Druckartikel: "Apoll" - ein Gott im Kreuzfeuer

"Apoll" - ein Gott im Kreuzfeuer


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Donnerstag, 29. Sept. 2016

Feierlich enthüllt Markus Lüpertz im Mai 2009 seine Bronzeplastik vor der Elisabethenkirche. Auch Alt-Kanzler Schröder kam zu dem Anlass an die Regnitz.
Der "Apoll" bei seiner Ankunft im Sand: zu seinen Füßen Markus Lüpertz, daneben Gerhard Schröder Foto: Archiv Ronald Rinklef


Auf einen Sockel hob man ihn - vor der Elisabethenkirche. Hier thront der "Apoll" seit sieben Jahren und blickt auf all die Menschen, die durch die Sandstraße schlendern. Mancher bleibt stehen und bewundert den stummen Beobachter. Viele aber lästern auch hundsgemein über die Bronzeplastik ab - den "hässlichsten Bamberger überhaupt", wie neulich erst ein Spötter meinte. Tja, der "Gott der Künste" hat's in der Domstadt nicht leicht. Seit uns Markus Lüpertz Anfang Mai 2009 den "Apoll" bescherte, gab's viele Diskussionen. Dabei hatte den "Neubürger" damals eine riesige Menschenmenge mit großem Tamtam und bundespolitischer Prominenz begrüßt: Gerhard Schröder sprach zu dem festlichen Anlass - und brach dabei eine Lanze für das Werk seines langjährigen Freundes.



"Fette Sulln"

Warum aber sollte es dem "Apoll" besser als der "Botera" gehen? Als "Blunzn", "fetta Sulln" und "Riesendame" musste sich "Die Liegende mit Frucht" beschimpfen lassen, die sich den ersten Platz in Bambergs Skulpturenweg sicherte. Ins Herz schlossen die Franken das Werk des kolumbianischen Bildhauers Fernando Botero erst nach einem unfreiwilligen Bad in der Regnitz: 2005 sollte die Liegende zur Eröffnung der Antiquitätenwochen am Alten Rathaus auf schwimmenden Pontons zu sehen sein, was mit dem Sturz ins Wasser und Beinahe-Untergang der teueren Skulptur endete.


In den Schlagzeilen

Immerhin bescherte die Kunsthavarie der Domstadt bundesweite Schlagzeilen. Ähnlich wie der Röhrenbrunnen vor St. Martin, der aber nach nur einem Jahr für immer in der Versenkung verschwand. 1977 war er - umringt von zahllosen Schaulustigen - in Betrieb genommen worden. Die Menschen hielten in der neuen Fußgängerzone den Atem an: Allerdings entrann den mattglänzenden Röhren statt der erwarteten Fontäne nur ein dürftiger Wasserstrahl, wie landauf und landab zu lesen war.


"Dynamisches Pissoir"

Als "Spaghettiorgel" schmähten desillusionierte Bamberger die Neuerrungenschaft, als "dynamisches Pissoir", "entartetes Wasserspiel" oder "Prostatabrunnen". Nach einer Weile hatte der Stadtrat genug und entfernte den Stein des Anstoßes, der in der Erinnerung aber weiterlebt.


Kopf abgerissen

Zurück zum "Apoll", der schon 2006 die Domstadt besuchte - im Rahmen einer Großplastikenausstellung, bei der auch Lüpertz' "Kopf Chillida" auf der Oberen Brücke zu sehen war. Nur stürzten Vandalen die Skulptur vom Sockel und zerbrachen sie: Ein Akt der Zerstörung, der OB Starke zu einer Spendenaktion veranlasste, die mit dem Ankauf des "Apolls" endete. Nachdem er monatelang vor dem Rathaus stand, hatte sich der bronzene Mann wohl an entscheidender Stelle Freunde gemacht.



Geteert und gefedert

An Lüpertz' Werken scheiden sich eben die Geister: Seine "Philosophin" schaffte den Einzug ins Kanzleramt, die Mozart-Skulptur des mittlerweile 75-jährigen Künstlers wurde in Salzburg geteert und gefedert. Einer, der den Einzug des "Apolls" im Sandgebiet begrüßte, ist Kunsthistoriker Ekkehard Arnetzl. In direkter Nachbarschaft zu der Plastik hatte er lange Jahre sein Büro im Sand. "Der ,Apoll' hat etwas Rätselhaftes, Unerklärliches", meinte der Bamberger. Was vielleicht nicht auf den ersten Blick zu erkennen sei. "Man sollte sich Zeit für ihn nehmen, sich auf den ,Apoll' einlassen."


"Krummgsoffn"

Dass die Skulptur nicht den gängigen Vorstellung eines Adonis entspricht, ist für Arnetzl leicht erklärbar. Schließlich sei der "Apoll" der griechischen und römischen Mythologie zufolge vielschichtiger angelegt und besäße durchaus eine brutale, animalische Seite. Die beste Interpretation aber, so der Kunsthistoriker, habe eine ältere Dame geliefert: "Der Aboll bassd in den Sand: Kummt aus'm Schlenkerla, ist krummgsoffn und hat an roten Kopf." Aus gutem Grund hatte somit auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder bei seiner Ansprache auf dem Elisabethenplatz Lüpertz' Mut gelobt, "seine Schützlinge" den Menschen anzuvertrauen. Er sei zuversichtlich, dass diese Geste in Bamberg belohnt werde. Der "Reiter bekommt feinste Gesellschaft", so Schröder.


Unter einem goldenen Tuch

Feierlich enthüllten Starke und Lüpertz den "Apoll", den bis dahin ein goldenes Tuch verbarg. Beifall brandete auf. Rund 1500 Menschen hatten sich an jenem Montagnachmittag in der prallen Mai-Sonne vor der spätgotischen Kirche versammelt, um zu sehen, wie der Skulpturenweg um eine weitere Station wuchs. Einen negativen Kommentar aber gab's auch bei der Feierstunde: genauer gesagt ein Plakat, das ein Spötter aus der Menge heraus nach oben reckte: "Bamberg hat Mut zur Hässlichkeit."


"Lasst die Finger weg!"

Lüpertz freute sich dennoch über die Menschenmenge, die der Enthüllung beiwohnte. Im Dominikanerbau sprach er davon, mit seinen Werken "nie provozieren, sondern die Ästhetik der Gegenwart ausloten" zu wollen. Und ersuchte die Bamberger, die "Frage, die das Kunstwerk stellt", mit der nötigen Toleranz zu beantworten: "Man kann sich an der Skulptur reiben oder sie abscheulich finden. Aber bitte, lassen Sie die Finger davon."