Druckartikel: Wenn sich Musiker und Zuhörer auf den Weg machen

Wenn sich Musiker und Zuhörer auf den Weg machen


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Donnerstag, 13. Juli 2017

Natürlich ist das Wandelkonzert des Kissinger Sommers kein neues Format;das gab es schon. Aber etwas war neu: Auch die Musiker mussten wandern.
Die Streicher des Ensembles 2012 (v. l.): Tobias Feldmann und Narine Nanayan (Violine), Dinara Muratova und Sabrina Zickgraf (Viola) sowie Jakob Stepp und Ivan Sendetskiy (Violoncello). Foto: Gerhild Ahnert


Denn die Besetzung war aus einem Guss: Das Ensemble 2012 der Russisch-Deutschen Musikakademie ist personell so flexibel, dass es alle drei Konzerte - natürlich in wechselnden Zusammenstellungen - besetzen konnte. So entstand ein geschlossener, höchst reizvoller Gesamteindruck.

Und das auf einem künstlerischen Niveau, wie man es nicht erwartet hätte. Schon die Ouvertüre in der Erlöserkirche, das unvollendete Streichtrio D 471 von Franz Schubert, von dem es nur den abgeschlossenen ersten Satz gibt - mit geradezu mozartischer Leichtigkeit, Eleganz und Überraschungen gespielt. Und dann Mussorgskys Allzweckwaffe der "Bilder einer Ausstellung", von denen Joachim Linckelmann eine wunder bar unabgenutzte, phantasievolle Fassung für Bläserquintett arrangiert hat, die das Ensemble mit gutem Gespür für differenzierte Klangfarben und für die zum Teil pittoresken Geschichten hinter der Musik spielte.

Dann ging's zur ersten Verpflegungsstation im Foyer des Kurtheaters und zum zentralen Auftritt des gesamten Ensembles, jetzt auch mit dem Pianisten Nikolaus Rexroth. Das war nicht nur deshalb hoch interessant, weil die Gruppe sieben Sätze aus Peter Tschaikowskys Klaviersuite "Die Jahreszeiten" op. 37 spielte. Denn es war erstaunlich, was Valentin Barykin und Kuzma Bodrov aus diesen Gelegenheitsarbeiten herausgeholt hatten und dem Orchesterchen als durchaus spanndene Vorlage lieferten. Dazu kam, dass Dieter Rexroth, ehemaliger Intendant des DSO Berlin mit großer Strahlkraft in der deutschen Festivalszene, nicht nur über kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und Russland und dabei auch über die Akademie informierte, sondern auch kleine, wunderbare Lyrikproben von Pushkin, Zwetajewa, Achmatowa, Andreas-Salomé, Annenski und Brodsky zu den Stimmungen der Musik. Und er erläuterte die wichtige Rolle Robert Schumanns - deshalb spielten Alexandru Afanasiew und Nikolaus Rexroth recht zupackend dessen Adagio und Allegro op. 70 - im musischen Leben des damaligen Russland.

Das Finale im Rossini-Saal - nach er zweiten Stärkung - war kontrastiv zweigeteilt: Die Mezzosopranistin Eva Vogel und Nikolaus Rexroth spielten genießerisch mit der emotionalen Bandbreite zwischen Pathos und feiner Ironie. Und dann gab's Tschaikowskys berühmtes Streichsextett "Souvenir de Florence". So zupackend und mitreißend hatman diese vier Sätze zumindest hier noch nie gehört. Ein toller Schluss!