Auch der Piwi kommt jetzt ins Fass
Autor: Günter Flegel
Veitshöchheim, Montag, 18. Sept. 2017
Nicht nur wegen des Klimawandels halten in der fränkischen Rebhängen immer mehr Exoten Einzug. Dazu gehören Neuzüchtungen, die mit weniger Chemie auskommen.
Die 3600 fränkischen Winzer sind in den Endspurt des Weinjahres 2017 gestartet. So früh wie selten zuvor hat die Weinlese begonnen. In den Weinbaugebieten bekommt man in Form von Federweißem bereits den ersten Vorgeschmack auf den 2017er, der laut Weinbaupräsident Artur Steinmann das Potenzial hat, zu den besonders guten zu zählen.
"Es war und ist ein ungewöhnliches Weinjahr, das die Winzer vor große Herausforderungen gestellt hat", sagt Steinmann. 2017 startete zu kalt und zu nass, so dass die Reben zunächst dem Soll hinterher hinkten. Reichlich Sonne und Wärme in den Sommermonaten brachten Silvaner und Co. aber schnell auf die Überholspur, so dass man etwa 14 Tage früher als üblich mit der Lese beginnen konnte, sagt der Weinexperte aus Sommerhausen.
Je später, desto besser
Gelesen wird auf den 6000 Hektar Rebfläche in Franken sortenweise: Den Anfang machen frühreife Trauben, aus denen vor allem der Federweiße gewonnen wird. Anspruchsvolle Sorten wie Silvaner und Riesling oder die fränkischen Rotweine bleiben länger hängen - sie müssen, um auszureifen, so viel Sonne wie möglich tanken. Das Finale der Wein-Ernte bestreiten dann im Oktober die Spät- und Auslesen; und wenn es der Wetter- mit dem Weingott gut meint, dann krönt er das Weinjahr mit einem Eiswein.Auf leisen Sohlen hat sich aber auch eine ganz andere Spezialität in die fränkischen Weinberge geschlichen: Piwi. Das ist nicht etwa eine Kreuzung aus Weinrebe und Kiwi, sondern eine Kurzbezeichnung für neue Rebzüchtungen, die gegen die gefürchteten Pilzerkrankungen im Weinberg widerstandsfähig sind.
Die Piwis sind die konsequente Fortsetzung der Wein-Kultur, die von Beginn an die wild wachsenden Pflanzen durch Auslese und Züchtung verbessert hat und immer noch verbessert. Erst die "Erfindung" neuer Rebsorten hat den Frankenwein gerettet: Als Ende des 19. Jahrhunderts die Reblaus aus Amerika nach Europa eingeschleppt wurde, kam der Weinbau auch in Franken nahezu zum Erliegen. Der Schädling wurde zurückgedrängt, indem die Züchter die resistenten amerikanischen mit den empfindlichen europäischen Sorten kombinierten.
Federführend beim Wein-Bau ist heute die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim bei Würzburg. Hier erblickt so mancher fränkische Exot das Licht der Welt, der anfangs nur eine Nummer ist, eines schönen Tages aber mit einem richtigen Namen seinen Platz neben Bacchus und Müller-Thurgau finden könnte.
Heute ist nicht die Reblaus der Feind Nummer 1 des Winzers, sondern eine Reihe von Pilzkrankheiten, die die Rebstöcke schwächt und die Trauben zerstört. Im konventionellen Weinbau setzt der Winzer Spritzmittel gegen die "Mitesser" ein.
Mit viel weniger Chemie
Bei den Piwis kommt mit sehr viel weniger oder sogar ganz ohne Chemie aus, sagt Marco Drechsel von der LWG. Das macht die Piwis erst einmal für den Hobby-Winzer interessant, der am Haus oder im Garten ein paar Rebstöcke kultiviert. Aber auch im Ertragsweinbau halten die widerständsfähigen Sorten Einzug. "Langsam aber stetig", wie Drechsel sagt. Dass der Durchbruch nicht recht gelingen will, liegt nach seiner Ansicht daran, dass die neuen Sorten anders als die Klassiker bei den Verbrauchern kaum bekannt sind. "In Geschmack und Qualität können sie aber durchaus mithalten", sagt Drechsel. So wird es wohl noch lange dauern, bis Felicia, Villaris oder Cal 4-04 im Weinregal stehen und gekostet werden können. Sie klingen jedenfalls interessant.
Zur Ehrenrettung der Piwis muss man sagen, dass einer der Neulinge sich tatsächlich schon durchgesetzt hat: Der Regent steht auch in Franken bei Rotwein-Freunden hoch im Kurs.