Druckartikel: Auch in Franken droht der Strom-Kollaps

Auch in Franken droht der Strom-Kollaps


Autor: Günter Flegel

Bayreuth, Mittwoch, 28. November 2012

Auch in Franken müssen neue Leitungen gebaut werden, damit ohne Atomkraft die Lichter nicht ausgehen. Weil die Projekte viel Zeit brauchen, könnte aber genau das passieren.
Die hochfliegenden Pläne für den Netzausbau im Zuge der Energiewende  werden durch die Genehmigungsverfahren gebremst. Foto: Günter Flegel


Der Winter naht mit Riesenschritten, die Energiewende trippelt ihm hinterher. Das nährt die Angst vor einem Blackout wie jüngst in München, und solche Ängste schürt keineswegs nur die Stromindustrie oder die Atomlobby. Auch der Chef der Bundesnetzagentur meint, dass das deutsche Stromnetz einem echten Stresstest nicht gewachsen ist.

Jochen Homann, der Leiter der Bundesbehörde, die sich darum kümmert, dass der Strom aus der Steckdose kommt, sorgt sich um die Versorgungssicherheit. "Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Menge an Ausfallarbeit mehr als verdreifacht", heißt es in einem Bericht aus Bonn. Die Netzagentur sieht den Grund für die Instabilität darin, dass die Leitungstrassen fehlen, die den regional erzeugten Wind- und Sonnenstrom überregional verteilen müssen. Als Ersatz für die abgeschalteten Großkraftwerke liefern die regenerativen Quellen zwar rechnerisch genug Strom. Dies aber ungleichmäßig, und er kann nicht zum Verbraucher gebracht werden. "Bei zu viel Wind oder Sonne ist mehr Strom im Netz als benötigt, umgekehrt gibt es Engpässe", fürchtet Homann. Ein kalter Februar wie 2012, ohne Wind und Sonne, könnte das Stromnetz 2013 regional kollabieren lassen. Auch in Franken.


Von der Nordsee zu den Alpen

So weit Homanns Theorie. Wie sehen das die Praktiker? Die sitzen unter anderem in Bayreuth bei der Firma Tennet, die für das Höchstspannungsnetz in einem Korridor von den Alpen bis zur Nordsee zuständig ist. Der Sprecher Markus Lieberknecht sieht die Lage im Stromnetz ebenfalls kritisch, "obwohl wir in weiser Voraussicht genug Reserven aufgebaut haben".

Trotzdem könnte das Netz bei extremen Belastungen zusammenbrechen, wenn Stromverbrauch und -produktion zu weit auseinanderklaffen. Der Strom aus den kleinen Anlagen, in der Regel nur einige hundert Volt, muss zur überregionalen Verteilung auf 20.000 und bis zu 380.000 Volt transformiert werden - je länger die Leitung, desto höher die Spannung, um die Verluste klein zu halten. "Dafür fehlen die Umspannwerke und das Netz", sagt Lieberknecht.

Die Bundesnetzagentur verspricht rasche Abhilfe, wenngleich sie die ehrgeizigen Ausbaupläne der Energiewirtschaft gebremst hat. Nur 2800 statt 3800 Kilometer der neuen Strom-Autobahnen enthält der aktuelle Entwurf aus Homanns Haus, 2800 statt 4400 Kilometer Stromkabel werden aufgerüstet und zunächst nur 51 statt 74 Einzelprojekte realisiert. "Nur so ist der Ausbau bis 2022 zu schaffen", sagt Homann.

Eine der neuen großen Stromtrassen beginnt in Bad Lauchstädt in Sachsen und endet in Meitingen bei Augsburg. Die 400 Kilometer lange Leitung, die wohl irgendwo zwischen Bamberg und Schweinfurt Franken durchqueren wird, ist technisch eines der spektakulärsten Projekte, sagt Lieberknecht: Denn hier wird erstmals in Deutschland bei einer Überlandleitung dieser Länge Gleichstrom-Höchstspannung eingesetzt statt wie üblich Wechselstrom. "Das ist aufwendiger als eine herkömmliche Leitung, aber die Verluste sind kleiner", erklärt der Tennet-Sprecher.

Die Gleichstrom-Trasse ist überdies tatsächlich eine Autobahn: Verzweigungen wie im Wechselstrom-Netz sind nicht möglich, "es ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung", erläutert Lieberknecht. Wo genau diese Trasse durch Franken laufen wird, steht noch nicht fest. Dafür gibt es noch nicht mal einen Korridor", heißt es bei der Bundesnetzagentur.


Die Planung zieht sich hin

Noch mehr Fragezeichen stehen hinter dem Wann. Für den Bau der neuen Leitungen sind umfangreiche Genehmigungsverfahren erforderlich. Tennet kein ein Lied davon singen, denn schon die vergleichsweise simple Aufrüstung eines Umspannwerks und einer Leitung im Maintal bei Eltmann (von Grafenrheinfeld nach Würgau) zieht sich hin. Dafür fordert die Regierung von Unterfranken nach den Worten ihres Sprechers Johannes Hardenacke ein Planfeststellungsverfahren samt Umweltverträglichkeitsprüfung.

Wie viele Winter noch kommen und gehen werden, ehe dieses kleine Teil im Stromnetz fertig gewebt ist, vermag Hardenacke derzeit nicht zu sagen.