Wagners Pilgerreise nach Wien - auf humorvoll
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Donnerstag, 13. Juni 2013
Klaus Maria Brandauer stellte im Rahmen des Kissinger Sommers die köstliche Pilgerreise des Komponisten zu seinem Genius Beethoven nach Wien vor. Und Lars Vogt kommentierte am Flügel.
Wagner lacht. Ein Bild, das man sich nur schwer vorstellen kann angesichts der lastenden Ernsthaftigkeit, die ihn und sein Werk umgibt. Aber er konnte durchaus lachen, und sogar über sich selbst. Eines der besten Zeugnisse dafür hat er als Autor geliefert: das Büchlein "Richard Wagners Pilgerfahrt zu Beethoven nach Wien".
Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wann und unter welchen Umständen es entstanden ist: 1840. Nicht, weil Beethoven da schon 13 Jahre tot war, sondern weil Wagner im Winter zuvor seine Kapellmeisterstelle in Riga Hals über Kopf hatte quittieren müssen auf der Flucht vor seinen Gläubigern und sich mit seiner Frau Minna in einer hochseeuntauglichen Schaluppe über Ost- und Nordsee erst nach London, dann nach Paris abgesetzt hatte. Und dort hatte niemand auf ihn gewartet. Wagner ging es so schlecht wie nie zuvor und auch später nie mehr.
Biografie wird Literatur
So wird sich der Leser nicht wundern, dass Wagners wirtschaftliche Lage auch der Ausgangspunkt des Büchleins ist, an dem er "Not und Sorge, der Schutzpatronin der Musiker" sein bejammernswertes Leid klagt. Polkas und Potpourries muss er komponieren, um sich ein bisschen Geld für den Fußmarsch von Leipzig nach Wien zusammenzukratzen. Unterwegs kommt ihm immer wieder ein nervender Engländer in die Quere, der dummerweise auch zu Beethoven will, der im selben Gasthof absteigt, und der ihm beinahe noch nach langem Warten den endlich genehmigten Besuch bei dem "Genie" vermasselt hätte - ein köstlicher Katastrophentext voller kurzatmiger Vortriebskraft.
Mit Wagner eins geworden
Klaus Maria Brandauer hat sich im Lauf der Jahre in diesen Text hineingelebt, hineingeliebt, er liest ihn mit allergrößter Sympathie für den geplagten Autor, bleibt nie nüchterner Rezitator, sondern begibt sich immer wieder in dessen Innenwelt, lässt sich ein auf die inneren Monologe. Man leidet mit Wagner mit, wenn ihm wieder der Engländer auf die Füße tritt, wenn er vermeintlich endlos wartet, an Beethoven heranzukommen. Und den liest er mit hoher Fistelstimme als einen Menschen, der sich wegen seiner Taubheit aus der Welt zurückgezogen hat, sie aber noch sehr genau beobachtet.
Unter Wert verkauft
Lars Vogt hatte den undankbareren Part an diesem Abend, aber er steckte ihn weg mit viel professioneller Gelassenheit. Er saß an einem ziemlich hölzernen Flügel in einer obertonvernich tenden Akustik des Kurtheaters. Und dann stand das Instrument auch noch auf der Abdeckung des Orchestergrabens, also über einem riesigen Hohl- und Resonanzraum. Die Ergebnisse waren nicht danach, Musik mit Genuss in Verbindung zu bringen.
Bei Beethovens Sechs Bagatellen op. 126, die Lars Vogt zwischen die Kapitel streute, ging es ja noch, weil die absehbar kurz sind. Und Vogt schaffte das kleine Wunder, sie so zu spielen, als hätte sie Beethoven selbst als "Zwischenaktmusiken" geschrieben, weil er sie so anschlug, dass sie genau an die Stimmungen der Texte anknüpften, Wagners Gefühle ventilierten und auf die folgenden Kapitel hinführten.
Heftige Durchhalteprobe
Aber die c-Moll-Sonate op. 111, Beethovens Letzte, wurde zur Durchhalteprobe für alle Beteiligten. Natürlich konnte man erkennen, was Lars Vogt sich bei der Interpretation gedacht hatte, worauf er hinauswollte. Man verstand sein Konzept einer starken dynamischen Bandbreite, sein spannungssteigerndes Spiel von weiten Bögen, ganz bewusst auch über die Beethovenschen Brüche hinweg, seine rhythmische Konsequenz. Und man bewunderte seine Nervenstärke - über manches Ergebnis schien er selbst überrascht zu sein - und sein nicht ganz erfolgloses Bemühen, über Anschlag und Pedal so manche Idee zu retten.
Aber je länger man darüber nachdachte, wie diese Sonate im Großen Saal mit dem entsprechenden Instrumentarium geklungen hätte - und auch der Flügel ist schon in die Jahre gekommen - desto mühsamer wurde das Zuhören. Trotzdem: ein höchst vergnüglicher Abend - dank des Humors von Richard Wagner.