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Zeugnisse jüdischen Lebens in Pfaffenhausen


Autor: Gerd Schaar

Pfaffenhausen, Dienstag, 18. Juni 2013

Ein Friedhof in Pfaffenhausen diente als Grabesstätte für Juden aus der gesamten Region. Sein Ursprung reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Das letzte Begräbnis fand 1938 statt.
Der jüdische Friedhof in Pfaffenhausen. Fotos: Gerd Schaar


Etwa 50 Interessierte trafen sich am Sonntag auf dem jüdischen Friedhof Pfaffenhausen zu einer Führung mit der Kreisheimatpflegerin Cornelia Mence anlässlich der jüdischen Kulturtage. Auf 1,2 Hektar stark abschüssiger Hangfläche stehen dort 1146 Grabsteine, die teilweise schon erheblich ins Erdreich eingesunken oder witterungsbedingt nicht mehr leserlich sind. Festes Schuhwerk war von Vorteil beim Rundgang.

An eine Beerdigung auf diesem jüdischen Friedhof im Jahre 1937 kann sich der 88-jährige Zeitzeuge Gebhard Oschmann noch erinnern. "Ich war damals ein Bub im Alter von zwölf", sagt er. Missachtung habe er durch seine Altersgenossen von der Hitlerjugend erfahren, weil er damals einen Luftballon aus einem Hammelburger jüdischen Geschäft in seiner Hand hielt.

Symbole und Inschriften

Eine kleine Gedenktafel weist zur Erinnerung und Mahnung darauf hin, dass der Pfaffenhausener Verbandsfriedhof ab dem 16. Jahrhundert ununterbrochen benutzt wurde. Im Juli 1938 wurden der jüdischen Kultusgemeinde weitere Begräbnisse von Hitlers NS-Regime verboten.

Mence geht auf die verschiedenen Formen der Grabsteine ein, zu denen auch die abgeknickten Säulen zählen. Symbole und hebräische Inschriften weisen auf Stammesursprünge hin. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seien die Namen der Verstorbenen auch in deutscher Schrift zu lesen, zeigt Mence. Sie berichtet auch über die genau festgelegten jüdischen Begräbnisrituale, angefangen von der Totenwaschung über die vorgeschriebenen Totenwachen bis hin zum eigentlichen Begräbnis. Der Sarg sei ganz schlicht gewesen.

Wenn möglich sei ein wenig Erde aus Israel in den Sarg hinzu gegeben worden. "Ein Jahr lang beteten die Söhne des Verstorbenen täglich das Kaddisch-Gebet", erklärt die Kreisheimatpflegerin. Mit dem Angesicht nach Osten werden die Toten beerdigt. Auch die Inschrift des Grabsteins schaut nach Osten. Statt Blumen bringen die Verwandten und Freunde Steine mit, die auf den Gräbern abgelegt werden. Das soll an den Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten erinnern. In der Wüste seien nämlich die Gräber der Verstorbenen mit Steinen bedeckt worden.

Umdenken müssen die Betrachter bei den Jahreszahlen. Denn zu Christi Geburt zählten die Juden schon das Jahr 3761. So haben wir jetzt das Jahr 5774 nach dem jüdischen Kalender.

Jüdische Verbandsfriedhöfe wie jener im Jahre 1580 erstmals erwähnte Pfaffenhausener seien die ältesten jüdischen Friedhöfe in der Region, so Mence. Auf dem Land seien die Juden sehr verstreut angesiedelt gewesen.

In zahlreichen Orten

Zum Beispiel gab es im 18. Jahrhundert in Elfershausen zwei Schutzjuden, in Langendorf einen oder drei in Ramsthal. Auch in Völkersleier, Dittlofsroda, Bonnland, Geroda, Detter, Hammelburg, Heßdorf, Oberthulba, Mittelsinn, Platz, Ramsthal, Riedenberg, Untererthal, Unterleichtersbach, Weickersgrüben, Westheim und Bad Brückenau gab es damals jüdische Familien, deren Angehörige in Pfaffenhausen beerdigt worden waren. Insgesamt waren es 20 Orte aus dem Landkreis Bad Kissingen und sieben Orte von außerhalb. Der Grund: aus Kostengründen lohnte sich kein Friedhof in den übrigen Gemeinden. Solche alte jüdische Verbandsfriedhöfe wie in Pfaffenhausen gebe es noch in Kleinbardorf, Altengronau und Laudenbach.