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"Was ihr wollt" feiert Premiere in Maßbach


Autor: Thomas Ahnert

Maßbach, Montag, 28. Januar 2013

Christian Schidlowsky hat Shakespeares "Was ihr wollt" in einer Neubearbeitung im Intimen Theater des Schlosses Maßbach herausgebracht. Dabei hat er nicht nur das Stück neu übersetzt, sondern auch die Handlung modern überarbeitet.
Sir Tobias (Georg Schmiechen), Maria (Sandra Lava) und Feste (Ingo Pfeiffer) beobachten den Hausmeister Malvolio (Marc Marchand), der mit Verzückung die gefälschte Liebeserklärung seiner Herrin Olivia (Susanne Pfeiffer) liest. Die sitzt daneben und träumt von Cesario. Foto: Worch


Das Schiff ist untergegangen. Viola und Sebastian, die beiden Zwillinge, haben sich an die Küste Illyriens gerettet, den anderen ertrunken wähnend. Viola kommt in die Stadt, deren Herzog mit ihrem Vater in Fehde liegt, und verkleidet sich als Mann, um als Cesario in dieser feindlichen Umgebung überleben zu können. Sie tritt in die Dienste dieses Herzogs, den die Liebeskrankheit beutelt. Und damit beginnt ein Spiel um die Liebe, das sich immer mehr verknotet.

William Shakespeares Komödie "Twelfth Nigt" oder "What You Will" hat sich zu seiner meistgespielten gemausert. Und das ist eigentlich erstaunlich. Denn es ist kein wirklich leichtes Werk, dem schon die Zeitgenossen seine Konstruiertheit vorgeworfen haben. Und es ist auch heute, wenn man von seinem slapstickartigen Charakter absieht, nicht so ganz einfach zu vermitteln, wie viele Inszenierungen gezeigt haben.

Jetzt hat Christian Schidlowsky "Was ihr wollt" im Intimen Theater des Schlosses Maßbach herausgebracht.

Radikaler Neuzugang

Christian Schidlowsky wäre nicht Christian Schidlowsky, wenn er nicht einen radikalen Neuzugang zu dem Stück gesucht - und gefunden - hätte. Er hat es für die Inszenierung übersetzt und sprachlich in die Gegenwart geholt, ohne den Geist der Shakespearschen Sprache zu verdecken. Und er hat es auf zwei Stunden eingedampft, indem er auf die Figur des Sebastian, Violas Bruder, verzichtete. Damit reduzierte er die Zahl der Handlungsstränge um einen, der die Sache aus seiner Sicht wohl unnötig komplizierte und Straffung gestattete. Und auch Plausibilität. Denn nach dem ganzen Beziehungschaos sorgt Schidlowskys Finale für eine Logik, die man heute, im Zeitalter der Post-Emanzipation, durchaus akzeptieren kann: Es bleibt letztlich alles offen.

Davor hat Schidlowsky seine Viola allerdings in einen tiefen Abgrund gestürzt, denn sie leidet zunehmend an dem Rollenkonflikt zwischen Frau - die sie ist und die den Orsino liebt, der sie für einen Mann hält, obwohl er da immer unsicherer wird - und Mann - der sie nicht ist, den aber Olivia mit aller Gewalt heiraten will, um sich Orsino vom Leib halten zu können. In diesem Konflikt zerreißt es sie fast, denn ihr Zwillingsbruder Sebastian, an den sie bei Shakespeare Olivia noch abdrücken konnte, um sich Orsino als Frau erkennen zu geben, ist ja gestrichen. Und sie tut das einzig Sinnvolle: Sie haut ab. ... und alle Ehefragen bleiben offen.

Das ist nicht das Einzige, was vom Original abweicht. Christian Schidlowsky hat die immer wieder lastende Schwermut dieser Komödie aufgebrochen, indem er sie in den Karneval verlegte, wo schon der ewig fließende Alkohol die Situationen spontan gestattete, die Shakespeare noch herbeischreiben musste - eine echte Einladung an die Phantasie von Kostümbildnerin Jutta Reinhard. Dass Sir Tobias als Ballettratte verkleidet war und trotzdem Mann blieb, war ein interessanter Kontrapunkt zu Viola/Cesario.

Von der Hauptstadt zur Kneipe

Und die Handlung spielt nicht in der Hauptstadt von Illyrien, sondern in einer Kneipe dieses Namens. Dass man auf dieser kleinen, vollkommen verrümpelten Bühne (Andreas Wagner) mit einem Keyboardtresen und einem Plumpsklo-Häusl (warum nur hat der Vorhang kein Herz?) im Zentrum überhaupt temporeich spielen kann, ist ein Wunder.

Und entsprechend der Umgebung ist Orsino (Benjamin Jorns) nicht der seriöse Graf, sondern ein melanchoholischer Faschingsprinz, der nur an Olivia denkt, wenn er mal kurz aus seinem Rausch aufwacht. Die wiederum (Susanne Pfeiffer), hat zwar aus Trauer um ihren Bruder der Welt entsagt, sitzt aber mittendrin - als grimmige Chefin des Hauses. Wie sie sich zur glühenden, verbissenen Möchtegernbraut Cesarios wandelt, das ist schon klasse gespielt.

Verkrachte Gestalten

Um diese beiden verhauenen Leuchten der Gesellschaft gruppieren sich die anderen verkrachten Gestalten: der penetrante, immer betrunken durch die Szenerie stolpernde Sir Tobias (Georg Schmiechen), sein Freund Ändy Ängste haas (Michael Schaller), der seinem Namen alle Ehre macht und als schwarzer Ritter nur seinem übergroßen Schatten - und Olivia - hinterherläuft; die Zofe Maria (Sandra Lava), die zu jeder Schandtat bereit ist, wenn sie nur ihren Spaß hat; der rotnasige Narr Feste (Ingo Pfeiffer), der seine Hauptbestimmung darin sieht, Gläser nachzufüllen); der Hausmeister Malvolio (Marc Marchand), der selbsternannte Kleinkönig, der für seine Eitelkeit und seine Liebe zu seiner Chefin so heftig büßen muss.

Und Viola/Cesario? Silvia Steger spielt diese Doppelrolle außerordentlich hintergründig, weiß manchmal selber nicht mehr, ob sie Mann oder Frau ist, muss sich immer wieder zur Ordnung rufen und sich behaupten und bringt einen erstaunlich tragfähigen Ernst in den ganzen enthemmten Trubel. Sie gibt dem Ganzen trotz ihrer Irritationen gewisse Erdung.