An der Quelle etlicher Bamberger Geschichten
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Montag, 11. Mai 2015
Für den im Herbst erscheinenden Band "Bamberger Geheimnisse" tauchen Heike Thissen und Eva-Maria Bast in die Vergangenheit der Stadt an der Regnitz ein. Mit Historikern und anderen Kennern der Materie spüren sie Relikten nach.
9.30 Uhr: Der zweite Termin für Heike Thissen, die an der Tourist-Info Anne Schmitt als Geschäftsführerin des Vereins Flussparadies Franken trifft. Mit ihr macht sich die Autorin auf die Suche nach Relikten: Relikten aus längst vergangenen Jahrhunderten, an denen die meisten Menschen achtlos vorübergehen. Heike Thissen aber geht den Geschichten aus der Geschichte der Domstadt auf den Grund - für "Bamberger Geheimnisse": Das Buch, das die Journalistin gemeinsam mit Eva-Maria Bast im Herbst veröffentlichen wird.
Kurzer Höhenflug
"Das hier ist aber nicht die Regnitz oder gar der Main, vielmehr befinden wir uns am Alten Ludwigskanal", erläutert Anne Schmitt hinter dem ehemaligen Stadtbad. 1846 brachte die Wasserstraße die ersehnte Verbindung zwischen Donau und Main, zwischen den östlichen und nördlichen Landesteilen des jungen Königreichs Bayern.
Allerdings folgte einem kurzen wirtschaftlichen Höhenflug die Talfahrt, wie die Geschäftsführerin des Vereins Flussparadies Franken berichtet. Die Eisenbahn kam und überholte die Konkurrenz auf den Wasserwegen so zügig, dass die durch den Ludwigskanal transportierte Gütermenge schon 1880 auf einen Tiefpunkt sank.
Aus weiblicher Perspektive
Noch ein kurzer thematischer Ausflug zu den Bamberger Gondoliere, von den sich Touristen so gern durch die tausendjährige Stadt schaukeln lassen, schon geht's weiter mit Anne Schmitt. Vom Alten Kanal lässt sich Heike Thissen ins Mühlenviertel entführen. "Wir sind froh, dass uns in Bamberg so viele Frauen mit historischem Hintergrundwissen unterstützen", sagt die Autorin auf dem Weg zum nächsten Relikt, das die Regnitz der Domstadt auf unrühmliche Weise bescherte. In anderen Städten, in denen die Reihe "Geheimnisse der Heimat" erschien, seien Bände aus fast ausschließlich männlicher Perspektive entstanden. Das aber ist in Bamberg nicht der Fall, wo beispielsweise auch Karin Dengler-Schreiber, Christine Freise-Wonka und Regina Hanemann als "Geheimnispatinnen" Geschichte und Geschichten aufrollen.
Ja, und Alexandra Schmölder, mit der Heike Thissen schon frühmorgens das erste Interview hatte. Um Bamberger Brunnen wie beispielsweise den legendären Röhrenbrunnen vor St. Martin ging's im Gespräch mit der Kunsthistorikerin. Selbst Die Zeit hatte 1977 landauf und landab vom Proteststurm berichtet, den das Kunstwerk aus mattglänzenden Röhren entfachte. Bis die "Spaghettiorgel" abgebrochen wurde, als skurrile Episode aber in Büchern wie bald auch "Bamberger Geheimnisse" weiterlebt.
40 Mühlräder
Mit noch zwei weiteren "Geheimnispaten" wird Heike Thissen heute unterwegs sein, neben der Eva-Maria Bast vor Ort recherchiert und wieder anderen Interviewpartnern Lesestoff abringt, der den Bamberg-Band ab Herbst auszeichnet. Aber zurück zu Anne Schmitt, mit der wir in die Geschichte des Mühlenviertels eintauchen. Wussten Sie übrigens, dass sich in der Domstadt Anfang des 19. Jahrhunderts rund 40 Mühlräder drehten? Was mit den romantischen Vorstellungen von heute allerdings wenig zu tun hatte.
Die Obere Mühlbrücke 13 ist der erste Halt auf dem Weg zu weiteren Relikten an den Ufern der Regnitz. "Hier findet man eine Marke vom 28. Februar 1784, die an eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen unserer Stadt erinnert", so die Diplom-Geoökologin. Die Untere Brücke war dem Untergang nahe. Kaiser Heinrich stürzte ins Wasser, während Kunigunde standhaft weiter die Stellung hielt. Auch die Seesbrücke als eine der prächtigsten Brücken Frankens versank. Unversehens war's nach einem harten Winter, der den Fluss zufrieren ließ, zu Tauwetter gekommen. Hochwasser, treibende Eisschollen und Holz der Flößer sorgten in dieser Phase dafür, dass das jähe Ende des steinernen Bauwerks kam. Und zahllose Menschen aus der schaulustigen Menge, die die Seesbrücke bevölkerten, mit in die Tiefe gerissen wurden.
Schon ruft das nächste Relikt und mit ihm die nächste Geschichte, die der Fluss zu erzählen weiß. Und noch viele andere "Geheimnispaten" stehen an anderen Tagen bereit, um Heike Thissen und ihre Kollegin in verborgene Ecken und Winkel der Stadt zu führen. Neben historischen Fakten widmen sich die Autorinnen auch Legenden und legendären Originalen wie der Humsera: Jener für ihr loses Mundwerk bekannten Gärtnerin, an die eine Brunnenfigur auf dem Grünen Markt erinnert.
50 Relikte soll der außergewöhnliche Stadtführer umfassen, der jenseits ausgetretener Touristenpfade wandelt. 22 Bamberg-Kenner steuern dazu ihr Wissen bei, um auch vermeintlich Altbekanntes in neuem Licht erscheinen zu lassen - darunter MGO-Chefredakteur Frank Förtsch und Erfolgsautor Paul Maar. Wer noch zum "Geheimnispaten" wird und das knapp 200-seitige Buch mit Leben erfüllt, das erfahren Leser aber erst im Herbst. Wobei dem mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis ausgezeichneten Konzept seit 2013 übrigens schon 16 Bände entsprangen . . .