Was wird aus der Haarder Waldkörperschaft?
Autor: Benedikt Borst
Haard, Dienstag, 02. April 2013
Ein Wald, den niemand benutzt und Schulden, die niemand bezahlt: Die Waldkörperschaft Haard kämpft mit ihren Altlasten.
Die Waldkörperschaft Haard ist alt. Sie hat viele Generationen kommen und gehen gesehen und versorgte sie zuverlässig mit Brennholz, mit dem Öfen befeuert und Häuser beheizt wurden. Diese Zeiten sind vorbei. Auf den zehn Waldgrundstücken herrscht seit Jahren Wildwuchs. Holz wurde offiziell zuletzt 1984 geschlagen. "Der Wald ist sehr ungepflegt", hält Nüdlingens Revierförster Fabian Menzel fest. Er hat vor kurzem den Baumbestand begutachtet.
Ergebnis: "Das Holz ist qualitativ minderwertig."
Die Talfahrt beginnt
Für Ewald Kiesel, Anteilseigner und ehemaliges Vorstandsmitglied, begannen die Probleme der Waldkörperschaft Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre: "Die Leute haben damals kein Brennholz mehr gebraucht." Es wurde zunehmend mit Öl geheizt und zunächst mit Gas- und später mit Elektroherden gekocht. "Es wollte sich niemand mehr im Vorstand der Waldkörperschaft engagieren", sagt er. Seit 1974 gibt es laut Kiesel keinen gewählten Vorstand mehr, der Zusammenschluss wurde kommissarisch von Jagdpächter Wilhelm Beck geleitet.
Elke Deckert sieht das anders und verweist auf Protokolle, die ihr Vater Hubert Mahlmeister noch später als Kassierer anfertigte. Es gab zwar einen Vorstand, der offenbar nach 1984 nicht mehr die Bewirtschaftung des Waldes erledigen konnte. Das hat einen Grund: "Die Waldkörperschaft ist zu kleinkariert geworden", sagt Ewald Kiesel. "Zu viele Mitglieder", meint Deckert. Die Waldstücke sind zusammen 16,5 Hektar groß. Etwa 100 Personen teilten sich 1974 diese Fläche. 40 Jahre später sind es dreimal so viele Personen, die immer kleinere Areale nutzen.
Die Waldgebiete gleichen mittlerweile großen Flickenteppichen "Niemand kann so kleine Flächen bewirtschaften", weiß Kiesel. Schuld an dem Dilemma ist die Erbteilung, die bis heute von den Leuten praktiziert wird. Seit der Jahrtausendwende schwelt noch ein weiteres Problem im Haarder Wald. Nach dem Tod des Vorsitzenden Wilhelm Beck war die Körperschaft endgültig handlungsunfähig. "Die Bankenvollmacht war weg und mein Vater (Anm.: Kassierer Hubert Mahlmeister) konnte nicht mehr die Beiträge für die Landesberufsgenossenschaft (LBG) zahlen", erzählt Elke Deckert.
Die Schulden wachsen
Es wurde für alle Beteiligten unangenehm, denn die LBG ist gesetzlich verpflichtet - auch wenn im Wald nicht gearbeitet wird - Versicherungsbeiträge einzufordern. Derzeit stehen die Anteilseigner laut Kiesel mit über 4100 Euro in der Kreide. In der Vergangenheit pickte sich die LBG einzelne Waldbesitzer heraus und forderte von ihnen stellvertretend den Beitrag für alle ein. Weil die Besitzverhältnisse so unübersichtlich sind, fällt es den Betroffenen schwer, andere finanziell heranzuziehen. Deshalb beauftragte die Gemeinde Ewald Kiesel, Licht ins Nutzer-Dickicht zu bringen. In monatelanger Recherche hat er die einzelnen Anteilseigner, Erben und Erbengemeinschaften herausgearbeitet.
Die Gemeinde will helfen und hat angeboten, Anteile für 50 Cent je Quadratmeter zu kaufen. Außerdem will sie ausstehende LBG-Forderungen für die erworbenen Anteile begleichen. Nüdlingens Bürgermeister Günter Kiesel (CSU) erklärt: "Es geht nicht darum, dass die Gemeinde den Wald haben will, sondern dass wir unseren Bürgern helfen, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen." Bis 15. April können sich interessierte Verkäufer bei der Gemeinde melden. Die LBG hat zudem bis Mitte Juli einen Zahlungs-Aufschub eingeräumt. Dann muss feststehen, wer für die übrigen Beiträge aufkommt. Ansonsten droht der Vollzug.
Neues Leben für die Körperschaft
Der Bürgermeister arbeitet an einer Ideallösung. "Ziel muss sein, dass ein Vorstand gewählt wird, damit die Körperschaft wieder handlungsfähig ist." Das soll mit verringerten Mitgliederzahlen erreicht werden. "Je weniger Mitglieder es gibt, umso leichter wäre eine Lösung", findet auch Deckert. Sie begrüßt die Hilfe der Gemeinde, möchte ihre Anteile aber nicht verkaufen. "Es sollte abfragt werden, wer Anteile erwerben möchte." Sie wäre an Zukäufen interessiert. Alternativ schlägt sie eine Flurbereinigung vor, um das Eigentümer-Chaos zu beheben.
Ertrag lässt auf sich warten
"Ich bin der erste der an die Gemeinde verkauft", sagt Ewald Kiesel. Es sei unsinnig, Beiträge zu zahlen, ohne dass jemals Geld aus dem Wald geholt werde. Und: "Dort, wo die Gemeinde forstet, wächst ein schöner Wald", lobt er. Dann würde der gute Standort genutzt. Doch auch Förster Fabian Menzel kann die Altlasten nicht in kurzer Zeit beseitigen. Bis der Wald etwas anderes als Brennholz abwirft werden noch 50 bis 100 Jahre vergehen.
Was genau ist eine Waldkörperschaft?
Wie Notar Markus Roßmann erläutert, sind Waldkörperschaften Zusammenschlüsse nach altem deutschen Recht. Manche reichen bis ins 9. oder 10. Jahrhundert zurück. Außerhalb Frankes gibt es sie heute nur selten.
Grund und Boden gehört der Waldkörperschaft. Die Mitglieder haben keine Besitzrechte, sondern lediglich Bezugsrechte.
Der Vorstand der Waldkörperschaft legt fest, wann, wie , wo und welche Arbeiten in den Waldgebieten vorgenommen werden. In Haard wurde bis in die 80er Jahre alle 16 Jahre Holz geschlagen. Seit 25 Jahren wächst der Wald wild.