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Alles andere als kopflos


Autor: Bertram Wagner

Bamberg, Montag, 16. November 2015

Die "Äh-Werker" bieten in ihrem 16. Programm "Modern(d)e Zeiten" ein hintersinniges Spiegelbild unserer Gesellschaft.
Auseinandersetzung an der Himmelspforte zwischen Petrus (Heinrich Wiesneth) und den Reichen dieser Welt (Ulf Sowa). Foto: Bertram Wagner


Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk produzieren die Äh-Werker nach jeweils zwei VHS-Semestern des Schreibens und Einstudierens beste kabarettistische Handwerkskunst auf den Brettern im Alten E-Werk. Das 16. Programm "Modern(d)e Zeiten" beinhaltet einige Meisterstücke, ist hintersinnig und ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, ohne jedoch die Grenzen des guten Geschmacks zu verlassen. Kurzweilig und mit Lokalkolorit ("Adela, Bambärch") präsentierten die Laien-Kabarettisten 120 Premiere-Minuten auf der Bühne, nachdem sie mit ihrer Einstiegsnummer "Zweifel" doch ganz schön geblufft hatten.

Albert Herrnleben, zusammen mit Gerd Reich eines der "Urgesteine" des Ensembles, stierte auf ein weißes Blatt, verlor die Lust auf Themensuche, schob gehörigen Frust, war mit seinen Ideen am Ende und es fehlten ihm die "Bringer". Zweifel über Zweifel ob der fehlenden Muse und Mutes!

Die Zuschauer mussten sich aber nicht

sorgen, denn bereits das Kaffeekränzla "Ei(s)zeit" war ein Volltreffer. Mit der Erkenntnis "mit 25 Jahren sind die Eier am besten" und der Möglichkeit des "Social Freasing" wurde über die "alte Hollfeldera" übel gelästert, die als 52-Jährige mit einem "Gefrierkind" als ihrem eigenen Enkelkind schwanger ging. "Do-in-One", Eltern und Großeltern in einem!

Die musikalische Begleitung durch Harald Schuberth und das mehrmalige Einspielen von Video-Clips sorgten für gute Unterhaltung. So legte beim "modern(d)en" Titel-Thema die "schwarze Angie" mit dem "roten Siggi" einen herzzerreißenden Tango aufs mediale Tanzparkett. Insgesamt wurde die große Politik aber eher klein geschrieben, der lokale Bezug wurde zunehmend stärker, wenn auch erst einmal mit Tragik verbunden. Da leistete sich der "Ego Shooter", der als bezahlter Spiele-Tester seine Zeit verschwendet, zwei "Volltreffer", als er den Dom ("eine Moschee mit vier Türmen") und die nagelneuen Bamberger Brücken als Zielobjekte anvisierte. Virtueller "Straßenkampf in Bamberg".

Die beiden letzten Programmpunkte waren zwei echte Bamberg-Knaller. Eine Podiumsdiskussion "Highest Security" machte zunächst die Touristen als Ursache für den Sicherheitskollaps aus. Der Stadtbeauftragte beklagte alles: Domstufen-Überprüfung, Forderung nach einer Rolltreppe für den Dom-Organisten und das Rauchbier als echte Zumutung, nicht zu vergessen natürlich die hinabstürzenden Brocken in den Kirchen. Doch das schlimme Ende kam noch: Dem Gesamtensemble tat das Herz weh: "Adela, ade mei Bambärch!" Leere Läden als Shop-Ruinen, Luxus-Tower-Houses, die Stadt nur noch Investitionslandschaft: "Bambärch, Du warst meine Heimat". Die Traumstadt nur noch als Erinnerung (Irgendwann fällt"s zam"). Nachdem es überall bröckelt: "So is a nimmer schö"!

Was man von den Gesangeskünsten, allen voran Äh-Werker-Chef Ulf Sowa, Heike Wiesneth und Albert Herrnleben, nicht behaupten darf. Im Gegenteil: Ohrenschmaus pur! Genauso wie die treffenden Pfeilspitzen Richtung Kommunikations-Gesellschaft.

Nachdem das Ensemble mit Smartphones bewaffnet ganz deutlich machte, dass es "ohne" gar nicht mehr geht, wurde die Selfie-Manie durch den Kakao gezogen. "Ohne Foto warst Du nicht dabei", sogar bei der Notoperation hieß es "Me, my Selfie and I", von Sargbildern ganz zu schweigen.

Apropos Tod: Die Zeiten, in denen Petrus an der Himmelspforte das Sagen hatte, sind längst vorbei. Die Reichen bestimmen das Reich Gottes, "Gott heißt Macht" und die heutigen Gebote implizieren "Macht und Besitz". Die allwissenden Begebenheiten von Angebot und Nachfrage sowie dazu die passenden Marketingstrategien führen dazu, dass der "Wille nach Konsum geschehe". So kommt es zu "feindlichen Übernahmen" sogar im Petrus-Gebiet.

Ins Alltags-Mark traf "Ohne Dings g'hörst der Katz", womit die Aktions-Punkte-Hascherei gemeint war und die "Pay-Back-Card" als allgegenwärtiges Speichermedium tituliert wurde, das bei Verlust schlimmste Folgen hat. Was natürlich auch nicht fehlen durfte: Billigflüge (nach Bagdad mit veralteten Gewehren zur Friedensmission) und eine Game-Show mit Losen. Das Los-Lassen waren die Gewinne: "Kater-los, ehr-los, scham-los ... und als Hauptgewinn den Bundeskanzlerin-Posten "Alternativ-los"! Bleibt der Trostpreis: Kopf-los!

Alles andere als kopflos wirkten alle von der Gruppe erarbeiteten Texte, reine Eigen-Produktion, da steckt kein Event-Management dahinter, und es war nichtsdestotrotz ein sehr unterhaltsamer Abend, der keiner schonungslosen Abrechnung glich und auch nicht voller Fingerzeige war. Gesellschafts-Satire mit lokalen Gegebenheiten garnieren lautet das Rezept, nach dem am kommenden Freitag (20 Uhr) wieder aufgekocht wird.