Vom Kutschen-Tüv bis zum Trödeltrupp
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Freitag, 10. Juli 2015
Im Kutschenfuhrpark der Stadt steckt ordentlich Arbeit: Verdecke müssen gefettet, das Holz gewässert und von Würmern befreit werden. Der Aufwand gilt nur dem Historischen Festzug. Ob die Kutschen fahren, entscheidet der Tüv.
Jürgen Petz vom Tüv Süd ist beeindruckt. "Die Stadt treibt einigen Aufwand für die Kutschen", lobt der Sachbearbeiter aus Schweinfurt. Zwei Wochen vor dem Rakoczy-Fest wurde der Fuhrpark der Stadt aus dem Winterquartier in der ehemaligen US-Kaserne geholt. Jetzt warten die 23 Kutschen in der Eishalle darauf, das Okay vom TÜV für den historischen Festzug zu bekommen. 13 von ihnen fahren dieses Jahr mit.
Der Kutschen-Tüv läuft etwas anders ab, als der fürs Auto. Es fehlen die üblichen Prüf- und Messgeräte. Petz braucht vor allem Stift, Klemmbrett und ein gutes Auge. Er überprüft die 100 bis 150 Jahre alten Gefährte darauf, ob sich die Wagenräder gelockert haben, ob die Deichsel in Ordnung ist und ob Bremsen und Lenkung funktionieren. "Gewerbliche Kutschen brauchen eine Betriebserlaubnis", erklärt Petz. Das gilt etwa für die Postkutsche, die zwischen Bad Kissingen und Aschach fährt.
Sicherheit für den Umzug
Wenn historische Kutschen nur wenige Male im Jahr wie für das Rakoczy-Fest genutzt werden, reicht es dagegen aus, wenn sie kurz vorher abgenommen werden. "Eine Betriebserlaubnis wäre hier übertrieben", sagt der Mann vom Tüv. Wenig später gibt er grünes Licht: Die Kutschen passen, die Sicherheit während des Umzugs ist aus seiner Sicht gewährleistet.
Gerhard Laudensack und Gottfried Büttner vom städtischen Servicebetrieb sorgen dafür, dass das so ist. Sie kümmern sich das ganze Jahr um die Wartung der Kutschen. Für die wichtigsten Arbeiten stellt ihnen die Stadt jährlich ein Budget von 2000 Euro zur Verfügung.
Holzwurmkur in Wärmekammer
"Es geht los dabei, die Verdecke mit Stiefelfett einzureiben, damit das Leder geschmeidig bleibt", sagt Laudensack. Um Holzwürmer in der Rahmenkonstruktion abzutöten wurden jetzt einige Kutschen für mehrere Stunden bei 65 Grad in die Wärmekammer einer Autolackiererei gestellt. Laudensack und Büttner haben ein Auge darauf, dass die Kutschen fahrtüchtig bleiben. "Es geht uns um die technischen Geschichten und um die Sicherheit der Fahrzeuge auf dem Umzug", erklärt er.
Wagenräder in die Saale hängen
Da die beiden Männer gelernte Automechaniker und keine Kutschenbauer sind, arbeiten sie eng mit einem Profi aus Schwebheim (Landkreis Schweinfurt) zusammen. "Da haben wir den letzten Wagner in Unterfranken an der Hand", sagt Laudensack. In Schwebheim werden aber nicht nur defekte Kutschenräder wieder instand gesetzt, sondern es gibt auch interessante Pflegetipps. Beispielsweise, dass die Kutschen feucht gehalten werden sollten. "Früher wurden deshalb manchmal die Räder abmontiert und an Ketten in die Saale gehängt", erzählt Laudensack. Das Holz quillt auf und die Räder sitzen danach wieder fest. Mittlerweile werden die Kutschen aber im Winterquartier gewässert.
Nicht nur die Stadt betreibt einigen Aufwand für den Kutschenfuhrpark, sondern auch der Rakoczy Verein. Peter Krug, Ludwig Büchner und Thomas Lutz haben vor kurzem im Rahmen von Dreharbeiten für die RTL II Sendung Der Trödeltrupp eine Victoria-Kutsche für 2300 Euro gekauft. Die Kutsche soll in zwei Wochen mitfahren. In diesem Jahr nicht dabei ist dagegen der historische Wassersprengwagen der Kurgärtnerei. Der wird aktuell von Freiwilligen für den Rakoczy Verein restauriert. "Der Wagen wurde in 150 Einzelteile zerlegt. Dabei haben wir pfundweise Ockerablagerungen aus den Düsen geholt", berichtet Jürgen Sand. Die Einzelteile werden entrostet, sandgestrahlt, lackiert und zusammengebaut. Kutschbock und Räder werden getauscht. 2016 soll der Wagen an Rakoczy wieder zu sehen sein.