Was rettet den Milchpreis?
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Sonntag, 05. Juni 2016
Deutsche Milchbauern sollen vom Bund mindestens 100 Millionen Euro Nothilfe bekommen. Was bringt das Hilfspaket den Milchbauern im Landkreis?
"Wer bremst, verliert", sagt Norbert Rahn aus Breitenbach. Weniger Milch produzieren und hoffen, dass sich der Preis nach oben reguliert? Daran glaubt er nicht. Genauso wenig, wie an die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Der will Milchbauern eine Nothilfe von 100 Millionen Euro verschaffen. Billige Importe aus den Nachbarländern, gestrichene Exporte nach Russland - seit die Quote vor einem Jahr abgeschafft wurde, gibt es nichts mehr, das den Milchpreis
vor dem freien Fall rettet. Die Politik will sich nun einmischen und die Situation mit einem Nothilfe-Programm entspannen. Reichen die Pläne aus Berlin, um den Landwirten im Landkreis zu helfen?
Georg Scheuring nennt das, was Christian Schmidt tut, Symbolpolitik. Das Hilfspaket würde höchstens die Symptome lindern, meint der Leiter der Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbands Bad Kissingen. Und das allenfalls kurzfristig. "Das ist ein hilfloser Versuch, der nicht viel bringen wird", sagt Georg Scheuring.
Norbert Götz lacht, als er auf das Hilfsprogramm angesprochen wird. Der Milchbauer aus Aschach ist Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft "Milchbauern Bad Kissingen". "Uns hilft jeder Euro, aber am liebsten wäre uns, wenn bei Grundnahrungsmitteln nicht mehr gepokert werden würde." Die geplante Nothilfe nur Alibi?
"Waffen dürfen überall hin geliefert werden, Milchprodukte nicht", sagt Norbert Rahn aus Breitenbach und spielt auf das Handelsembargo mit Russland an. Er stellt in Frage, wie eine gerechte Verteilung überhaupt aussehen soll. Ohnehin habe eine Einmalzahlung keine Auswirkungen auf den Milchpreis. "Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein."
"Die Frage ist, ob uns die Politik überhaupt helfen will", sagt Norbert Götz. Kalkuliert die Politik mit einer Gesundschrumpfung? "Wir müssen uns selber beschränken", sagt der Milchbauer aus Aschach. Er fordert einen fairen Umgang miteinander: Politik, Verbraucher, Molkereien, Bauern und Handel.Wenn letzterer den Preis einheitlich heben würde und von den Mehreinnahmen nur die Landwirte profizieren, gebe es eine Chance für einen guten Preis, meint er. "Uns fehlen zehn Cent." Gerade bekommt er 26 Cent für den Liter Milch. Könnte eine Mengensteuerung wie die Milchquote helfen?
Milch-Markt regulieren?
"Wenn dann nur auf europäischer Ebene", sagt Norbert Götz. Ja, damit "nicht wild drauf los produziert wird", meint Georg Scheuring. Der könnte sich vorstellen, dass Molkereien Verträge mit den Bauern aushandeln und sich verpflichten, eine bestimmte Menge für einen vereinbarten Preis abzunehmen.
Ginge es nach Norbert Rahn, wäre die Quote nie abgeschafft worden. "Die Molkerei sagt, das geht uns nix an. Freiwillig weniger liefern, das funktioniert nicht. Es braucht einen Zwang", sagt Norbert Rahn. Vor zwei Jahren hat er den Betrieb an seinen Sohn weitergegeben. Ein neuer, größerer Stall wartet auf dein Einzug weiterer Milchkühen. Wie es weitergehen soll? "Wird schon irgendwie", sagt er.
"Wir wissen es nicht", meint Norbert Götz, der sich schon von einigen Tieren getrennt hat. "Es geht jedem an die Psyche", sagt Georg Scheuring. "Die Bauern sehen kein Licht am Ende des Tunnels."Hilfspaket Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte letzte Woche Vertreter von Bauern, Molkereien und Handel zu einer Krisensitzung nach Berlin eingeladen und danach ein Nothilfe-Paket skizziert. Neben den mehr als 100 Millionen Euro sind außerdem Steuerentlastungen und Zuschüsse zur Unfallversicherung vorgesehen.
Änderung Eine EU-Agrarreform hat die Milchquotenregelung zum 1. April 2015 aufgehoben. Der Milchmarkt ist seither wieder frei und ohne staatliche Einflussnahme.
Preise Landwirte bekommen teils weniger als 20 Cent für den Liter Milch. Um kostendeckend arbeiten zu können, gelten 35 Cent als Untergrenze.
Absprachen Im Kampf gegen die niedrigen Milchpreise hat der Bundestag den Weg für Absprachen zur Mengenregulierung freigemacht. Das Parlament verabschiedete in der vergangenen Woche ein Gesetz, das den rechtlichen Rahmen für eine entsprechende EU-Vereinbarung schafft. Brüssel hatte im April zeitlich begrenzte Mengenbegrenzungen für Milchprodukte grundsätzlich genehmigt. dpa/bcs