Druckartikel: Wer ist denn da erwachsen geworden?

Wer ist denn da erwachsen geworden?


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Mittwoch, 12. Juli 2017

Der armenische Cellist Narek Hakhnazaryan und der russische Pianist Pavel Kolesnikov waren im Rossini-Saal zu hören.
Narek Hakhnazaryan und Pavel Kolesnikov. Foto: Gerhild Ahnert


"Erwachsen geworden" - der Titel gab gewisse Rätsel auf. Denn die Komponisten des Sonatenabends konnten nicht gemeint sein. Schumann, Brahms und Chopin konnten nicht gemeint sein, denn es waren keine Jugendwerke, die auf dem Programm standen. Und die beiden Musiker? Der armenische Cellist Narek Hakhnazaryan und der russische Pianist Pavel Kolesnikov sind beide 28, gehen stramm auf die 29 zu. Das ist ein Alter, in dem man als Musiker seinen Reifeprozess längst abgeschlossen hat. Pavel Kolesnikov war übrigens 2011 Dritter beim Kissinger KlavierOlymp und bekam auch den Publikumspreis.
Die beiden machten es einem aber auch nicht einfach mit dem Titel. Es fiel nicht ganz leicht zu glauben, dass Narek Hakhnazaryan 2011 den Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen hat und 2014 in das "New Generation" Programm der BBC aufgenommen wurde. Dazu zeigte er im Rossini-Saal zu wenig gestalterisches Profil und auch zu wenig professionelle Genauigkeit sowie zu wenig großen Ton - was nicht nur an der hohen Luftfeuchtigkeit und an seinem erstaunlich rauen Instrument lag. Pavel Kolesnikov konnte mit seiner Genauigkeit, seiner Aufmerksamkeit und mit seinem Anschlag überzeugen, aber weniger mit seiner zu stark dienenden Funktion.
So schafften es die beiden nicht wirklich, Schumanns Adagio und Allegro op. 70 und vor allem die 2. Cellosonate op. 99 von Brahms plausibel interpretierend zu vermitteln. Durch den harten Zugriff des Cellos, der keine längeren phrasierenden Linien zuließ, entstand der Eindruck des von den Komponisten bestimmt nicht vorgesehenen Bruchstückhaften.
Vielleicht stimmt's ja auch nicht, aber die g-moll-Sonate op. 65 von Frédéric Chopin scheinen die beiden schon länger im Repertoire zu haben. Da spielten die beiden freier und erheblich plausibler in der Gestaltung, da war der Ton des Cellos deutlich weicher profiliert als zuvor, da spielte sich Pavel Kolwesnikov auch mal nach vorne. Oder anders gesagt: Da wurde gestaltend interpretiert, da fanden die beiden jungen Leute zu einer stärkeren agogischen Übereinstimmung.
Die Introduction und Polonaise brillante C-dur op. 3 hätte nicht unbedingt noch sein müssen. Das ist zwar auch für Viooloncello und Klavier, aber es ist nicht Chopins stärkste Komposition. Man konnte immerhin über das übersteigerte Pathos der Musik schmunzeln - und das tat sogar auch ein kleines bisschen Narek Hakhnazaryan. Als Zugabe gab's den unverwüstlichen "Schwan" von Saint-Saëns.