Angeklagter gibt sich geläutert
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Dienstag, 08. Januar 2013
Elf Jahre seines Lebens hat ein 32-jähriger Mann schon in Haft verbracht. Jetzt steht er angeblich zum ersten Mal unschuldig vor Gericht. Er wird beschuldigt, seine Ex-Verlobte übel malträtiert und erheblich verletzt zu haben.
"Ich bin kein schlechter Mensch" sagte Peter F. (Name von der Redaktion geändert) am Dienstag über sich, zum Auftakt eines Prozesses vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts, in dem er sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung verantworten muss.
Der 32-Jährige soll die Taten ausnahmslos zu Lasten seiner damaligen Verlobten begangen haben. Bei ihr handelt es sich um eine zierliche Bambergerin von ebenfalls 32 Jahren, die dem Angeklagten körperlich offensichtlich unterlegen ist und die mit ihm einen gemeinsamen Sohn (14) hat.
Alle Strafen, die er im Lauf seines Lebens schon verbüßt hat, will F. zu Recht bekommen haben. Doch was ihm die Staatsanwaltschaft jetzt vorwirft, stimmt angeblich nicht. Er wies zu Prozessbeginn die Anklage pauschal zurück.
Machete an den Hals gesetzt
Zwischen Juni und Dezember 2011 soll er die Frau wiederholt geschlagen haben. Der Anklageschrift zufolge traktierte er seine Verlobte am 30. Juni zum ersten Mal so massiv mit den Fäusten, dass sie starkes Nasenbluten, Rötungen und Schwellungen davon trug.
Am 2. oder 3. Dezember erlitt sie zwei Rippenbrüche von Fäustschlägen oder Tritten gegen den Oberkörper. Am 6. oder 7. Dezember soll der gravierendste Vorfall passiert sein: Da hat er laut Staatsanwaltschaft die Frau erst geschlagen und gewürgt und ihr dann eine Machete an den Hals gehalten.
Sie habe dabei Todesangst ausgestanden, sagte das Opfer als Nebenklägerin im Zeugenstand aus. Ihr war offenbar klar: Wenn er gewollt hätte, hätte er sie bei dieser Gelegenheit töten können. Ob er wegen ihrer Abwehr oder aus freien Stücken von ihr ließ, ehe Schlimmeres passierte, blieb offen.
Fest steht: Die Frau trug von der rostigen Machete eine Schnittwunde am Hals davon, die noch heute sichtbar ist. Außerdem erlitt sie an diesem Tag einen Jochbein- und einen Nasenbeinbruch. Erst Tage später durfte die Frau die Wohnung verlassen und zu einem Arzt gehen.
Weil F. die Vorwürfe pauschal abstreitet und somit Aussage gegen Aussage steht, dauerte die Anhörung des Opfers am ersten Verhandlungstag mehrere Stunden. Die Frau ist die einzige, die die Wahrheit kennt; Tatzeugen gibt es keine. Die Übergriffe passierten alle quasi im stillen Kämmerlein, nämlich in ihrer Wohnung.
Dort floss nach den Angaben der Frau im Tatzeitraum der Alkohol reichlich. Beide waren arbeitslos und wohl viel zu Hause. Er trank nach ihren Angaben bevorzugt Bier, sie zog eine Mischung aus Sekt und einem Energydrink vor.
Die Frau gab zu, dass sie auch Rauschgift konsumierte und zudem regelmäßig und offenbar reichlich Psychopharmaka einnahm. Weil sie im Gerichtssaal auffallend monoton sprach, wollte Vorsitzender Richter Manfred Schmidt von ihr wissen, ob sie am Morgen etwas eingenommen hat. Es war angeblich nur eine Tablette.
Für den Angeklagten steht in Bamberg viel auf dem Spiel: Ihm könnte am Ende die Sicherungsverwahrung drohen. Bei ihm liegt laut Staatsanwalt Matthias Kröner "ein Hang zur Begehung von erheblichen Straftaten vor, durch die das Opfer körperlich schwer geschädigt wird". Er glaubt, dass F. nicht nur für dessen ehemalige Verlobte gefährlich ist, sondern auch eine Gefahr für die Allgemeinheit werden kann.
Dagegen gab sich der Angeklagte geläutert. Wörtlich sagte er: "Mein Trotzverhalten hat 27 Jahre angehalten, bis ich endlich erkannt habe, was ich damit angestellt habe."
Heute interessiert er sich angeblich für Theologie, Geschichte und Philosophie, liest viel, liebt Wandern und Yoga - kurz alles für Körper, Geist und Seele.
Worauf sich der Vorsitzende Richter nicht die Feststellung verkneifen konnte: "Das sind alles Dinge, die Menschen ins Gleichgewicht bringen sollen. Ihrem bisherigen Lebenswandel entspricht das aber nicht!"
Schon 1985/1986 habe sein "Abdriften" begonnen, erzählte der Angeklagte. Damals zogen seine Eltern aus dem Frankenwald in den Landkreis Forchheim und holten ihn nach mehreren Monaten nach. Obwohl er sich in der neuen Heimat nie wohl gefühlt habe und zurück zu den Großeltern wollte, habe er bleiben müssen.
In den Jahren danach habe er versucht, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, in der Familie wie in der Schule. So flog er von verschiedenen Schulen, kam in heilpädagogische Wohngruppen und in eine Erziehungsanstalt. Überall muss es disziplinarische Probleme gegeben haben.
Mit 16 Jahren war er zum ersten Mal "eingesperrt". Insgesamt elf Jahre seines Lebens hat er inzwischen in Haft verbracht. In Ebrach erlernte er den Beruf des Tischlers.
Peter F. ist ledig, aber Vater von drei Kindern. Vom Kammervorsitzenden gefragt, ob er für sie Unterhalt zahl(t)e, wurde er fast aufbrausend und sagte laut und vorwurfsvoll in den Sitzungssaal: "Ja, wie denn!?" Er sei ja "immer in Haft gewesen, wie lebendig begraben".
Die Kronzeugin im laufenden Verfahren hat einen gemeinsamen Sohn mit dem Angeklagten. Über den Vater dieses Kindes sagte sie, er sei eigentlich ihre große Liebe gewesen. Auch des Sohnes wegen habe sie stets den Kontakt zu ihm aufrecht erhalten.
Seine letzte Haftstrafe, viereinhalb Jahre, war im April 2011 zu Ende gegangen. Sie war es, die ihm anbot, zu ihr nach Bamberg zu ziehen. F. muss ihr anfangs viel Geborgenheit gegeben und sich von seiner besten Seite gezeigt haben: "Er war total lieb."
Relativ schnell offenbarte er dann aber wohl sein anderes Gesicht. Nach den Angaben der Frau passierten die Übergriffe meistens im Streit, der sich wiederum daran entzündet haben soll, dass sie gerade keinen Sex wollte.
Bei der Befragung der Frau durch den Vorsitzenden Richter stand vorübergehend der Verdacht im Raum, dass F. sich auch noch der Vergewaltigung schuldig gemacht haben könnte.
Die Beweisaufnahme geht am Mittwoch weiter. Neben weiteren Zeugen aus dem Umfeld des Opfers und Sachbearbeitern der Polizei wird das Gericht auch zwei Sachverständige zur Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und seiner Sozialprognose hören.
Mit dem Urteil ist frühestens am Donnerstag zu rechnen.