Druckartikel: 7380 Bürger wollen die Wolfsschlucht retten

7380 Bürger wollen die Wolfsschlucht retten


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Mittwoch, 20. März 2013

Norbert Tscherner hat über 7000 Stimmen für den Erhalt der Bamberger Jugendherberge Wolfsschlucht gesammelt - mehr als genug für ein Bürgerbegehren. Die Initiative des Bürger-Block-Stadtrats baut Druck auf, kommt aber doch zu spät. Denn der Schaden ist bereits entstanden.
Schmuckstück im Hain: Die jetzt als Asylbewerberheim genutzte Jugendherberge Wolfsschlucht steht vor einer unsicheren Zukunft, weil das Geld für die Sanierung fehlt.   Foto: M. Hoch


7380 Namen. Norbert Tscherner hat die Unterschriften in Packen gebündelt und aus einem Karton gezogen. Jetzt liegen sie auf dem Tisch - geballtes bürgerliches Unbehagen über die Umwandlung einer gut besuchten Jugendherberge in ein Asylbewerberheim. Tscherner und seine Mitstreiter vom Bürger-Block haben die Blätter in den vergangenen zwei Monaten gesammelt - am Gabelmann und in gut frequentierten Geschäften.

Schwer war es offenbar nicht, diese Zahl zu erreichen. "Viele wollen, dass die Jugendherberge eine Jugendherberge bleibt", sagt Tscherner. Selbst wenn etliche nicht abstimmungsberechtigte Landkreisbewohner die Listen ausgefüllt haben sollten, dürfte der stadtbekannte Stadtrat die Hürde für die Zulassung zu einem Bürgerbegehren locker hinter sich lassen. Sie liegt bei sechs Prozent der Wahlberechtigten und damit in Bamberg bei 3280 Unterschriften.

Trotz der Zustimmung hat sich der stadtbekannte Stadtrat auch anfeinden lassen müssen. Aus Kreisen der SPD kam der Vorwurf, Tscherner bereite rechtsradikalen Umtrieben den Boden - ein Vorwurf, den er strikt zurückweist, mittlerweile auch mit Hilfe der Gerichte.

Nicht gegen Asylbewerber

Tscherner betont: Wer die Forderung des Bürger-Blocks nach einem Begehren gezeichnet hat, spricht sich nicht gegen Asylbewerber aus, sondern dafür aus, dass die seit Jahrzehnten genutzte Herberge von Kindern und Jugendlichen genutzt wird, und zwar ab sofort und ohne Unterbrechung.

Bislang sind die Unterschriften noch nicht im Rathaus abgegeben. Käme es dazu, hätte die Stadt vier Wochen Zeit, um die Unterschriften und die juristische Zulässigkeit des Begehrens zu prüfen. Wären diese Hürden genommen, würde es ernst: Die Bürger müssten binnen drei Monaten in einer Abstimmung entscheiden, ob sie die Forderung unterstützen oder nicht.

Im Rathaus sieht man dem möglicherweise zweiten Bürgerbegehren des Bürger-Blocks mit Gelassenheit entgegen.1998 hatte es, ebenfalls auf Initiative von Norbert Tscherner, eine Abstimmung über eine Bergverbindung gegeben. Die Lockerheit heute liegt vor allen daran, dass sich Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und mit ihm der Stadtrat die Rettung der Jugendherberge zwischenzeitlich selbst auf die Fahnen geschrieben haben. "Tscherners Forderung unterscheidet sich kaum vom letzten Stadtratsbeschluss", sagt Christian Hinterstein, Jurist der Stadtverwaltung.

Ab 2015 ein Schullandheim?

In ihm hatte sich die Mehrheit der Stadträte dafür ausgesprochen, die Jugendherberge nach einem Intermezzo als Unterkunft für Aslybewerber wieder zu dem zu machen,was sie einmal war. Möglicherweise, indem man aus dem Haus 2015 ein Schullandheim macht. Ein Kurswechsel, den Helmut Müller von der CSU folgendermaßen kommentiert: "Andreas Starke hat, wie bereits beim Hainbad, die Volksseele unterschätzt. Jetzt rudert er zurück."

Trotz der enormen Zahl an Unterschriften will es Norbert Tscherner nicht auf Biegen und Brechen auf ein Bürgerbegehren ankommen lassen, zumal eine solche Abstimmung mit 60.000 Euro nicht gerade billig sei. Ihm ist allerdings wichtig, dass die Versprechungen zügig umgesetzt werden und nicht erst am St. Nimmerleinstag.

Eine zeitnahe Rückumwandlung zum Gästehaus ist auch unter dem Label eines Schullandheims längst nicht sicher, wie es OB Starke vorgeschlagen hatte. Wie Alexander Wunsch vom Schullandheimwerks Oberfranken auf Anfrage sagte, ist derzeit noch völlig offen, ob das Werk zu seinen bereits bestehenden drei Häusern ein viertes Haus in Bamberg übernehmen werde. Dies hänge von Besucherzahlen und der zu erwartenden Rentabilität ab. "Es muss geklärt werden, was zu investieren ist und wer das zahlt." Vorstandskollege Stephan Doerfler lässt keinen Zweifel, dass auch Schullandheime auf zeitgemäßen Komfort setzen: "Der Standard in unseren Häusern ist hoch. Wir haben zuletzt viel investiert."

Auch bei den Freien Wählern existieren Zweifel, dass ein Schullandheim der richtige Weg für die Zukunft der Wolfsschlucht wäre. Weil dieser Typus die Aufnahme von kleinen Gruppen oder Einzelgästen ausschließe, schlagen Michael Bosch und Dieter Weinsheimer die Nutzung als Jugendgästehaus vor.

6000 Reservierungen wurden storniert

Unterdessen hat der Leiter der beiden Bamberger Jugendgästehäuser, Olaf Trambauer vom Diakonischen Werk, die 6000 Reservierungen, die es für das Jahr 2013 für die Wolfsschlucht gab, storniert. Mit der Entscheidung des Stadtrats hadert er noch immer, "weil hier eine gut funktionierende Jugendherberge ohne Plan ruiniert wurde." Wenn man sich nun doch einig sei, die Wolfsschlucht zu erhalten, warum habe man es dann billigend in Kauf genommen, dass durch den Nutzungswechsel ohne konkrete Wiedereröffnungsperspektive viele treue Kunden verloren gingen?", fragt der Herbergsvater.

Wie er darstellt, ist es seit fünf Jahren bekannt, dass in der Jugendherberge vieles erneuerungsbedürftig ist, unter anderem die Heizung, das Rohrleitungsnetz, die aus energetischer Sicht völlig veralteten Fenster, Zahl und Funktion der Nasszellen. "Es würde mich sehr wundern, wenn das unter 500.000 Euro zu machen wäre."

Wie zum Beweis, dass der Beschluss zum Nutzungswechsel tatsächlich ohne Konzept getroffen wurde, könnte es bereits im Sommer zu dem Umstand kommen, dass die Jugendherberge wieder leer, aber noch weit entfernt von einem Umbau ist. Denn während sich die Zahl der Asylbewerber in der Wolfsschlucht bei 20 eingependelt hat, übernimmt die Regierung im Mai das Haus Ludwigstraße 14 als zweite Bahnhofsadresse für eine Gemeinschaftsunterkunft. Wie das Sozialamt bestätigt, werden dort in absehbarer Zeit zusätzlich 25 Plätze zur Verfügung stehen. Und die Jugendherberge wäre wieder frei.

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