Ungleiche Schwestern
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Montag, 18. Juli 2016
Das Münchner Rundfunkorchester begleitete die Sopranistin Ricarda Merbeth und die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova.
Normalerweise sind Ouvertüren bei einer Operngala dazu da, das Programm zu füllen und den Sängerinnen und Sängern Zeit für Atempausen zu gönnen. Das galt natürlich auch für das "Sonntagskonzert mit dem Münchner Rundfunkorchester". Aber ein bisschen anders war es doch. Etwa bei der Ouvertüre zu Richard Wagners "Fliegendem Holländer". Denn da merkte man plötzlich, dass es zu wenig wäre, sich zurückzulehnen und auf die Ballade
der Senta zu warten. Denn Asher Fisch am Pult der Münchner hatte die Ouvertüren durchaus ernst genommen, und plötzlich merkte man zum Beispiel, wie früh das später höchst wirkungsvolle Meermotiv auftaucht, wenn man es aus seinem Versteck in den Mittelstimmen herausholt.
Nein, Asher Fisch war ein Dirigent, dem es nicht so sehr auf Takt und Einsätze ankam, weil das die Musiker ohnehin wissen und unter sich organisieren können, sonder nder sehr stark auf Ausdruck und Dynamik zielte. So bekamen die Programmfüller plötzlich ein ungewohntes Eigengewicht.
Die beiden Solistinnen waren sehr unterschiedlich: Die Sopranistin Ricarda Merbeth erwischte einen Traumstart mit "Traft ihr das Schiff im Meere an", der Ballade der Senta aus dem "Fliegenden Holländer". Da ist sie ganz sie selbst, da ist sie drin, da singt sie bombensicher und differenziert. Kein Wunder, denn in wenigen Tagen wird sie die Partie der Senta auch in Bayreuth singen.Aber auch ihre beiden anderen Wagner-Arien waren ein Vergnügen: Elisabeths "Dich, teure Halle, grüß'ich wieder" aus dem "Tannhäuser" und natürlich Isoldes Liebestod, "Mild und leise", stimmungsvoll und standfest zugleich gesungen bis zum Untergang im Meer der Musik.
Hatte man bei der Mezzosopranistin Vesselina Kasarova im vergangenen Jahr noch die Erwägung einer Indisposition, schgeint ihre Tonbildung doch Methode zu sein: zu tief ansetzen und hochpumpen - und damit es nicht so auffällt, leise bleiben. Sie hat an sich eine tolle Stimme und sie ist eine routinierte Technikerin. Aber sie ist, zumindest am Beginn des Abends, kaum zu hören und zu verstehen - es wird ja dann ein bisschen besser. Aber durch diesen bemühten Tonansatz gerät ihr Singen immer wieder in den Bereich des vermeintlich sprechenden Deklamierens.
Es wäre schon eine Überlegung wert, ob es nicht Arien gibt, die besser in der zentralen Stimmlage von Vesslina Kasarova lieben als "Ecco il punto, o Vitellia ... non piu di fiori vaghe catene." Nicht dass sie die Tiefe nicht hätte, aber sie erreicht sie immer nur über einen Registerbruch, und darunter müsste sie doch eigentlich auch leiden. So blieb sie zweiter Sieger gegenüber ihrem Duettpartner, dem Bassetthorn.
An sich sehr schön sang Kasarova auch "Printemps, qui commence" aus Saint-Saëns' "Samson et Dalila", wo sie schönm mit der Sprache spielte, und 2Acerba voluttà" aus Cileas "Adriana Lecouvreur", beide etwas stärkeri n der Darstellung. Aber immer schwang die Angst mit, in die Tiefe hinunter zu müssen.
Etwas problematisch war das Duett "Kann mich an ein Mädel erinnern" aus Richard Strauss' "Rosenkavalier" - eine schier nicht enden wollende Unterhaltung zwischen Marschallin (Merbeth) und Oktavian (Kasarova). Arien sind ja auf einen Höhepunkt hin komponiert, und dann ist Schluss. Aber dieses lange Hin- und Herreden, das auf der Bühne eingebettet ist in eine Spielhandlung, tut sich in der konzertanten Situation sehr schwer mit der Spannung, auch jetzt im Großen Saal, zumal sich Vesselina Kasarova bis zur Unverständlichkeit zurücknahm.
Programmatisch die große Überraschung war das berühmt-berüchtigte Duett "Abends weill ich schlafen geh'n" aus Engelbert Humperdincks Oper "Hänsel und Gretel"Dass dieser Chartstürmer der Kindergeburtstage und Weihnachtsfeiern einmal den Weg in eine Operngala im Regentenbau finden würde, war erstaunlich. Wenn Kinder das gut singen - und für die ist es ja eigentlich komponiert - dann freut man sich. Aber für zwei Sängerinnen des Kalibers Merbeth/Kasarova war das die blanke Unterforderung. Was sollten die beiden denn da zeigen? Trotzdem war es gut, dass Asher Fisch nach dem Duett nicht abbrach, sondern die gesamte Traumpantomime spielte. Da kannte man dann gleich die ganze Oper.
Die Zugabe war bei der Besetzung unvermeidlich, aber auch gut gesungen: die Barcarolle aus Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen".