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Als Bosch nach Bamberg kam


Autor: Redaktion

Bamberg, Sonntag, 09. Dezember 2018

Eine Abbildung auf dem Brunnen in der Wunderburg gibt Rätsel auf. Historiker Hanns Steinhorst bringt Licht ins Dunkel.
Hanns Steinhorst weiß, um was es sich bei diesen merkwürdigen Elementen auf dem Relief am Brunnen handelt.  Foto: Eva-Maria Bast


Auf diesem Brunnen in der Wunderburg gibt es viel zu sehen: Zwei Männer prosten sich zu, eine Frau bringt ein Bier. Ein Bäcker schiebt ein Brot in den Ofen, ein weiterer knetet Teig, ein Metzger haut Fleisch. Auch Menschen mit Körben auf dem Rücken, wie man sie von der Weinernte kennt, sind zu entdecken, ebenso ein Schreiner, ein Maurer und ein Mitglied des Ulanen-Regiments. Gekrönt wird der Brunnen von einem Gärtnerpaar, das Unkraut jätet. Sie ist mit dem typischen Kopftuch der Gärtnersfrau bekleidet, der Mann trägt Ruben in einem Korb. Lauter erkennbare Motive, die man gut zuordnen kann.

Zündkerzenfabrik

Doch eine Abbildung gibt Rätsel auf: In mehreren Reihen übereinander finden sich stabartige Elemente, die in der Mitte Verdickungen haben. Ein wenig sieht es aus wie eine Kette aus jeweils zwei sehr dicken, sehr kurzen Schrauben, die mit ihren Köpfen aufeinander stehen. Historiker Hanns Steinhorst kennt sich gut aus in der Wunderburg. Und er weiß auch, um was es sich bei der merkwürdigen Abbildung handelt: "Hier ist die Zündkerzenfabrikation von Bosch, die seit 1939 in Bamberg beheimatet ist, dargestellt."

Zu sehen ist das historische Fabrikgebäude, und bei den dargestellten rätselhaften Gegenstanden handelt es sich um Zündkerzen. "Anfang 1939 hat man im Rahmen der Wiederaufrüstung die Schwerpunkte der Rüstungsindustrie, und dazu gehörte ja die Zündkerze, etwas entzerrt, damit nicht alles auf einem Platz ist", erklärt der ehemalige Stadtheimatpfleger. Denn dann wäre bei einem feindlichen Angriff zu viel zerstört worden. "Also wurde die Zündkerzenproduktion teilweise nach Bamberg verlegt, und dort befindet sie sich bis heute. Östlich der Bahnlinie wurde das Boschwerk gebaut - auf die damals grüne Wiese."

Jeden Tag eine halbe Million

Die Zündkerzenproduktion in Stuttgart-Feuerbach blieb bis zum Kriegsende weiterhin bestehen und wurde dann vollständig in die Stadt an der Regnitz verlagert. Bamberg steht heute hinsichtlich der Größe der Fabrik auf Platz 2 hinter Feuerbach, rund 7500 Menschen arbeiten hier auf etwa 235 000 Quadratmetern. 1600 verschiedene Zündkerzenarten werden hier gefertigt, eine halbe Million Stück täglich. Der Geist von Gründer Robert Bosch prägt die Firmenphilosophie bis heute.

Fabrik als Lazarett

Bosch lagen seine Mitarbeiter, deren Bildung und deren Gesundheit sehr am Herzen. Während des Ersten Weltkriegs machte er aus einer seiner Fabriken kurzerhand ein Lazarett, und wenn seine Angestellten versehrt aus dem Krieg nach Hause kamen, sorgte er dafür, dass sie künstliche Gliedmaßen bekamen. Er war einer der Ersten, als er im Jahr 1906 den Achtstundentag einführte, und zwei Jahre später gab es samstags frei. Bosch zahlte überdurchschnittliche Lohne, stiftete ein Krankenhaus, kümmerte sich.

Den Grundstein für seinen erfolgreichen Weg legte er 1886 mit der Eröffnung seiner Werkstatte für Feinmechanik und Elektrotechnik, der heutigen Robert Bosch GmbH. Durch kluge Erfindungen wurde sein Unternehmen immer größer und erfolgreicher. Bosch expandierte schnell, auch ins Ausland: 1913 gab es Zweigstellen in Australien, Amerika, Asien und Afrika.

Der Erste Weltkrieg brachte erneut zahlreiche Auftrage: Die meisten fahrbaren Kriegsgeräte verfügten über Zündkerzen von Bosch. Der Zweite Weltkrieg brachte aus dem gleichen Grund hohe Gewinne. Die Zündkerzenproduktion boomte. Auch Einspritzpumpen von Bosch waren sehr gefragt. Sie wurden vor allem in der Luftwaffe benötigt.

Zwangsarbeit und Widerstand

Wegen ihrer Kriegswichtigkeit ein beliebtes Angriffsziel, zog die Bamberger Bosch-Niederlassung im August 1944 in einen Stollen im Stephansberg. Bosch profitierte einerseits vom Krieg, arbeitete für die Rüstung und setzte auch Zwangsarbeiter ein. Andererseits war er im Widerstand gegen die Nationalsozialisten aktiv und half Juden - unterstützt von seinen engsten Mitarbeitern. Der Historiker Arno Lustiger erklärt, dass Bosch einer jener Industriellen gewesen sei, "die alles taten, um jüdische Angestellte und deren Familien zu retten". Und Theodor Heuss schreibt über ihn in der Neuen Deutschen Biographie: "In seinem humanitären Grundgefühl Pazifist, wollte er am Krieg kein Geld verdienen: 1916 setzte er 13 Millionen für den Neckarkanal aus, weitere Millionen für Gesundheitspflege und Erwachsenenbildung."

Schwäbisch -heimatliche Züge

Auch den Menschen Bosch und nicht nur den Unternehmer beschreibt er: "Seine persönlichen Züge waren sehr schwäbisch-heimatlich bestimmt. Neben der Weltläufigkeit seines Denkens stand eine gewisse Scheu im Gesellschaftlichen, eine Ablehnung alles bloß Konventionellen, eine ihn selber peinigende Unsicherheit bei allem öffentlichen Auftreten. Ein sehr scharfer kritischer Verstand, ein ungewöhnliches Gedächtnis, die konkrete, allem Spekulativ-Abstrakten fremde Art des Denkens waren ihm eigentümlich - eine rasche Erregbarkeit, vor allem, wo er Unrecht sah oder witterte, lies ihn manchmal schroff und herb auftreten; aber dahinter verbargen sich Züge einer verhaltenen Mitleidensfähigkeit."

Bosch war wohl nie in Bamberg

Robert Bosch, denkt man, wenn man sich eingehend mit ihm befasst hat, ist ein Mann, den man gern gekannt hatte. Dieses Glück wurde den Bamberger Mitarbeitern wohl nicht zuteil. Denn in der Stadt an der Regnitz war er wahrscheinlich nie. Er hatte sich schon aus dem aktiven Unternehmen zurückgezogen, als das Bamberger Werk eröffnet wurde. Der Großindustrielle starb mitten im Krieg, 1942 - an einer Ohrenentzündung.

Infos zur Adventsserie

Viele Merkwürdigkeiten Bambergs enthüllen wir in diesem Jahr in unserem Adventskalender. Die einzelnen Folgen entstammen dem Buch "Bamberger Geheimnisse - Spannendes rund um das Weltkulturerbe mit Kennern der Stadtgeschichte", das im Verlag Bast Medien in Kooperation mit dem Fränkischen Tag erschienen ist. Es hat 192 Seiten, kostet 19,90 Euro (ISBN: 978-3-946581-54-3) und ist erhältlich in den Geschäftsstellen des Fränkischen Tags, in Buchhandlungen und online auf der Homepage www.bast-medien.de.