Zweitjob Jugendarbeit
Autor: Robert Huger
Bad Kissingen, Dienstag, 05. Mai 2015
Die ehrenamtliche Arbeit in den Vereinen wird oft unterschätzt. Am Beispiel des TSV Reiterswiesen wird deutlich, was Trainer und Betreuer leisten. Die Kinder werden nicht nur sportlich gefördert, sie lernen fürs Leben.
Ein Junge läuft mit dem Ball am Fuß auf das Tor zu. Plötzlich grätscht ihn ein Gegner um und er landet unsanft auf dem Rasen. Doch der Schiedsrichter winkt ab: "Weiterspielen!" Der Junge ruft dem Unparteiischen eine Beleidigung hinterher. Der Trainer gibt daraufhin sofort das Zeichen zum Auswechseln.
"Wir brauchen einen gewissen Respekt gegenüber der Spielleitung", sagt Stefan Renninger.
Er trainiert seit mehreren Jahren die U11-Fußballmannschaft des TSV Reiterswiesen. Beleidigungen, Unsportlichkeiten und Starallüren werden bei den Kindern nicht toleriert. Oft sei es aber gar nicht so einfach, die Dinge zu erklären. "Jeder Mensch ist anders zu nehmen", sagt er. Das müsse man als Trainer lernen. Da er selbst drei Söhne hat, falle ihm das etwas leichter.
Ordnung muss sein
Die Kinder werden nicht nur im fußballerischen Bereich, sondern vor allem in sozialen Kompetenzen geschult. "Sie lernen Ordnung", sagt Tobias Geibel, Trainer der Fußballmannschaft der unter 13-Jährigen. Das bedeutet, dass sie ihre Trikots und Socken sorgfältig ablegen, die Kabine nicht wie einen Saustall verlassen und sich generell in der Gruppe anständig benehmen.
Bei Meinungsunterschieden muss dabei behutsam vorgegangen werden. "Die Jugendlichen sind heutzutage etwas empfindlich", sagt Geibel. Er mache zwar gerne einen Spaß mit, aber die Kinder merken sofort, wenn der Bogen überspannt ist. Bestimmte Grenzen seien notwendig. Deshalb gebe es auch einen Strafenkatalog. Wer bestimmte Regeln missachtet, muss beispielsweise ein paar Liegestütze machen.
Disziplin und Streitkultur
Neben der Ordnung müssen die Kinder natürlich auch die hierarchischen Strukturen akzeptieren. "Sie werden in Samt gepackt, aber sie müssen lernen anzuecken", sagt Jugendleiter Matthias Seufert. Das gehe weit über das Fußballerische hinaus. "Sie lernen hier Haupteigenschaften, die später bei Unternehmen geprüft werden", so Seufert. Das Miteinander im Sport bereite die Kinder also in gewisser Hinsicht auf das spätere Berufsleben vor.
"Man muss auch mal eine Streitkultur leben können", fordert der Vereinsvorsitzende Egon Göbel. Die Kinder und Jugendlichen müssen lernen, dass sie sich bei Kritik nicht gleich persönlich angegriffen fühlen. Eine Diskussion könne schließlich sachlich geführt werden. Da seien die Eltern jedoch manchmal nicht die besten Vorbilder.
Unmut und anonyme Anfeindungen
Auch wenn Konflikte mit den Eltern eher die Ausnahme sind, lassen sie sich kaum vermeiden. Gerade wenn ein Kind bei einem Spiel entweder in der vermeintlich schlechteren Mannschaft oder einfach zu wenig zum Einsatz kam, gibt es hin und wieder Klärungsbedarf. "Egal, wie man es macht, man hat es falsch gemacht", sagt Stefan Renninger. Am schlimmsten sei es, wenn die Eltern sich anonym über E-Mail und Whatsapp auslassen. "Das kann teilweise sehr belastend sein", erzählt Reninger. Auch den Vereinsvorsitzenden stört dieses Verhalten, das vereinzelt von den Eltern an den Tag gelegt wird. "Sie haben ein überzogenes Fürsorgebewusstsein", sagt er.
Fehlende Wertschätzung, hoher Aufwand
Nach Ansicht von Egon Göbel ist vielen der Wert der Jugendarbeit nicht bewusst. "Diese Leistungen kann man gar nicht mit Gold aufwiegen", sagt er. Das seien hochkarätige gesellschaftsprägende Arbeiten. Es werde vieles gelernt, was die Kinder nicht in der Schule beigebracht kriegen.
Der Aufwand für die Trainer ist in jedem Fall sehr hoch. Etwa neun bis zehn Stunden die Woche sind sie mit der Vereinsarbeit eingespannt. Mehrere Stunden davon am Wochenende. Bei Heimspielen müssen dann zum Beispiel Linien gezogen, Schiedsrichter und Bälle organisiert und Getränke bereitgestellt werden.
Viel Zeit kosten zudem die ständigen Auf- und Abbauarbeiten. "Es gibt je nach Jugend unterschiedliche Spielfeldgrößen", erläutert Tobias Geibel. Bei Auswärtsspielen liegt das Hauptproblem bei der Organisation der für die Anreise nötigen Fahrzeuge.
Deshalb bereitet das Ehrenamt Freude
Trotz der Schwierigkeiten macht die Vereinsarbeit allen Beteiligten großen Spaß. "Man bekommt viel von den Jugendlichen zurück", sagt Tobias Geibel. Mit vielen bleibe man über viele Jahre in Verbindung. "Außerdem bleibt man selber aktiv und jung dabei", sagt Stefan Renninger.