Wanderer zwischen den Konzerten
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Mittwoch, 09. Juli 2014
Der Kissinger Sommer verteilte sich auf drei Spielstätten. Und das Publikum zog mit.
Um 19 Uhr - die Brasilianer freuten sich noch über den bevorstehenden Einzug ins WM-Finale - begann im Rossini-Saal ein Experiment, das drei Stunden später in der Erlöserkirche erfolgreich endete: Zum ersten Mal gab es beim Kissinger Sommer ein "Wandelkonzert" mit drei Stationen.
Es hat großen Spaß gemacht. Es war mal etwas völlig anderes als zwei Stunden auf einem Stuhl zu sitzen und der Musik zu lauschen. Schon der äußere Rahmen stimmte.
Die zwei Spaziergänge zwischen Rossini-Saal, Kurtheater und Erlöserkirche lockerten die Stimmung auf, auch die gute und gut funktionierende Verpflegung an der zweiten und dritten Station. Und auch das Programm erschlug niemanden mit "fetten" Sinfonien oder schwergewichtigen Sonaten, für die man durchaus einen Vorlauf an Konzentration braucht.Die Musik war bekömmlich und unterhaltsam.
Mozarts Sonate für Klavier und Violine KV 301 mit Momo Kodama und Kristóf Baráti war ein höchst anregender, leichthändig musizierter und ausbalancierter Türöffnerl. Bei Chopins cis-moll-Nocturne op. 27/1 und der Polonaise As-dur op. 53 fragte man sich dann aber, warum der junge Levon Avagyan so draufhauen musste, dass er nivellierte und nicht alle Töne traf. Ein Konzept sieht anders aus. Draufhauen taten auch Mari & Momo Kodama auf die Tasten von zwei Flügeln - aber mit Überlegung. Da die Themen aus Tschaikowskys Nussknackersuite bekannt sind, ging es um die spektakuläre, vollgriffige Vierhändigkeit. Dagegen standen bei Nodairas "Echo dans le bois" die differenzierten Klänge im Fokus.
Drei Männer im Kurtheater
Weiter ging das Wandelkonzert im Kurtheater mit den Geigern Kristóf Baráti und Ning Feng sowie Konstantin Shamray am Flügel - und mit der Triosonate op. 2/5 von Händel. Die beiden Geigen und Shamrays rechte Hand sorgten für Dreistimmigkeit, die Linke für den Basso continuo. Das war ein barock-gelöstes Musizieren, wobei Baráti der Kräftigere, Feng der Differenziertere war. In technischen Fragen, vor allem beim Vibrato, wäre mehr Abklärung ganz schön gewesen. Das war bei Bartóks Duos Sz 98 für zwei Violinen kein Thema. Die lebten von der Lebendigkeit der Töne und sehr dezidiert musizierten Rhythmen. Shamray stellte, was selten geschieht, Tschaikowsky als Komponisten von Klaviermusik vor, mit vier Charakterstücken aus seinem op. 72, auf russisch-kräftigem Niveau, aber anders als Avagyan, mit differenzierten Konzepten. Und schließlich gab's noch Schostakowitsch als Unterhaltungsmusiker mit seinen Fünf Stücken für zwei Violinen und Klavier: geistreich, volkstümlich, für Kitsch viel zu schön. Damit keine Irritationen bleiben: Polka und Walzer waren vertauscht.
Mit der Akustik im Bunde
Zu Ende ging das Wandelkonzert in der Erlöserkirche mit der Trompeterin Tine Thing Helseth und der Perkussionistin Ni Fan. Der Ort war gut gewählt, denn Dritte im Bunde war die Akustik, die die Trompeten- und Marimbaklänge weitertrugen - letztere bei dem wunderbar sensibel und filigran gespielten "Blues for Gilbert" von Mark Glentworth. Auf ungewöhnliche rhythmische und farbige Strukturen zielten die Musikerinnen bei Jolivets "Heptade für Trompete und Percussion". Das ist bei aller Spannung und Virtuosität aber eher ein Stück für die Interpreten, denn manche der Effekte wiederholen sich. Das konnte nicht passieren bei Piazzollas "Oblivion" und "Libertango", die in der Besetzung mit Trompete und Vibraphon ihre große Sinnlichkeit entfalteten. Ein toller Schluss.