60-Jähriger greift der Stieftochter 39 Mal in die Hose
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Mittwoch, 25. Januar 2017
Der Stiefvater hat in etlichen Fällen dem Mädchen in die Hose gefasst. Bei einigen Übergriffen war es noch ein Kind. Doch der Mann sieht sich als Opfer.
Die Stieftochter verfolgte den letzten Prozesstag lange gefasst. Doch beim "letzten Wort" des Angeklagten kamen der jungen Frau die Tränen. Irgendwann hielt sie sich nur noch die Hände vor die Augen.
Der Angeklagte, ihr Stiefvater, würde ihr das wohl als Masche unterstellen. So, wie er sich während des ganzen Verfahrens als eigentliches Opfer dargestellt hat. Am Mittwoch sagte Dieter F. (Name von der Redaktion geändert), er sei zutiefst erschüttert, wie ihn seine Familie seit nunmehr einem Jahr "massakrieren" würde, wie Frau und Tochter jede Gelegenheit nutzen würden, um ihn "abzuservieren". "Sie haben mich brutal und herzlos in den Boden gestampft."
Dann sprach der Mann aus dem Landkreis Bamberg von einem "mörderischen Lügenteppich" seiner Stieftochter, die ihn ins Gefängnis gebracht habe. Bei diesen Worten konnte die junge Frau, die sich mehrmals aufs Übelste von Dieter F. hatte beschimpfen lassen müssen, die Tränen nicht zurückhalten.
Tränen darüber, wie der Stiefvater vor Gericht auftrat. Und darüber, was sie von 2014 bis 2016 ausgehalten hat. Während dieser zwei Jahre hat ihr Dieter F. immer wieder gegen ihren Willen in die Hose gefasst und sie am unbekleideten Schambereich berührt hat. 39 Mal. In zehn Fällen war die Stieftochter unter 14 und galt damit juristisch noch als Kind.
Schwerer sexueller Missbrauch
So lautete das Urteil der Zweiten Strafkammer am Landgericht Bamberg auf schweren sexuellen Missbrauch von Kindern sowie Schutzbefohlenen. Der 60-jährige Angeklagte muss 6000 Euro Schmerzensgeld zahlen und trägt die Verfahrenskosten.Vorsitzender Richter Manfred Schmidt stellte klar: "Es ist bewusst wahrheitswidrig, dass der Angeklagte das Opfer zum Täter gemacht hat."
Dieter F. hatte stets darauf beharrt, dass die Initiative zu den sexuellen Handlungen von dem Mädchen ausgegangen seien. Es habe ihn auf das Sofa gestoßen, sei auf ihn gestiegen und habe "das Becken auf meinem Penis hin und her bewegt".
Aus Sicht der Stieftochter, damals 13 Jahre alt, sei es ganz anders gewesen. Das sagte die Schulpsychologin, der sich das Mädchen anvertraut hatte. Die Zeugin bezeichnete es im damaligen Alter noch als "sehr kindlich". Das Mädchen habe den 60-Jährigen einfach "als Klettergerüst benutzt". Später habe sich die Stieftochter gefragt, ob er das vielleicht falsch interpretiert habe. "Sie wollte ihm niemals auf sexuelle Weise nahekommen."
Auch Staatsanwalt Daniel Heppt glaubt Dieter F. kein Wort und deutete an: Selbst, wenn dessen Ansicht stimmen würde, "wäre es eine Straftat". Heppt kritisierte scharf, dass das Opfer vom Angeklagten zum Täter stilisiert werde. "Es ist ein Gedankenkonstrukt des Angeklagten, mit dem er sich vor sich selbst rechtfertigt."
Richter Schmidt zeigte sich überrascht, dass Dieter F. am Ende sogar Freispruch gefordert hatte, obwohl er sich bei der Polizei selbst angezeigt und das Verfahren überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Er hatte die Anzahl der Fälle sowie den objektiven Sachverhalt zwar eingeräumt, jedoch jegliche Schuld bestritten. Seiner Stieftochter schrieb er gar die psychische Krankheit "Borderline-Syndrom" zu. Er stand damit allein.
Die Schulpsychologin sagte aus, dass die Jugendliche unter den Annäherungen des Mannes gelitten habe. In der Schule seien die "schlimmen Gedanken" hochgekommen, das Mädchen habe sich nicht mehr konzentrieren können und die Leistungen seien abgefallen. Zuhause habe es unter Schlafstörungen gelitten und versucht, dem Stiefvater aus dem Weg zu gehen.
Den sexuellen Missbrauch habe die Schülerin in ihrer Familie zunächst für sich behalten, weil der Stiefvater gesagt habe, dass es der krebskranken Mutter sonst noch schlechter gehe. Außerdem habe Dieter F. gedroht, dem Mädchen "das Leben zur Hölle zu machen", berichtete die Zeugin vor Gericht.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen zur Psyche des Angeklagten bescheinigte Richter Schmidt Dieter F. schließlich eine "narzistische Grundhaltung" und den Hang zu Übertreibungen.
Der 60-Jährige hat laut eigener Aussage durch seine "Heilkunde" den Krebstumor seiner Ehefrau verkleinern können. Am ersten Prozesstag hatte der Mann zudem von seiner schier unerschöpflichen Potenz berichtet. Er sei drei Stunden lang in der Lage, Sex zu haben und will mit mehr als 400 Frauen geschlafen haben.
Zudem arbeite er als Modeberater in Zürich, er habe die Bibel aus dem Altgriechischen, Aramäischen und Hebräischen übersetzt und sei "Chefentwickler" für die Schweizer Regierung. Nur die versprochenen fünf Millionen seien noch nicht eingetroffen.
Stattdessen muss er für drei Jahre und drei Monate ins Gefängnis, sobald das Urteil rechtskräftig wird. Es half ihm nichts, dass er ein Gesetz zur Rechtssprechung bei Sexualstraftaten als "staatlichen Persilschein für Lügnerinnen" bezeichnete.
Petra Schuster, Anwältin der Stieftochter setzte sich als eine Art körperlichen Schutzschild in die Sichtachse zwischen Dieter F. und dessen Stieftochter. "Sie wird damit noch Jahre zu tun haben", sagte Schuster.