als flotter Langstreckenläufer mit Banden von meist weiblichen Menschen kollidiert, die sich in Zeitlupe bewegen und dabei mit angespitzten Prügeln drohend fuchteln? Auch der Jogger hat das Recht auf seine schnelle Strecke: gerade, eben und mindestens 42,195 Kilometer lang, frei nach Emil Zatopek: "Wenn du laufen willst, lauf' eine Meile. Wenn du eine andere Welt kennenlernen willst, lauf' einen Marathon." Stein und Stöcke stören da. Analoges gilt für den Wanderer, den es als solchen ja nicht gibt, da die rucksackbewährte Mobilität in Gottes freier Natur in unzähligen Varietäten anzutreffen ist. Gerade das Frankenland (wunderbares Wanderland, wanderbares Wunderland ...) zelebriert die Tradition der Fortbewegung auf den eigenen zwei Füßen noch als heiligen Akt: Wer nicht im Auto oder auf dem Fahrrad sitzt, marschiert.
Berg und Tal rufen
Und das sind viele, sehr viele. Auch dabei sind Konflikte an der Tagesordnung, da Ziel, Richtung und Tempo der fußläufig Mobilen praktisch nicht zu koordinieren sind:Hier wallen 200 singende Franken nach Vierzehnheiligen, dort keuchen 25 Wanderer den Staffelberg hinan, da wanken zwei bis vier Zecher von einem Bierkeller zum anderen. Es liegt auf der Hand, dass auch für diese Interessensgruppen eigene Wege zu bauen sind, beleuchtet für Wallfahrer (weil die meist nachts singen), mehrspurig für Wanderer (mit Standstreifen) und besonders breit für die Zecher (weil die ja auch breit sind). Herr Minister Dobrindt, bitte nachbessern!