Am Mittwoch erste Plädoyers im Chefarzt-Prozess?
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Dienstag, 27. Sept. 2016
Der bisher längste Prozess in der Bamberger Justizgeschichte neigt sich dem Ende: Ab 28.09.16 soll plädiert werden - jedoch hinter verschlossenen Türen.
Noch ist die Beweisaufnahme nicht geschlossen, doch ein absehbares Ende des Chefarzt-Prozesses, der seit April 2015 läuft, wird immer wahrscheinlicher: Am Dienstag stellte Vorsitzender Richter Manfred Schmidt den vorläufigen Plan für die kommenden Verhandlungstage vor.
Schmidt geht davon aus, dass am Mittwoch, 28.09.16, Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb als erster sein Plädoyer vortragen wird. Danach sind die Schlussvorträge von insgesamt sieben Anwälten vorgesehen, die die mutmaßlichen Opfer von Heinz W. vertreten.
Der ehemalige Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Phlebologie am Klinikum Bamberg ist unter anderem wegen Vergewaltigung in zehn Fällen sowie sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Der 51-Jährige bestreitet die Vorwürfe vom ersten Verhandlungstag an und beruft sich auf die Erforschung neuer medizinischer Behandlungsmethoden. Foto- und Videoaufnahmen aus dem Intimbereich von Frauen habe er zu Forschungs- und Dokumentationszwecken angefertigt, wie er immer wieder betont. Um diesen Standpunkt zu untermauern, beantragte Chefarzt-Verteidiger Klaus Bernsmann am Dienstag, Fotos aus der wissenschaftlichen Fachliteratur eines Gefäßspezialisten zu betrachten.
Die Zweite Strafkammer des Bamberger Landgerichts hatte nichts dagegen. Und so sahen alle Zuschauer erstmals in diesem Prozess Fotos vom nackten Unterleib mehrerer Frauen und Männer - in einem Fachbuch. "Das dient als Nachweis um zu zeigen, dass die Bilder, die Herr W. gefertigt hat, nicht ungewöhnlich sind", argumentierte Bernsmann. "Ein Bild mit nacktem Unterleib ist niemals selbsterklärend."
Sein Mandant habe Fotos gerade deshalb gemacht, um sie später zu erklären. Heinz W. selbst fügte an: "Ist jetzt klar geworden, dass bei einer Beckenvenenthrombose der Schamlippenbereich relevant ist?"
Der Angeklagte ließ es sich auch nicht nehmen, zwei Gegendarstellungen gegen Beschlüsse der Kammer vorzutragen. Er bestritt jegliche "sexuelle Zielsetzung" seiner Handlungen und sprach, den gynäkologischen Sachverständigen betreffend, von dessen "völliger Inkompetenz in Bezug auf Beckenvenenthrombosen".
Das Gericht hatte zuvor alle noch ausstehenden Beweisanträge der Verteidigung zurückgewiesen.
So geht es jetzt weiter
Wie geht es jetzt weiter? Am Mittwoch, 28.09.16, sollen Staatsanwaltschaft und Nebenklage plädieren, am kommenden Mittwoch, 5.10.16, die Verteidigung.
Außerdem wird Heinz W. Gelegenheit haben, sich in einem "letzten Wort" zu äußern. Der für 4. Oktober angesetzte Termin wird entfallen. Das Urteil muss dann innerhalb von elf Tagen nach dem letzten Wort des Angeklagten gesprochen werden. Ein wichtiger Hinweis für interessierte Prozessbeobachter: Mit höchster Wahrscheinlichkeit finden die Plädoyers unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wie das Gericht begründet, sei es während des Prozesses schon mehrmals um den Schutz des "höchstpersönlichen Lebensbereiches" und die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Zeuginnen gegangen. So sei auch während der Schlussvorträge die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn sie im Verfahren bereits ganz oder teilweise ausgeschlossen war.
Rechtsanwalt Martin Reymann-Brauer, der mehrere Frauen vertritt, widersprach für seine Nebenklägerinnen Plädoyers hinter verschlossenen Türen. Auch sein Kollege Jürgen Scholl - Anwalt der Hauptbelastungszeugin - deutete an, über einen Antrag nachzudenken.
Klar ist: "Die Urteilsverkündung wird auf jeden Fall öffentlich sein", wie Vorsitzender Richter Manfred Schmidt sagte. Als letzter Prozesstag ist aktuell der 12. Oktober terminiert.
Das Urteil, das gesprochen wird, könnte nicht mehr 13, sondern zwölf Fälle betreffen. Denn Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb stellte am Dienstag den Antrag, den Fall einer damals 18-jährigen Patientin von W. vorläufig einzustellen. Gerichtssprecher Bernd Weigel erläuterte auf Anfrage, dass ein solches Vorgehen nicht unüblich sei: Selbst, wenn sich eine Tat als erwiesen herausstellen sollte, könne die zu verhängende Strafe so gering sein, dass sie bei der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe nicht ins Gewicht falle.
Ob das Gericht dem Antrag nachkommt, ist noch offen.