Abschiebezentrum: Protestaktionen in ganz Bamberg
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Dienstag, 02. August 2016
Die geplanten Protestaktionen gegen die Abschiebepraxis in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken halten die Stadtverwaltung in Atem.
Zwölf Anträge, zwölf Orte, zwölf Bescheide. Selten hat der Wunsch von Bürgern, von einem demokratischen Grundrecht Gebrauch zu machen, die Stadtverwaltung so in Atem gehalten wie Anfang August 2016. Anlass ist das morgen beginnende mehrtägige "antirassistische Protestcamp", zu dem linke Gruppierungen unter dem Motto "solidarity4all" bundesweit aufgerufen haben. Stattfinden sollen die Protestaktionen unter anderem auf dem Schönleinsplatz, dem Domplatz, auf der so genannten Sperber-Wiese am Berliner Ring, an der Hedwigstraße in der Wunderburg und natürlich: in der Birkenallee an der Großunterkunft im Osten.
Polizei und Stadtverwaltung rechnen damit, dass sich in der gut vernetzten linken Szene sehr viele Menschen dazu bewegen lassen, nach Bamberg zu reisen, um dort ihrem Unmut gegen die Abschiebepraxis des Freistaats Ausdruck zu verleihen. Bis zu 2000 Teilnehmer werden vor allem bei der Hauptveranstaltung, einem Protestzug vom Bahnhof in den Bamberger Osten am Samstag ab 13 Uhr, erwartet. Unterstützung kommt auch von örtlichen Organisationen wie "Freund statt fremd" und dem Bündnis gegen Rechtsextremismus.
Das Protestcamp hat gute Aussicht, die größte linksgerichtete Demonstration der vergangenen Jahre in Bamberg zu werden. Auch das Auftauchen rechtsgerichteter Gegendemonstranten kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, eine Eskalation möchte die Polizei unbedingt vermeiden. Das bedeutet vor allem hohen Personaleinsatz, von örtlichen Kräften und Verbänden der Bereitschaftspolizei. "Wir werden mit mehreren hundert Beamten Präsenz in Bamberg zeigen", sagt Udo Skrzypczak. Dem Polizei-Vizepräsidenten in Oberfranken geht es um die Sicherheit der Teilnehmer, der Anwohner, aber auch der Bewohner der Aufnahmeeinrichtung, die die Solidaritätsadressen möglicherweise missverstehen könnten.
Glaubt man Christian Oppl von der Münchner Flüchtlingshilfsorganisation Karawane ist die Vielzahl einzelner Protestanträge auch eine Reaktion auf die "Blockade-Haltung" der Stadt. Dem Wunsch, eine große Fläche für das Übernachten der Camp-Teilnehmer zur Verfügung zu stellen, hat sich die Stadt bislang beharrlich verweigert. "Es gibt ein Grundrecht auf Demonstration, aber nicht auf Camping", sagt dazu Bambergs OB Andreas Starke (SPD).
Was sagen die Gerichte?
Ebenso strittig ist die Frage, ob eine geplante Kundgebung am Donnerstag und das Ende des Demonstrationszugs am Samstag direkt vor der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken in der Birkenallee stattfinden können. Die Stadt hofft, die bisher geübte Praxis, Demonstrationen in einer Bannmeile rund um die Großunterkunft zu untersagen, auch in Zukunft fortsetzen zu können. Das Bündnis hat beim Verwaltungsgericht in Bayreuth Widerspruch dagegen eingelegt und beruft sich dabei auch auf Gerichtsentscheidungen, die im Vorfeld des G7-Gipfels in Elmau getroffen wurden. Den Alternativvorschlag der Verwaltung, die sämtliche Protestveranstaltungen am liebsten auf dem Parkplatz beim Fuchsparkstadion konzentrieren würde, lehnen die Antragsteller ab. Der Platz sei für ihre Zweck zu klein. Die Kritik an der Abschiebepraxis in Rückführungseinrichtungen wie in Bamberg und Manching bei Ingolstadt ist nicht neu. Die Zentren waren im September 2015 unter dem Eindruck des Zustroms von Hunderttausenden Flüchtlingen nach Deutschland geschaffen worden.
Ein Jahr danach werfen die Macher des Protestcamps den politisch Verantwortlichen vor, Ausgrenzung und Rassismus billigend in Kauf zu nehmen. Anstoß erregen neben Abschiebefällen, die als inhuman und rechtswidrig bezeichnet werden, vor allem die Unterbringung der Flüchtlinge, der im Vergleich zu gewöhnlichem Schulbetrieb nicht vollwertige Unterricht und der mangelnde Zugang zu Rechtsberatung und Asylsozialarbeit.