Aktion: Den Begriff Heimat nicht missbrauchen
Autor: Anette Schreiber
LKR Bamberg, Donnerstag, 15. August 2019
Bayerns Stadt- und Heimatpfleger machen gegen europaweit erkennbare Tendenzen mobil. Annette Schäfer aus Hirschaid hat sich eingebracht.
Bayerns Stadt- und Heimatpfleger machen gegen europaweit erkennbare Tendenzen mobil. Annette Schäfer aus Hirschaid hat sich bei einem offenen Brief eingebracht.Annette Schäfer ist seit Jahren Wahlhelferin. Mit Schrecken hat sie am Rande der Landtagswahl im vergangenen Jahr und bei der Europawahl heuer festgestellt, dass "wohl immer mehr populistisches und nationalsozialistisches Gedankengut in der Gesellschaft angekommen ist". Wobei es sie in ihrer Eigenschaft als Bamberger Kreisheimatpflegerin zutiefst beunruhigt, dass gerade der Heimatbegriff von den genannten Gruppen missbraucht wird. So ist es nur naheliegend, dass sie sich entsprechend engagiert, wozu das Mitverfassen des offenen Briefs gehört, den der Bayerische Landesverein für Heimatpflege - Dachverband der Stadt- und Kreisheimatpfleger - im Mai verfasst hat. Er soll demnächst öffentlich präsentiert werden.
Annette Schäfer hat einen Magisterabschluss in Kunstgeschichte, Volkskunde und Denkmalpflege. Sie ist bei der Marktgemeinde Hirschaid als Sachbearbeiterin für Kultur und Schlossverwaltung beschäftigt und engagiert sich sei 13 Jahren ehrenamtlich als Kreisheimatpflegerin im Landkreis Bamberg. Wolfgang Rössler aus Altendorf teilt sich dabei die Arbeit mit ihr.
Annette Schäfer wie die weiteren Kollegen in Bayern haben festgestellt, dass es kaum ein Thema gibt, das so viele Emotionen in der politischen Debatte auslöst wie die Diskussion um einen zeitgemäßen Heimatbegriff und damit die Frage nach Heimat und Identität. "Heimat ist ein Begriff, der ein kollektives Gefühl ausdrückt, aber gleichzeitig für jeden etwas anderes bedeutet und individuell interpretiert wird", hat sie in dem Schreiben mitformuliert. Eine eindeutige, einheitliche Definition des Begriffs lässt sich nur schwer finden. Laut Schäfer habe jeder eine andere, und das sei das Schöne daran. "Es geht um Werte, hat aber nichts mit Populismus zu tun", unterstreicht sie. Und Heimat müsse nicht zwingend die Region sein, in der man geboren wurde, man könne mehrere Heimaten haben. Auf jeden Fall gehöre Integration dazu, unterstreicht sie.
Bayerns Heimatpfleger beobachten jedenfalls mit größter Sorge, wie versucht wird, den Begriff Heimat für politische Ziele zu missbrauchen, um Personen und Gruppen auszugrenzen. Die Unterzeichner warnen eindringlich davor, "diese manipulative Umwertung durch Extremisten und Populisten hinzunehmen", zitiert Schäfer weiter. Unverzichtbar ist es, innerhalb des Begriffs bereit zu sein, sich weiter zu entwickeln. Wobei größtmögliche Distanz von dem, "was in unseren Köpfen vom Nazi-Heimatbegriff schwebt" nötig ist. Das Schreiben der Heimatpfleger versteht sich als Appell und Sensibilisierung zugleich.
Einer, der über 42 Jahre mit dem Begriff Heimat zu tun hatte, ist Werner Philipp: Der Burgwindheimer war bis vergangenes Jahr Schuljahr Grund- und Mittelschullehrer und hat unter anderem Heimat- und Sachkunde unterrichtet. Das Fach an sich hat mehrmals eine andere Bezeichnung erhalten. Geblieben ist der Begriff Heimat. Wie hat ihn der leidenschaftliche Pädagoge, der zuletzt die Dritt- und Viertklässler in Schlüsselfeld unterrichtete, ihn seinen Schützlingen erklärt? "Heimat, das ist der Ort, an dem man lebt, sich wohlfühlt, aufwächst, tolle Tage, Freude aber auch Leid erlebt und mit anderen teilt." Zum Ort gehört die Landschaft, das direkte Umfeld, die Landschaft. Gerade in der dritten und vierten Klasse seien Kinder sehr offen und auf der Suche nach Neuem, aber auch interessiert an dem, was war. Als Bereicherung hat Philipp dabei seine Schüler mit Migrationshintergrund erlebt: "Sie konnten den Begriff Heimat um zusätzliche Dimensionen erweitern", und seien ihrerseits Teil der Heimat geworden. "Man muss das Alte kennen, damit man sich auf Neues einlassen kann." Philipp stimmt mit Schäfer darin überein, dass Heimat in jedem Fall nichts Statisches ist.
Das sieht Georg Zipfel, Beirat im Heimatverein Reicher Ebrachgrund, ganz genau so. Ein Heimatverein, so wie der, dem er angehört, passe in die heutige Zeit, ist er überzeugt. Nicht dagegen der Missbrauch des Heimatbegriffes. Das sei aus Sicht des vormaligen, langjährigen Schlüsselfelder Bürgermeisters indes nur deswegen möglich, weil der Begriff bei der rasanten Entwicklung der vergangenen fünf, sechs Jahrzehnte "nicht mitgenommen" worden ist. "Heimat war da immer was Lächerliches." Heimat sei aber für Identität wichtig, die neue Heimat gerade auch für Menschen mit Migrationshintergrund.
So sei der Heimatverein Reicher Ebrachgrund ein Verein, in dem jeder eine Heimat findet, der im Reichen Ebrachgrund lebt und sich wohlfühlt, führt der 66-Jährige aus. Sein Verein sei demnach also keiner, der nur Einheimischen vorbehalten ist, sondern einer, in dem alle eine Heimat finden können. Gerade auch diejenigen, für die der Reiche Ebrachgrund neue Heimat geworden ist. In diesem Sinn will der Verein Interessantes aus der Vergangenheit - Stadtgeschichte etwa oder Kulturlandschaft - bewahren, "damit man Zukunft gestalten kann."