"Unsichtbar" krank und dann noch verspottet: Was darf man, wenn man krankgeschrieben ist?
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
LKR Bad Kissingen, Donnerstag, 24. November 2022
Migräne, Burnout, Long Covid: Über Kranke, die im Job fehlen, wird oft getuschelt, wenn sie das Haus verlassen. Was Arbeitsrechtler und Psychologen sagen.
Jochen Vogel, Bürgermeister von Bad Brückenau, machte im Mai seine Long-Covid-Erkrankung öffentlich. "Eine gute Entscheidung", sagt er rückblickend. "Es wurde viel spekuliert und gefragt: Was hat er denn? Warum kommt er nicht? Hat er keinen Bock mehr oder einen Burnout?" Auch Sätze wie "der ist fürs Amt nicht tragbar" seien gefallen.
Bürgermeister Jochen Vogel zu den Reaktionen auf seine Long-Covid-Erkrankung
Diese Äußerungen seien nicht direkt zu ihm gesagt worden, sondern ihm von anderen zugetragen worden. "Das hätte ich mir anders gewünscht. Ich finde es schöner, mit den Leuten zu reden als über die Leute. Aber es bleibt nicht aus, wenn man im öffentlichen Bereich tätig ist."
Das Gerede lasse ihn nicht kalt. Nachdem Vogel in einem Interview mit unserer Redaktion erzählte, wie sehr ihn nach seiner Infektion und trotz mehrfacher Impfung zunächst selbst Anrufe oder eine kleine Fahrradtour erschöpften, erreichten ihn vor allem Zuspruch, ermutigende Worte und Genesungswünsche.
Menschen wie er, sei es als Bürgermeister oder in einer anderen leitenden Funktion, sind Getuschel besonders ausgesetzt. Es trifft aber nicht nur Menschen, die in der Öffentlichkeit auftreten.
Mitarbeiter krankgeschrieben und im Café
Ist ein Mitarbeiter krankgeschrieben, sitzt aber im Café oder ist ehrenamtlich tätig, kommt das im Umfeld oft nicht gut an. Vor allem dann, wenn es sich um Beschwerden handelt, die für andere Menschen nicht sichtbar sind wie etwa ein gebrochener Arm, sondern mehr im Inneren stattfinden. Etwa Long Covid, Depressionen, Migräne, Rheuma oder Krebs.
"So krank ist der ja gar nicht, der kann ja immer noch dies und das tun", lästern dann oft böse Zungen. Dabei können gerade diese Handlungen einen Versuch des Betroffenen darstellen, sich wieder ans Arbeitsleben heranzutasten und die eigene Belastbarkeit zu prüfen. Etwas, das Ärzte regelmäßig empfehlen.
In dem Gerede oder den Versuchen, Menschen anzuschwärzen, sieht Psychologin Brigitte Morgenstern-Junior ein soziales Problem. "Sozialneid und Denunziantentum halte ich für sehr bedenklich. Leider ist es weit verbreitet, dass sich andere Menschen in das Leben von anderen einmischen."