Druckartikel: Anwohner kämpfen um ihr Geld: Noch bis Ende 2019 Antrag auf Strabs-Entschädigung stellen

Anwohner kämpfen um ihr Geld: Noch bis Ende 2019 Antrag auf Strabs-Entschädigung stellen


Autor: Stephan Großmann

Debring, Mittwoch, 18. Dezember 2019

Die "Strabs" sind Geschichte, deren Geschichten aber spielen weiter. Um ihren Anteil an der Straßensanierung zu bezahlen, musste das Ehepaar Fuchs vor Jahren an ihr Erspartes ran. Nun hofft die Familie aus dem Landkreis Bamberg darauf, Geld zurückzubekommen.
Regina und Hans-Dieter Fuchs aus dem Landkreis Bamberg mussten vor Jahren  fast 40 000 Euro Straßenausbaubeiträge zahlen. Nun hoffen sie auf Entschädigung aus dem Härtefallfonds  Foto: Stephan Großmann


Der Ärger ist präsent, auch nach all der Zeit. Weil ihre Straße vor knapp zehn Jahren saniert wurde, musste Familie Fuchs aus dem Landkreis Bamberg fast 40 000 Euro als Straßenausbaubeitrag (Strabs) zahlen. Kosten von mehr als einer halben Million Euro teilten sich damals die Anlieger der 300 Meter langen Stegauracher Kellerstraße. Für die meisten war es ein harter, finanzieller Schlag. Einer musste gar sein Haus verkaufen. So hart traf es Familie Fuchs nicht, doch auch ihnen ging es an das Ersparte. Nun hoffen sie wie viele andere darauf, aus dem Härtefallfonds des Freistaates einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen.

Die Straßenausbaubeiträge (kurz Strabs) sind in Bayern zum Jahresbeginn 2018 abgeschafft worden. Wer zwischen 2014 und 2017 einen Bescheid bekommen und bezahlt hat, kann unter Umständen mit einer Rückzahlung rechnen. Zumindest von einem Teil der Kosten. Dies hatte das Kabinett im Juli dieses Jahres beschlossen. In dem sogenannten Härtefallfonds stehen 50 Millionen Euro zur Verfügung. Ende des Jahres läuft die Antragsfrist aus.

Erwartet werden 12 000 Anträge

Geprüft werden die Anträge in Würzburg, bei einer an der Regierung von Unterfranken angesiedelten Geschäftsstelle der Härtefallkommission. Die rechnet mit etwa 12 000 Anfragen. Für die Erstattung gelten feste Kriterien (Infokasten). Bedacht werden diejenigen, für die die Strabs eine "unbillige Härte" war, die also einen unangemessen hohen finanziellen Nachteil hatten.

Familie Fuchs musste die zur Altersvorsorge zurückgelegten Ersparnisse und einen Teil der Lebensversicherung angreifen. Wie viele andere Betroffene klagte das Ehepaar seinerzeit erfolglos gegen den Kostenbescheid. Nun hofft es darauf, dass der zweiseitige Brief an die Härtefall-Kommission Früchte tragen wird. Finanzielle Früchte.

Einen vollumfänglichen Ausgleich können sie freilich nicht erwarten. Rechnerisch bleiben für jeden Antragssteller im Durchschnitt etwas mehr als 4000 Euro. Das deckt gerade einmal zehn Prozent der damals bezahlten Rechnung. "Aber wir würden uns trotzdem freuen, falls es klappt", sagt Hans-Dieter Fuchs.

Kommunen bangen um Finanzierung

Die kommunalen Spitzenverbände bangen derweil um die künftige Finanzierung der Straßensanierungen. Laut Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetages, riss die Abschaffung eine Lücke in die kommunalen Haushalte. "Wir appellieren nach Abschaffung der Strabs, den Kommunen die ausfallenden Beiträge für laufende Ausbaumaßnahmen zügig zu erstatten."

Denn für die Gemeindekassen fällt bald ein weiterer Brocken weg. Wird eine Straße neu erschlossen, müssen Anwohner über die Straßenerschließungsbeiträge (Strebs) einen Teil der Kosten übernehmen. Weil es in der Regel dauert, bis Straßen als erschlossen gelten, müssen Anrainer oft erst Jahrzehnte später zahlen. Ab 1. April 2021 gilt für Altfälle eine Verjährungsfrist: Treibt eine Kommune den Erstausbau nicht innerhalb von 25 Jahren an, kann sie die Anwohner nicht mehr zur Kasse bitten.

Bis dahin dürfen Städte und Gemeinden selbst entscheiden, ob sie Beiträge erheben oder nicht.

Eine echte Wahlfreiheit können die Kritiker aber nicht erkennen. Vor allem finanzschwache Kommunen geraten durch die Regelung unter Druck und mimen den Sündenbock, der seine Bürger "abzockt". Oder sie laufen Gefahr, gegen Haushaltsrecht zu verstoßen, wenn sie die Kosten ganz erlassen. Mancherorts werden Straßen nun im Eilverfahren erschlossen, einigen Grundstückseigentümern in Bayern flatterten deshalb Rechnungen für Ersterschließungen ins Haus, obwohl die Straßen bereits seit Jahrzehnten genutzt wurden.

Reichen die Hilfen vom Land?

Zwar hat die Staatsregierung Gelder zugesagt, um den Kommunen für den Wegfall der Strabs zu entlasten. Heuer stehen 100 Millionen für bereits abgerechnete und künftige Beiträge zur Verfügung (hinzu kommt noch der einmalige Härtefallfonds), ab 2020 dann 150 Millionen jährlich. Für die finanziellen Ausfälle der Strebs haben die Kommunen indes keine gesonderten Hilfen zu erwarten; die seien im Strabs-Ausgleich bereits enthalten.

Familie Fuchs versteht die Sorgen der Gemeinden. Dennoch ist sie heilfroh, für "ihre" Straße nichts mehr zahlen zu müssen. Und sie hofft, wenigstens einen Teil ihrer 40 000 Euro zurückzubekommen.

"Strabs": So bekommen Betroffene ihr Geld zurück

Was? Straßenanlieger, die bis vor drei Jahren einen Bescheid für Straßenausbaubeiträge (Strabs) erhalten haben, können noch bis zum 31. Dezember 2019 eine Teilrückerstattung beim Land beantragen. Doch dafür gelten Kriterien.

Wer? Einen Härteausgleich kann bekommen, wessen Bescheid zwischen 1. Januar 2014 und 31. Dezember 2017 erlassen wurde, wer mindestens 2000 Euro zahlen musste und maximal 100 000 Euro verdient (Eheleute das Doppelte). Selbstbehalt: 2000 Euro werden von den gezahlten Gebühren mindestens einbehalten.

Wie? Antrag per Post an: Geschäftsstelle der Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge bei der Regierung von Unterfranken (Peterplatz 9, 97070 Würzburg), per Mail an ausgleich@reg-ufr.bayern.de oder haerteausgleich-strassenausbaubeitrag@reg-ufr.bayern.de senden.

Womit? Zum Antrag gehören Kopien des "Strabs"-Bescheids, des Steuerbescheids und der Eigentumsnachweis. Zudem sollte der persönliche Härtefall ausführlich beschrieben werden.

Mehr Infos unter www.strabs-haertefall.bayern.de

Kommentar vom Autor Stephan Großmann: "Des Bürgers Geld ist tabu"

Dass die Straßenausbaubeiträge abgeschafft gehörten, ist eine Selbstverständlichkeit. Dass Straßen sich auch künftig abnutzen und nicht selbst sanieren, steht aber genauso fest. Bleibt die Frage, wer die Kosten in Zukunft übernehmen soll? Der Freistaat hat hierfür ein Millionenpaket für den aktuellen Doppelhaushalt geschnürt.

Ob die Gelder ausreichen, wird sich wohl erst noch herausstellen. Den kommunalen Spitzenverbänden sind sie aber zu ungleich verteilt und sowieso zu niedrig angesetzt, sie wollen am liebsten die alten Bürgerbeiträge zurück. Ihr Drängen auf eine sichere Finanzierbarkeit in allen Ehren.

Dass aber Gemeinden lieber die eigenen Einwohner als den Staat zur Kasse bitten, um sich ihre "verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungshoheit" zu bewahren, muss den Betroffenen vor Ort wie blanker Hohn vorkommen. Immerhin geht es um ihr Geld.