Wallfahrt der Wirte
Autor: Marion Eckert
Klosterkreuzberg, Dienstag, 18. Oktober 2016
Gastronomen aus ganz Unterfranken pilgerten auf den Kreuzberg.
Die Wirtewallfahrt zum Kreuzberg zum Ende des Wallfahrtsjahres ist ein fester Bestandteil im Kalender der Klosterkirche und der Wirtsleute aus Unterfranken. Einmal im Jahr nehmen sie sich frei, um mit ihren Mitarbeitern zum Kreuzberg zu kommen, Kollegen zu treffen und sich auszutauschen. Seit einigen Jahren ist Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, als Nachfolger von Weihbischof em.
Helmut Bauer, ihr "Wirtekaplan".
Begrüßt wurden die Wirtsleute von Pater Georg Andlinger, der seit Oktober die Verantwortung im Kloster Kreuzberg trägt. "Seien Sie herzlich willkommen auf dem Kreuzberg", diese Begrüßung sprach er im Namen der Franziskaner und der Franziskaner Klosterbetriebe GmbH aus. Denn nach dem Gottesdienst in der Klosterkirche waren die Wirtsleute im Antoniusbau zu Gast und ließen sich die Köstlichkeiten aus der Klosterküche schmecken.
Nach einer Prozession rund um die Klosteranlage zogen die Wirtsleute in die Kirche ein. Zum Ankommen gehöre es aber auch, angenommen und aufgenommen zu werden, so Pater Georg. Auf dem Kreuzberg werde ihnen jene Gastfreundschaft entgegengebracht, die sie täglich in ihren Gasthäusern den Menschen gewähren. Seit er auf dem Kreuzberg sei, habe er einen kleinen Einblick hinter die Kulissen der Gastronomie bekommen und erfahren, wie schwierig es oft sei, Menschen willkommen zu heißen und als Gäste aufzunehmen.
Gesellschaftliche Aufgabe
Die Arbeit der Gastronomen und die vielfältigen Herausforderungen, mit denen sie sich jeden Tag konfrontiert sehen, war auch Thema der Predigt von Domkapitular Lenssen.
Treffend skizzierte er den Arbeitsalltag und die Belastungen der Wirte, zeigte aber auch mutmachende Lösungen und Entwicklungsmöglichkeiten auf. Ausdrücklich führte er den Wirtinnen und Wirten vor Augen, welch unverzichtbare und wichtige Aufgabe sie in der Gesellschaft erfüllen.Ihren Dienst sah er als Dienst in der Nachfolge Jesu Christi. Wirte, die ihren Gästen ein herzliches und ehrliches Willkommen entgegenbringen und sie gastfreundlich bewirten, täten mehr, als deren Hunger und Durst zu stillen. Sie vermittelten positive Erfahrungen der Nächstenliebe und des sozialen Miteinanders. Solch positive Erfahrungen seien notwendig, um auch ein positives Gottesbild zu entwickeln. Der Glaube an einen Gott, der Menschen liebe und für sie ein Leben in Fülle und Freude möchte, könne sich nur entwickeln, wenn es auch Räume gebe, in denen Menschen genau diese Erfahrungen machen können, sei es in der Familie oder eben auch bei den wohlbekannten Wirtsleuten im Ort.
Räume der Beziehungspflege
So seien Gastwirtschaften Räume der Beziehungspflege, der Freundlichkeit und Menschlichkeit.
Dieser Dienst am Menschen adele den Beruf des Gastwirtes. "Darauf können sie stolz sein und sich daran freuen", sagte Lenssen.Doch die mittelständische Gastronomie stehe vor großen Herausforderungen. Fehlende Arbeitskräfte, ausbleibende Nachfolge, reduzierte Öffnungszeiten, zunehmende Bürokratie, das alles belaste das Betriebsklima und kostete viel Kraft. Steigende Überalterung der Gesellschaft, ausbleibende Stammgäste, deren Renten nicht mehr für den Besuch des Wirtshauses reichen, zurückgehende Traditionen und neue gesellschaftliche Trendentwicklungen bis hin zu Szenelokalen, das alles bereite der Gastronomie Sorgen. Hinzu kämen Angebote von Vereinen und Pfarreien, die ein Konkurrenzangebot darstellten. Pfarrheime, die wie Gaststätten betrieben werden, die vielen Feste landauf und landab zögen Kundschaft ab. Lenssen sprach sich dafür aus, dass Pfarrreisitzungen und ähnliches nicht unbedingt im Pfarrheim, sondern in der Gastwirtschaft stattfinden sollten, um den örtlichen Gastronom zu stärken - wenn es ihn vor Ort überhaupt noch gibt.
Kultureller Verlust
In vielen Orten bleibe nur die Aufschrift an der Hauswand übrig.
"Zum Adler", "Zum Lamm", das erinnere daran, dass es in den Gebäuden einmal Gastwirtschaften gegeben hat, doch der Verfall habe längst eingesetzt. "Das ist ein kultureller Verlust, ein Verlust sozialer Begegnungsmöglichkeiten, ein Verlust von Lebensqualität." Gegen diesen Verlust gelte es sich zu wehren. Die Gastronomen rief er auf, die Attraktivität ihrer Häuser zu steigern, mit Angeboten aufzuwarten, die anderenorts nicht befriedigt werden können."Es geht um regionale Speiseangebote, aber auch um menschliche Anteilnahme." Lenssen zählte eine Reihe an Beispielen auf: Tanz- und Spielabende für Senioren, ein Gebiss- und Geschmacksfreundliches Seniorenangebot auf der Speisekarte, Wein- und Schnapsproben, Kontakte zu Pfarreien, Chören und Vereinen aufnehmen, einen Stammtisch gründen, Wirtshaussingen organisieren, barrierefreie Zugänge schaffen. "Lassen Sie ihre Phantasie walten", machte Lenssen Mut, Lücken zu finden und zu nutzen, um mit einen unverwechselbaren Angebot und bester Qualität für die Gäste da zu sein. Dass die Gäste die Qualität der Waren wie auch des Zwischenmenschlichen zu schätzen wissen, davon ist Lenssen überzeugt. "Die Bereitschaft zu zahlen, wächst mit der Qualität und der Individualität. Genau das wird gesucht. Seien Sie individuell und nicht austauschbar."