Wer braucht noch die Kirche? Meinungen aus dem Landkreis Bad Kissingen
Autor: Angelika Despang
LKR Bad Kissingen, Sonntag, 07. August 2022
Seit diesem Frühjahr sind erstmals weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglied in einer der beiden christlichen Großkirchen. Wir haben Menschen aus dem Landkreis befragt, wie wichtig ihnen die Kirche ist.
Markus ist 20 Jahre alt und vor einem Jahr aus der katholischen Kirche ausgetreten. Als er seine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker begonnen hat, wollte er "dieses unfaire und veraltete System" nicht mehr unterstützen. Dabei würde er gerne Teil der Gemeinde bleiben, die Wallfahrten haben ihm besonders Spaß gemacht und an das Ministrieren und die Firmvorbereitungen hat er gute Erinnerungen.
Aber: "Es ist ungerecht, dass Frauen kein Pfarrer werden können", sagt er. Auch die Missbrauchsfälle waren ein wichtiger Grund für seinen Austritt: "Es sollte geändert werden, dass Pfarrer keine Frauen haben können. Das begünstigt ja die Missbrauchsfälle", findet Markus. Außerdem sollten demokratische Strukturen innerhalb der Kirche geschaffen werden. Wenn sich die Kirche in diesen Punkten grundlegend verbessert, kann sich Markus einen Wiedereintritt vorstellen.
Hoffnung auf Änderung aufgegeben
Auch Thomas (43) ist vor zwei Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten, "weil ich den Glauben an die Institution Kirche dauerhaft verloren habe". Er habe die Hoffnung aufgegeben, dass sie sich ändern wird. Anlass waren die Missbrauchsfälle im Landkreis Bad Kissingen: "Da habe ich gesagt: Jetzt ist Schluss!"
Auf dem Dorf gehörte es früher dazu, in der katholischen Kirche zu sein, aber: "Das ist heutzutage zum Glück anders. Ich würde mein Kind nicht mehr ohne mulmiges Gefühl in die Obhut der katholischen Kirche geben." Der Kaufmann fände es gut, wenn es konfessionslose Kinderbetreuung geben würde und auch den Religionsunterricht in den Schulen findet er "völlig überflüssig". Thomas sieht keine Zukunft für die katholische Kirche, "weil sie sich nicht verändern kann und will".
Institution Kirche soll bleiben
Für Caterina war und ist die katholische Kirche eine feste Instanz. "Ich musste sonntags immer in die Kirche, aber es hat mir nicht geschadet", wie sie im Nachhinein sieht, "als Kind fand ich die Kirche oft sehr streng, aber die festen Strukturen geben Kindern Halt und Selbstbewusstsein." Als Physiotherapeutin sieht sie auch den gesundheitlichen Aspekt der strengen Regeln: "Zum Beispiel freitags kein Fleisch zu essen. Das habe ich aber erst als Erwachsene verstanden. Als Kind wurde es mir nur als Sünde beigebracht." Damals fand sie es ungerecht, dass sie als Mädchen in Garitz nicht ministrieren durfte: "Beim Thema Frau in der Kirche tut sich die Kirche immer noch sehr schwer, da sind die Regeln wie vor 2000 Jahren."
Trotz der vielen Kritik hält sie an der Kirche fest und ist vor Kurzem sogar dem Pfarrteam beigetreten: "Ich möchte nicht, dass die Institution Kirche verloren geht. Vielleicht kann ich im Kleinen etwas verändern", hofft sie. Die 45-Jährige wünscht sich, dass die Kirche das umsetzt, was sie predigt: "Einerseits predigt sie, achtsam mit Mitmenschen umzugehen und anderseits hält sie die schützende Hand über straffällige Priester - das passt nicht zusammen."
Nicht alles ist schlecht
Als Mitarbeiterin eines kirchlichen Arbeitgebers ist Angelika aus der katholischen Kirche ausgetreten, sobald dies ohne Nachteile möglich war. Gründe dafür hatte sie viele: da waren die Ordensschwestern im Kindergarten, die sie nicht unterstützt haben, als sie aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe gehänselt wurde. "Später bei den Gesprächen vor der Hochzeit fand ich es sehr befremdlich, dass ein Pfarrer uns erzählt, wie man eine Ehe zu führen und ein Kind großzuziehen hat", erzählt die 57-Jährige, "er hat es doch nie selbst erlebt".