Druckartikel: 20-Jähriger wurde fast totgeprügelt

20-Jähriger wurde fast totgeprügelt


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Dienstag, 16. April 2013

Vor dem Landgericht müssen sich zwei junge Männer wegen eines brutalen Übergriffs auf einen 20-Jährigen verantworten. Die Staatsanwaltschaft setzt auf ein Urteil mit Signalwirkung. Sie beobachtet und beklagt eine Zunahme nicht nachvollziehbarer Gewalttaten in der Region.
Tatort der nächtlichen Schlägerei, um die es vor Gericht geht, war die Hauptwachstraße am Rand der Fußgängerzone. Foto: Michael Gründel


Oberstaatsanwalt Bernd Lieb sieht Handlungsbedarf. Weil es anscheinend auch im Landgerichts-Bezirk Bamberg immer mehr Leute gibt, die keine Hemmschwellen mehr kennen, muss die Justiz seiner Meinung nach klare Zeichen setzen und deutlich machen: "Wer so gegen jemanden vorgeht, der geht ins Gefängnis!"

So wie in der Nacht zum 8. September 2012 nämlich, um die es seit Dienstag vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts geht. Tatort war die Fußgängerzone. Angeklagt sind zwei junge Männer, 21 und 24 Jahre alt, beide stammen aus der ehemaligen Sowjetunion.

Der Jüngere ist der Körperverletzung angeklagt, weil er einen Gleichaltrigen mit zwei Faustschlägen niedergestreckt hat.

Der Ältere steht wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht: Er soll das Opfer seines Kumpels noch brutal ins Gesicht getreten haben, als dieses bereits wehrlos und blutend am Boden lag.

Wahnsinnsattacken

"Wahnsinnsattacken" wie diese passieren immer öfter. Vier ähnliche Vorfälle in sechs Monaten hat die Staatsanwaltschaft in Stadt und Landkreis Bamberg registriert; die letzte erst vor gut 14 Tagen am Zentralen Omnibus-Bahnhof.

Deshalb hat das aktuelle Verfahren für den Oberstaatsanwalt auch einen generalpräventiven Charakter: Es müsse sich in der Öffentlichkeit herumsprechen, dass mit der ganzen Härte des Gesetzes rechnen muss, wer so brutal gegen andere vorgeht.

Noch ist nicht wirklich geklärt, wer von den Angeklagten zugetreten hat. Der 21-jährige A. behauptet, es sei der Mitangeklagte M. (24) gewesen. Der schüttelte wiederum den Kopf, als er vom anderen belastet wurde.

Der 24-Jährige kam am ersten Verhandlungstag noch nicht zu Wort, weil die Sitzung überraschend bald unterbrochen werden musste. Mitten in der Vernehmung von A. beschloss die Kammer, erst am Donnerstag weiter zu machen.

Immer verwirrter und abwesender

Der jüngere Angeklagte war mit zunehmender Dauer immer verwirrter und geistesabwesender geworden. Und als der hinzu gezogene Landgerichtsarzt eine Verhandlungsunfähigkeit nicht ausschließen konnte, beantragte sein Verteidiger die Unterbrechung.

Neben einem sehr hohen Blutdruck für einen gesunden jungen Mann hatte der Mediziner mit einem Drogenschnelltest auch festgestellt, dass A. in jüngerer Vergangenheit Rauschgift konsumiert haben muss. Auf Frage von Vorsitzendem Richter Manfred Schmidt gab er zu, dass er am Abend vor der Verhandlung Haschisch geraucht hat. Über die Gründe und Menge blieb er die Antworten schuldig.

Damit er vor dem zweiten Verhandlungstag nicht wieder Betäubungsmittel konsumiert, wies ihn das Gericht kurzerhand in eine Justizvollzugsanstalt an. A. war - im Gegensatz zu M. - am Dienstag als freier Mann zum Prozessauftakt gekommen.

Die Zweite Strafkammer hat für die weiteren Verhandlungstage eine Reihe von Zeugen geladen, um die genaue Tatbeteiligung der Angeklagten zu klären. Sie waren in der Nacht zum 8. September mit vier anderen in der Innenstadt unterwegs gewesen.

Der Vorfall passierte gegen 3.20 Uhr in der Hauptwachstraße auf Höhe Vorderer Graben. An der Freischankfläche einer Bäckerei standen vier junge Leute, unter ihnen das spätere Opfer. Es soll einen Lacher von A. fälschlicherweise auf sich bezogen haben, als das Sextett sich in Richtung Kettenbrücke näherte, und dem Angeklagten zugerufen haben: "Was willst Du, komm her!"

"Wichser" oder "Hurensohn"

A. wurde von ihm dabei angeblich als "Wichser" oder "Hurensohn" tituliert. Dieser stürmte daraufhin auf die Vier zu und versetzte dem gleichaltrigen Mann zwei Faustschläge ins Gesicht: erst links, dann rechts, woraufhin der Gegner rücklings zu Boden ging.

Laut Anklageschrift wollten dann zwei aus A.s Clique dem Verletzten auf die Beine helfen. Als sich dessen Kopf wenige Zentimeter über dem Boden befand, soll M. ihm mit einer stapfenden Bewegung so wuchtig ins Gesicht getreten haben, dass der Hinterkopf des Opfers hörbar auf das Steinpflaster aufschlug. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft nimmt den Tod eines Menschen in Kauf, wer so brutal handelt.

Das Opfer hatte Glück im Unglück, dass es mit dem Leben davon kam. Der heute 21-Jährige erlitt Brüche der seitlichen Augenhöhlenwand rechts, der Kiefernhöhle, des Nasenbeins und eine Gehirnerschütterung. Er wohnt dem Strafverfahren als Nebenkläger bei.