Ab 2021 mehr Geld für alle GKG-Pflegekräfte
Autor: Anette Schreiber
LKR Bamberg, Mittwoch, 28. Oktober 2020
Gegen den Fachkräftemangel schickt sich der Landkreis an, den 1400 Mitarbeitern der GKG jährlich 1,5 Millionen Euro mehr zu geben, Teil einer Strategie.
Die Helden des Frühjahrs schieben im Herbst Frust, wie man vor allem in den sozialen Netzwerken verfolgen konnte. Mit dem Lob für die Leistung gerade in der Pflege will man es im Landkreis Bamberg nicht bewenden lassen: Für die rund 1400 Mitarbeiter der landkreiseigenen Gemeinnützigen Krankenhausgesellschaft (GKG) in den zwei Kliniken und elf Heimen wird sich die Wertschätzung auch in barer Münze niederschlagen: Zunächst einmal für die kommenden fünf Jahre und ab Januar 2021 werden jährlich zusätzlich 1,5 Millionen Euro investiert. Der Beschluss in Kreisausschuss und Kreistag dazu stehen noch aus, Landrat Johann Kalb (CSU) verweist jedoch auf den einstimmigen Beschluss des GKG-Aufsichtsrates und breite Zustimmung in den Fraktionen, "wir sind uns im Prinzip da alle einig".
Auch Susanne Böhm, Konzern-Gesamtbetriebsratsvorsitzende, ist voll des Lobes über diese Entwicklung. "Wir stehen geschlossen hinter diesem Konstrukt", sagt sie. Das neue Vergütungssystem, in die zusätzlichen Millionen fließen sollen, ist wiederum Teil einer Gesamtstrategie von GKG-Geschäftsführer Udo Kunzmann, die im Rahmen einer Arbeitsgruppe entwickelt wurde. Basierend auf einer Mitarbeiterbefragung wird sie Schritt für Schritt umgesetzt. Als erstes hat der seit Januar 2018 wirkende GKG-Geschäftsführer in seinem ersten Jahr eine Vereinheitlichung der Urlaubsregelung eingeführt. Das heißt, alle Mitarbeiter haben einheitlich 30 Tage im Jahr. Nun kommt mit der neuen Vergütung nicht nur Einheitlichkeit beim Entgelt, sondern auch mehr aufs Konto.
Neben der Erhöhung des Grundgehalts werden finanzielle Anreize gerade bei den nicht so begehrten Nachtschichten und der Arbeit an Wochenenden sowie Feiertagen gewährt, die über den Sätzen des TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) liegen. Wie Kunzmann dazu erläutert gibt es im TVöD etwa an Feiertagen 35 Prozent zusätzlich, "wir zahlen 70 Prozent".
Mangel entgegenwirken
Susanne Böhm weiß aus langjähriger Praxis, "das sind Zeiten, wo man schwer jemanden kriegt". Kunzmann dazu: "Unangenehme Zeiten werden vergütet." Das habe mit Wertschätzung zu tun, sei aber auch Teil des Ansatzes, dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken.
Um die Veränderungen für den Laien nachvollziehbar zu machen, nennt Kunzmann zwei Beispiele: Ein Pflegefachhelfer mit zehn Jahren Berufserfahrung und einem durchschnittlichen Monat (was Nachtdienste, Feiertags- und Sonntagsdienste einschließt), der jetzt monatlich 1935 Euro netto hat, wird künftig 2397 Euro netto haben. Eine Pflegefachkraft mit zehn Jahren Berufserfahrung mit jetzt 2394 Euro wird 2853 Euro haben.
Aktuell haben die Tarifverhandlungen der Dienstleistungsgesellschaft Verdi geendet. Wobei im neuen Tarif nach Auskunft der Bamberger Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck ab 1. April 2021 jeder mindestens 1,4 Prozent oder 50 Euro brutto mehr pro Monat bekommt, sowie mit März eine Pflegezulage von 70 Euro.
Dazu lässt Kunzmann auf FT-Nachfrage wissen, dass man die linearen Steigerungen des Tarifabschlusses übernehme.
Ein weiterer Teil des Gesamtpaketes, mit dem die GKG dem Fachkräftemangel entgegenwirken will, ist der, selbst auszubilden. Dazu wird die GKG als Gesellschafter der Bamberger Akademie eigene Fachkräfte ausbilden, also Träger eines Schulstandorts im Landkreis, konkret Scheßlitz sein. Wo genau und ob in einer Bestandsimmobilie oder einem Neubau wird noch zu entscheiden sein. Um noch mehr Anreize für den Pflegeberuf (für Seniorenheime ebenso wie für Krankenhäuser) bei der GKG zu schaffen, wird zudem ein Wohnprojekt mit, laut Kunzmann mindestens 20 Appartements, in Scheßlitz angestrebt.
Die Betriebsratsvorsitzende Böhm weiß, dass man immer wieder Anfragen von Auswärtigen hat, und da sei das Thema Wohnen ein wichtiges. Wenn die GKG hier Angebote machen kann, steigert das die Attraktivität weiter, sind sich Landrat, GKG-Geschäftsführer und Betriebsratsvorsitzende einig.
Mitarbeiter haben das verdient
Wie sieht das Personal jenseits des Personalrates die aktuelle Entwicklung? Der FT hat bei einer Pflegefachkraft nachgefragt, die bereits seit 42 Jahren ununterbrochen im Dienste des Landkreises, also vor der GKG für eines der beiden Kreiskrankenhäuser, tätig ist. Die 61-Jährige sagt wie aus der Pistole geschossen, dass sie sich freue und fügt genauso schnell an: "Das war lange überfällig." Sie kritisiert, dass der Druck immer mehr, die Bürokratie immer größer werde. Sie sei immer mit Leib und Seele im Pflegeberuf aufgegangen, freue sich aber nun auch auf den Ruhestand. Kräfte zu finden sei sehr schwer, weiß sie. Die junge Pflegegeneration bleibe meist nur zwei, drei Jahre und gehe dann ganz weg oder in Teilzeit. Gerade weil es in der GKG viele Mitarbeiter mit unterschiedlichen Verträgen gebe und die Jungen bislang oft klagten, nicht nach TVöD bezahlt zu werden, seien die nun froh, dass angeglichen wird. Zur anstehenden Erhöhung findet sie: "Das haben wir verdient."
KOMMENTAR:
Der richtige Ansatz
Den meisten Menschen sind ihr Feierabend, Wochenende und Feiertage heilig. Zumindest was den Aspekt des Nicht-Arbeiten-Müssens anbelangt. Und doch gibt es Berufe, wo in genau jenen Zeiten Personal gebraucht wird. Hier zumindest besondere finanzielle Anreize zu schaffen, ist ein sinnvolles Instrument, die Gesamtstrategie der GKG mit eigener Schule und eigenem Wohnraum eine vernünftige.
Und doch wird das allein nicht die Massen in den Pflegeberuf treiben, oder alle aktuell Beschäftigten zu halten vermögen. Denn es wird dauern, bis die Strategie Früchte trägt. Aber allein kann es die GKG nicht richten. Denn was den in der Pflege Engagierten den Alltag erschwert, das sind vor allem auch bürokratische Pflichten. Hier braucht es Entlastung. Fazit: Der Corona-Applaus der Entscheidungsträger in Berlin war zwar nett. Das war's auch schon. Die Pflegenden brauchen weit mehr, um auf Dauer weitermachen zu können.
Positionen von Kreistagsfraktionen:
Wie die Nachfrage zeigt, begrüßen die Kreistagsfraktionen die angestrebten Vergütungsverbesserung durchweg. SPD-Fraktionssprecher Jonas Merzbacher lobt, dass man damit "nun einer jahrzehntelangen Forderung von uns nachkommt, in den TVöD zu gehen". Das sei zwar nicht geschehen, er hoffe aber, dass man mit einer maßgeschneiderten Lösung für die GKG besser fahre. Was der Fraktion aber noch "kleine Bauchschmerzen" bereite, sei das Thema Altersversorgung.
Seit 20 Jahren habe sich seine Fraktion für einen Angleich an den TVöD eingesetzt. Nun sei "ein guter Schritt in die richtige Richtung gemacht", auch was gleiche Arbeit für gleiches Geld betreffe, so Grünen-Sprecher Bernd Fricke: Zeitgemäße Bezahlung und ein Tarif. Freilich müsse das noch nicht das Ende der Gespräche bedeuten.
Für die Ausschussgemeinschaft von FDP/ÖDP/Linke erklärt Liebhard Löffler, dass alle diesen Schritt mittragen. "Wir machen einen Schritt auf die Mitarbeiter zu", der sich auch in finanziellen Zuwendungen ausdrücke. Ansonsten sei man als Arbeitgeber nicht wettbewerbsfähig. "Wir machen einen großen Schritt nach vorne", zeigt er sich überzeugt. Freilich müsse man sich auch bewusst sein, dass es bei der GKG auch mal rote Zahlen geben könne.
Die Region stärken
Von einer "absolut wegweisenden Entscheidung" spricht Georg Kestler namens der FW/ÜWG-Fraktion "Wir müssen unsere Region stärken", gerade auch deshalb, weil der Fachkräftemangel deutlich spürbar sei. "Man muss Anreize setzen", ist ihm klar.
Erfreulich aber auch selbstverständlich findet Sigrid Reinfelder, BBL, die Entwicklung. Fachkräfte wertschätzen und binden, habe jeder auch im Wahlprogramm gehabt, bringt sie in Erinnerung. Den nun richtigen Schritt hätte man allerdings schon früher gehen müssen und können, "nicht erst wenn's brennt."