Wie klingt die Türkei als Sonate?
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Mittwoch, 18. Juni 2014
Fazil Say und Nicolas Altstaedt in Maria Bildhausen
Kloster Maria Bildhausen — Ein bisschen mehr in Richtung Exzentriker gehen die beiden Musiker, die am Nachmittag zum zweiten Virtuosenkonzert ins Kloster Maria Bildhausen gekommen waren: Der Cellist Nicolas Altstaedt und der Pianist Fazil Say sind dafür bekannt, dass sie gerne auch einmal eigene, neue Wege gehen - jeder für sich. Der Eindruck ergab sich auch in diesem Konzert, aber nicht von Anfang an.
Der Start mit Claude Debussys Sonate d-moll war noch verhältnismäßig erwartbar, wenn man die beiden Musiker kannte. Denn sie spielten sehr stark auf Konflikt, auf die Zerrissenheiten, die sich vor allem in den Rhythmisierungen äußern.
Aber dann wurde es seltsam. Fazil Say sucht ja gerne immer einmal die Popmusik in der Klassik und kommt da auch mitunter zu erstaunlichen Lösungen. Aber Mozarts Klaviersonaten A-dur KV 331 (mit dem berühmten Türkischen Marsch) und B-dur KV 333 mit einem Heavy-Metal-Zugriff zu spielen erschien vom Ergebnis her etwas daneben. Technisch war das absolut perfekt, aber Interpretation beginnt eigentlich jenseits eines nervend einheitlichen Forte und Fortissimo. Wenn er sich über die Dilettanten der Mozartzeit und der Gegenwart amüsieren wollte, hätte eine Sonate, nein, ein Satz genügt. Und Abschattierungen ins Leise müssen ja auch nicht gleich Kitsch sein.
Nicolas Altstaedt überraschte dann mit Bachs Cello-Suite Nr. 1 BWV 1007 . Nicht, weil er sie virtuos makellos spielte, mit präzisen Phrasierungen und logischen Tempi. Sondern weil er den Eindruck einer steten Unterforderung vermittelte.
Die große und durchwegs positive Überraschung kam zum Schluss: Fazil Says Sonate für Violoncello und Klavier "Dpört Sehir" ("Vier Städte"), in der er vier völlig unterschiedliche türkische Städte musikalisch porträtiert: Sivas, Hopa,Ankara und Bodrum. Das war absolut spannend, wie sich da weite Klangräume öffneten, wie sich Traditionalismus und Gegenwartsbezug in einer modernen Klangsprache mit der türkischen Harmonielehre verbanden, wie der Industrielärm der Großstadt Ankara ebenso hörbar wurde wie die traditionelle Tanzmusik von Hopa und die sich mischende Musik auf der Touristenpromenade von Bodrum (einschließlich einer aus dem Ruder laufenden Keilerei). Das war durchaus spektakulär, und die beiden Musiker spielten die Sonate mit einem Zugriff und einer klanggestaltenden Raffinesse, die vergessen ließen, wie schwierig sie zu realisieren ist. Debussy gab's noch einmal als Zugabe.