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Wert einer Ausbildung erkannt


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Donnerstag, 28. Juli 2016

Statt schnell Geld zu verdienen, wollen die Schüler der Berufsintegrationsklasse alle einen Beruf erlernen.
Klassleiterin Doris Peter (2. von links) und Fachlehrer Wolfgang Miller (Mitte) macht die Arbeit mit Flüchtlingen wie (von links) Lucky Okojie, Ali Musawy und Islam Ibragimov viel Spaß. "Das sind alles liebe Jungs", sagt Miller. Foto: Ralf Ruppert


Vor zwei Jahren kam Lucky Okojie aus Nigeria nach Deutschland. Obwohl der 19-Jährige in Bad Neustadt wohnt, bekam er einen freien Platz in der Berufsintegrationsklasse der Bad Kissinger Berufsschule. Im Herbst fängt er nun eine Maurer-Lehre in Hohenroth an: "Die Arbeit ist schwer, aber die Kollegen sind nett", berichtet er aus dem Praktikum: Zwei Tage die Woche ist er seit Monaten im Betrieb.

Sein Vorteil: In der Firma macht bereits ein anderer Asylbewerber eine Ausbildung.
Lucky Okojie ist einer von neun Schülern, die bereits wissen, wie es weiter geht. Andere warten noch: Islam Ibragimov zum Beispiel fühlt sich zwar sehr wohl in einem Nüdlinger Betrieb, aber der darf noch nicht ausbilden. Deshalb will der 18-Jährige dort zunächst erst einmal so weiterarbeiten. Langfristig strebe er jedoch die Ausbildung zum Reha-Techniker an, weil ihm die Lehrer immer wieder sagten, dass man auf Dauer in Deutschland mit Ausbildung besser verdient.
Bereits anerkannt ist Shawqi Yazji aus Syrien. Der 20-Jährige aus Bad Kissingen hat ein Jahr lang Praktikum als Zahntechniker in Bad Kissingen gemacht. Leider wurde ihm dann aber kurz vor Ende des Schuljahres abgesagt. "Ich mache jetzt ein freiwilliges soziales Jahr, danach möchte ich Zahntechniker oder Physiotherapeut lernen", berichtet er. In Syrien habe er sogar Abitur gemacht, das sei in Deutschland aber noch nicht anerkannt. Die Übersetzung solcher Zeugnisse ist eines von vielen ganz praktischen Problemen, bei denen Sozialpädagogin Birgit Baron hilft. "Das kann bis zu 140 Euro kosten und muss selbst gezahlt werden", berichtet sie.
"Die Beschulung berufsschulpflichtiger Asylbewerber und Flüchtlinge stellt eine neue und anspruchsvolle Herausforderung für die Staatliche Berufsschule Bad Kissingen dar", fasst deren Leiterin Karin Maywald die Erfahrungen der zurückliegenden Jahre zusammen. Das Wichtigste sei natürlich die Sprachförderung. "Die Lehrkräfte in diesen Klassen arbeiten sehr engagiert und mit viel Herzblut." In vielen Fällen würden die Lehrkräfte zu Vertrauten der Schüler: "Ein vertrauensvoller und sensibler Kontakt ist daher wichtig."


"Hohe Lernmotivation"

Wichtig sei die Balance zwischen emphatischer Nähe und der professionellen Distanz sowie die Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Jugendamt, der Ausländerbehörde und den Betreuern in den Unterkünften. Weil die Flüchtlinge zum Teil traumatisiert seien, lege die Berufsschule wert auf sozialpädagogische Betreuung und das pädagogische Feingefühl der Lehrkräfte.
Die Mehrzahl der Schüler habe eine hohe Lernmotivation: "Das wirkt sich sehr positiv auf den Unterricht aus und kann zu einem beachtenswerten Lernfortschritt führen", berichtet Berufsschul-Leiterin Karin Maywald, und: "Unser Ziel nach zwei Jahren Unterricht und Praktikum ist, die Flüchtlinge in die Ausbildung zu bringen und dafür müssen die jungen Menschen der Sprache mächtig sein." Dazu brauche es natürlich noch Betriebe, die sich auf diese Herausforderung einlassen.
Wie viele Asylbewerber im Landkreis Bad Kissingen im Moment erwerbstätig sind, ist schwer zu sagen. Laut Regierung von Unterfranken wohnen aktuell im Landkreis 417 Asylbewerber in Gemeinschafts- und 757 in dezentralen Unterkünften. Bei den Gemeinschaftsunterkünften hätten aktuell 18 ein eigenes Einkommen, weitere Daten gebe es nicht.
Laut der Bundesagentur für Arbeit gab es zum Jahresende 2015 im Landkreis 42 Beschäftige aus den acht zugangsstärksten Herkunftsländern von Asylbewerbern, nämlich Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Dabei könne es sich aber auch um Arbeitnehmer handeln, die schon länger hier leben. Asylbewerber werden in der offiziellen Arbeitsmarkt-Statistik nicht einzeln aufgeführt.