Arbeitswelt im Wandel: "Unternehmen und Bewerber auf Augenhöhe"
Autor: Stephan Großmann
Bamberg, Montag, 08. Oktober 2018
Arbeitswelten wandeln sich, Bewerber begegnen Unternehmen heute mindestens auf Augenhöhe. Auch, weil sie zur Mangelware geworden sind. Das bietet den Jobinteressierten große Chancen. Welche genau, erklärt der Bamberger Professor Tim Weitzel.
Wie ein Damoklesschwert schwebt der Begriff "Fachkräftemangel" über hiesigen Unternehmen. Für viele Stellen lassen sich kaum Interessenten finden. Was sich damit für Bewerber ändert und was sie dennoch beachten müssen, erklärt der Wirtschaftsinformatiker an der Universität Bamberg, Professor Tim Weitzel: Herr Weitzel, der Fachkräftemangel scheint allgegenwärtig - wo hapert's? Tim Weitzel: Es gibt zu wenige Kandidatinnen und Kandidaten, und die, die da sind, sind nicht immer ausreichend qualifiziert. Heute haben wir weniger als halb so viele Ausbildungsanfänger wie noch 1950. Gleichzeitig sind die Jobs anspruchsvoller und komplexer geworden als früher. Sie machen dadurch zwar deutlich mehr Spaß. Es wird aber schwieriger, Menschen zu finden, die da reinpassen.
Woran liegt das? Zum einen werden sich Bewerber klarer, dass sie einen Wert haben. Es gibt ein gekipptes Machtverhältnis. Mittlerweile ist es so, dass Unternehmen dringender nach Mitarbeitern suchen als anders herum. Das gilt zwar nicht für alle Bereiche und Aufgaben. Aber für knappe Profile wie zum Beispiel Wirtschaftsinformatiker gilt es besonders. Vor allem im Mittelstand sind mehr als die Hälfte der Stellen gar nicht mehr oder nur schwierig zu besetzen.
Wie sieht es in Oberfranken aus? Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass auch für die Unternehmen in der Region die größten Herausforderungen darin bestehen, gute Mitarbeiter zu finden und zu binden.
Die Arbeitswelt wird komplexer: Was ist an neuen Aufgaben hinzugekommen? Man muss heute neben rein fachlichen Anforderungen auch team- und kommunikationsfähig sein. Das liegt daran, dass komplexere Jobs so viele Fähigkeiten beanspruchen, die gar nicht mehr in eine Person passen. Typische komplexe Aufgaben werden mittlerweile im Team gelöst. Vor 20 Jahren waren mehr die sogenannten Hard Skills gefragt, weil viele theoretisch auch die Arbeit alleine verrichten konnten. Heute suchen Firmen neben der rein fachlichen Exzellenz auch noch soziale Fähigkeiten. Die Anforderungen sind also größer geworden.
Einige Personaler sagen, viele Bewerber seien den gestiegenen Voraussetzungen nicht gewachsen: Hinkt das Bildungssystem hinterher? Da gibt es eher zwei andere Probleme. Auf der einen Seite steht die noch immer zu geringe Geburtenrate. Auf der anderen Seite sind viele der zusätzlichen Fähigkeiten wie soziale und kommunikative Kompetenzen nur schwer lehr- und lernbar. Das wird zwar in der Schule versucht. Aber es herrscht Skepsis, in welchem Umfang diese Fähigkeiten wirklich aufbaubar sind. Oft steckt es in der Persönlichkeit, ob sich jemand anderen gegenüber öffnen kann - und das ist nur selten änderbar.
Idealtypus: hochbegabte Rampensau? (lacht) Idealerweise gibt es einen Data Scientist, der gut programmieren kann, und eine Rampensau ist.
Gestaltet sich der Fachkräftemangel in allen Branchen gleich? Besonders betroffen ist die IT-Branche. Dort ist aber schon viel passiert. Sie war früh gezwungen, innovativ zu sein. Mitarbeiter als Botschafter fürs eigene Unternehmen zu verwenden, ist dort schon lang gängige Praxis. Etwas anders sieht es im Handel aus: Dort ist es relativ einfach, Mitarbeiter zu finden.