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Wie man es schafft, eine selbstbestimmte Künstlerin zu sein


Autor: Gerhild Ahnert

Bad Kissingen, Freitag, 22. Juli 2016

Plausch mit Künstlern beim Künstlerfrühstück
Mit dem Weltstar frühstücken: Simone Kermes im Gespräch mit dem Frühstücksgast Ingrid Werner aus Oberthulba. Foto: Gerhild Ahnert


Die Stars da oben auf der Bühne mal von der Nähe sehen, vielleicht einmal ein paar Worte mit ihnen wechseln. Das ist ein Wunsch, der die Schlangen beim Signieren von Tonträgern lang macht, doch ist da sehr wenig Zeit zu einem Plausch. Einen solchen macht seit ein paar Jahren das "Künstlerfrühstück" im Kissinger Sommer möglich.

In diesem Jahr war es Simone Kermes, die sich vor dem Kurgartencafé zum Gespräch einfand.
Ganz persönlich mit dem Leben im Osten und Westen und die Wendewehen auf beiden Seiten begann das Gespräch. Die Frage nach dem Anfang ihrer Berufslaufbahn, die sie als "Fachkraft für Schreibtechnik" (Sekretärin) in Leipzig begann, findet sie allerdings eher lästig. Diese Ausbildung möchte sie heute nicht missen, da sie dabei gelernt hat sich zu organisieren, und sie war ihr ein Halt, nachdem sie mit 11 Jahren schon ihren Vater verloren hatte. Gesungen hat sie aber schon, seit sie 8 Jahre alt war, hat mit ihrem Kinderchor schon Schallplattenaufnahmen gemacht und mit 15 zum ersten Mal im Leipziger Gewandhaus gesungen.
Auf die Frage, wann man merkt, dass man Singen zum Beruf machen will, erinnerte sie zu allererst daran, dass man nur mit harter Arbeit an sich selbst überhaupt erst in die Situation kommt, sich das vorzustellen. Neben der Freude am Singen muss bei ihr die Gewissheit vorhanden sein, den eigenen Weg gehen zu wollen. Der Erfolg kam, wie sie sicher weiß, weil sie authentisch war. Jetzt findet sie es toll, was daraus geworden ist, dass sie in der Lage ist, selbst auswählen und bestimmen zu können, was sie machen möchte.


Seit vielen Jahren dabei

In Bad Kissingen singt sie schon seit vielen Jahren; das erste Mal bei einem Motettenabend in der Erlöserkirche mit dem Venice Baroque Orchestra. Mit der Oper Koblenz stand sie in Mozarts "Cosí fan tutte" unter Christian Kluttig schon in den 90ern im Rahmen des Kissinger Sommers auf der Bühne des Kurtheaters; in Bad Brückenau trat sie im Wechsel zwischen Krimi und Arie mit Barockopernfan Donna Leon auf. An sich und ihre Stimme stellt sie höchste Ansprüche, ist ein klein wenig enttäuscht, weil das Publikum eigentlich nur die Arie der Königin der Nacht als Beispiel für extrem hohe Töne kennt und gar nicht merkt, dass sie höhere Töne in Konzertarien singen kann, die niemand kennt, "weil keiner sie singt".
Zum Programm im diesjährigen Kissinger Sommer "Mozart mit Rhythm & Blues" steuert sie nichts von Mozart bei, denn der kommt nur als Klavierkonzert vor. "Mozart lässt dich nicht in Ruhe", meint sie, singt aber diesmal Arien von Rossini und Verdi. Sie liebt Bad Kissingen. "Ich komme gerne her. Fühle mich hier schon wie in der Familie." Sie kapselt sich nicht ab von der Umgebung, sondern geht spazieren oder mischt sich im Schwimmbad unter die Bevölkerung. Aber wohnen möchte sie in einer Kleinstadt nicht. Auch fehlen ihr jungen Leute, die es in Leipzig und in Berlin gibt, wo sie heute lebt.
Auch von ihren Träumen erzählt Simone Kermes. Einen verwirklicht sie sich gerade mit ihrem Programm mit Arien unter anderen von Barbara Strozzi, einer Komponistin und Sängerin des Barock, die ihr gesamtes Leben in ihren Texten erzählt mit allen Höhen und Tiefen. In Köln hat Frau Kermes das Programm zusammen mit Tänzern präsentieren können, die die Gefühle der großen Frau aus der Vergangenheit mit Mitteln des modernen Balletts in unsere Gegenwart gebracht haben. Weiter zum Gesamt-Fühl-Kunstwerk geht ihr zweiter Traum von einem Raum, in dem alle genießen können, was sie wollen: Essen, Wein, Kunst, Musik, Liebe.


Chancen für den Nachwuchs

Auch über die Zukunft des Kissinger Sommers macht Simone Kermes sich Gedanken und warnt vor allzu großen Experimenten. Vielmehr solle man sich doch überlegen, wie man unsere deutsche Musikkultur weitergeben könne an die Jugendlichen und Kinder. Sie selbst steht schon immer zu ihrem Wort, dass Konzerte auf keinen Fall langweilig sein dürfen. Und man glaubt ihr, wenn sie erzählt, dass sie es bei Kindern schafft, dass die gebannt zuhören, wenn sie ihre Arien mit vollem Körpereinsatz und echter Begeisterung schmettert. Das wäre vielleicht was für die Nachwuchsarbeit im Kissinger Sommer.