"Am Aschermittwoch ist alles vorbei", singt das närrische Volk zum Ausklang der "fünften Jahreszeit". Ja, genau: Ab 1. März wird gefastet. Schluss mit der Völlerei! Auch auf Alkohol, Süßigkeiten oder Zigaretten verzichten viele Menschen bis Ostern. Vielleicht sogar aufs Smartphone, das bei den meisten im Dauereinsatz ist. Schließlich verbringen wir mehr und mehr Zeit in virtuellen Paralleluniversen. Ist eine digitale Enthaltsamkeit heutzutage überhaupt noch denkbar?
Geht gar nicht
"Aufs Handy verzichten? Das geht gar nicht", meinte Daniela Reinfelder am Telefon, die den Anruf in fernen Gefilden entgegennahm. Ja, auch im Urlaub klingt sich die Architektin nicht völlig aus. Berufsbedingt müsse sie erreichbar sein, meinte die Bamberger Stadträtin (BuB) und Gaustadter Bürgervereinsvorsitzende. Auch via WhatsApp und Twitter kommuniziert die Fränkin regelmäßig, um "Präsenz zu zeigen". Nicht zu vergessen Facebook, wo sie gerade von Kuba aus Urlaubsfotos postete. Sich in dieser Hinsicht zurückzuhalten, könnte sich Daniela Reinfelder vorstellen. Rein theoretisch. Praktisch sieht's anders aus. Fasten wird die Stadträtin aber in anderer Hinsicht. "Ich werde bis Ostern keinen Alkohol trinken und mich bewusster ernähren."
Präsent sein
Sein Smartphone bis Ostern zu verbannen, kommt auch für Stadtratskollegen You Xie (CSU) nicht in Frage. "Ich brauche mein Telefon", meinte der preisgekrönte Journalist und "China-Fan-Imbiss"-Besitzer unmissverständlich. Auch anderweitig würde er ungern offline gehen. "Schließlich lese ich so den Fränkischen Tag, Spiegel Online, die FAZ und andere Medien." Twittern, bei Facebook präsent zu sein - all das ist dem Wahlbamberger wichtig, um Gedanken und Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen. Natürlich auch für seinen Imbiss zu werben. "Ein bisschen süchtig bin ich schon", so You Xie. "Na, vielleicht könnte ich für 'ne Weile auf Facebook verzichten." Bei seiner Frau, die darüber hinaus noch WhatsApp nutzt, stößt der Stadtrat mit seinem virtuellen Engagement übrigens auf vollstes Verständnis. "Während unser 27-jähriger Sohn digital weniger aktiv ist als seine Eltern."
Nur noch zwölf WhatsApp-Gruppen
Ein glasklares Nein kam auch von Michaela Hohlstein, als wir die Baunacherin zum möglichen Verzicht auf ihr Smartphone befragten. "Ich muss erreichbar sein. Wenigstens habe ich keinen AB, sonst würde ich durchdrehen", so die Therapeutin und Vereinsvorsitzende der Pferdepartner Franken. Selbstverständlich ist Michaela Hohlstein auf Facebook aktiv, für die ein digitaler Entzug eine seltsame Vorstellung ist. "Aber ich habe es geschafft, die Zahl meiner WhatsApp-Gruppen auf zwölf zu reduzieren", so die vierfache Mutter. Na, das ist doch ein Anfang! Wie wär's, als nächsten Schritt einen offline-Urlaub zu planen? "Urlaub? Ich fahre nie in den Urlaub", kam als prompte Antwort von der Powerfrau, die schließlich ganz nebenbei noch für 18 Pferde zu sorgen hat. Alles klar, keine Chance.
Gleich neben dem Bett
"Von Facebook könnte ich mich für eine Weile verabschieden. Das habe ich zeitweise schon, wenn mir alles auf die Nerven ging", berichtete Reinhard Schmid. Auch ohne seinen PC könne er auskommen. "Ohne I-Phone aber geht gar nichts. Das begleitet mich Tag und Nacht" , so der Bamberger Rechtsanwalt. Gleich neben seinem Bett liegt das Telefon, mit dem ihn Mandanten mitunter schon gegen 4 oder 5 Uhr morgens aus dem Bett klingelten. "Da stand dann oft eine Hausdurchsuchung an."
16 Kilos abgenommen
Gefastet hat Schmid im vergangenen Jahr dennoch: auf traditionelle Weise: "Ich habe 16 Kilos abgenommen, weil ich mich gesünder ernährte." Daran erinnert auch eine WhatsApp-Gruppe, der der Bamberger noch immer angehört. Eine zweite WhatsApp-Gruppe dient der Kommunikation innerhalb der Band, in der der Anwalt Classic-Rock schmettert: Wednesday Project. So würde auch der Freizeitmusiker nur ungern auf die sozialen Medien verzichten. Was - wie wir an dieser Stelle verraten - einen romantischen Hintergrund hat: "Darüber habe ich meine Frau Liliya kennengelernt."