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Unfall: Er rettet Mann aus brennendem Auto


Autor: Susanne Will

Bad Bocklet, Dienstag, 27. März 2018

Tobias Freibott ist 21 Jahre alt und ohne Übertreibung ein Held. Oder hätten Sie einen Menschen aus einem brennenden Auto gezogen?
Tobias Freibott an der Stelle zwischen Steinach und Unterebersbach, an der der schlimme Unfall passierte. Wo der Asphalt sich dunkel verfärbt, stand das brennende Auto - mit einem eingeklemmten Menschen darin. Foto: Susanne Will


Seit er 14 Jahre alt ist, ist Tobias Freibott Feuerwehrmann. Der heute 21-Jährige hat schon bei diversen Unfällen und Bränden geholfen. Doch was er am vergangenen Sonntag erlebt hat, ist glücklicherweise selten. Und wie er gehandelt hat, leider auch. Ohne Rücksicht auf sein Leben hat er einen Mann (75) nach einem Unfall aus einem brennenden Auto gerettet.

Tobias Freibott ist das, was man einen Baum von einem Mann nennt. 1,96 Meter groß und stark. Er arbeitet bei Valeo Siemens, stellt dort Elektromotoren her. Privat steht er auf Fußball, weshalb er auch am Sonntag unterwegs war. Steinach gegen Stockheim, Kreisliga, es ging um etwas, sein Team, die Steinacher, gewannen mit 3:0. Gut gelaunt fuhr er mit einem Freund und seinem Hund zurück nach Nickersfelden, wo sein Elternhaus steht.


"Hoffentlich ist es nicht zu spät"

Zwischen Steinach und Unterebersbach geht es links nach Nickersfelden. Fast wäre er zuhause gewesen, da sah er die Katastrophe: Auf der Verbindungsstraße standen zwei Autos, völlig demoliert, Seite an Seite auf der linken Fahrbahn. Die Scheiben innen durchs Auslösen der Airbags beschlagen. Die Türen: zu. "Mir war klar, dass da noch Menschen drin sind. Aber ich wusste nicht, ob sie noch leben. Ich dachte nur: Hoffentlich ist es nicht zu spät."

Ab da funktionierte Tobias Freibott. "Mein Freund hielt an, das Auto rollte noch, ich bin rausgesprungen und hingerannt." Auf dem Weg zum Unfall schrie er in die Siri-Funktion des Handys nach einer Rettungsstellen-Verbindung. "Ich öffnete das erste Auto: Ein älterer Mann, eingeklemmt, bewusstlos." Im zweiten Auto, einem Golf Cabrio: "Ein junger Mann und eine junge Frau, auch beide bewusstlos." Er gab die nötigen Daten im Handy durch - und sah noch während des Telefonates, dass das Auto des Mannes - ein 75-Jähriger, wie sich später herausstellte - zu brennen begann. "Ich sagte, ich müsse jetzt auflegen, es brennt."


Der Mann musste aus dem Auto. Jetzt.

Mittlerweile hatten andere Autofahrer ebenfalls gehalten, Tobias rief nach einem Feuerlöscher, einer brachte ein Gerät. "Ich habe auf die Flammen gehalten, die aus dem Motorraum kamen. Doch innerhalb kürzester Zeit flammte das Feuer wieder auf." Für den 21-Jährigen war klar: Der Mann musste aus dem Auto. Und zwar jetzt.

"Er hatte die Augen geöffnet und schaute mich an, er stöhnte vor Schmerzen. Ich entschuldigte mich noch bei ihm, dass ich ihn jetzt anfassen muss", erzählt Tobias Freibott zwei Tage später. Der Mann war zwischen Armaturenbrett und Sitz eingeklemmt, "ich musste ihn erst drehen, um seine Beine zu befreien", doch es gelang. Wer schon jemals versucht hat, einen Schlafenden hochzuheben, weiß, welcher Kraftakt Tobias Freibott gelang. "Ich habe von der Anstrengung nichts gemerkt, ich war voller Adrenalin."


Weniger als 60 Sekunden: Das Auto brannte lichterloh

Tobias Freibott scheute sich nicht, seine Gesundheit oder gar sein Leben aufs Spiel zu setzen: Während die Flammen aus dem Motorraum schlugen, zog er den Mann aus dem Wrack. Er legte den Schwerverletzten vor dem Auto ab, wies Umstehende, unter denen ein Arzt war, an, sich um ihn zu kümmern und rannte zum anderen Auto. "Und da habe ich gewusst, wie knapp es war: Es dauerte nicht mal 60 Sekunden, da brannte der Ford des Mannes lichterloh, auch innen."
Doch Angst hatte Freibott jetzt immer noch nicht. Der junge Mann im anderen Auto war mittlerweile ansprechbar, "ich drehte den Sitz zurück und wollte ihm mehr Platz verschaffen". Doch als er bemerkte, dass die Hitze des brennenden Autos auch auf das nächste Wrack ausstrahlte, "und ich wusste doch nicht, ob die Flammen übergreifen", half er auch diesem Mann aus dem Wagen. Um die 17 Jahre alte und schwer verletzte Beifahrerin kümmerte sich dann die Feuerwehr - seine Kollegen aus Steinach waren in diesem Moment am Unfallort.

Tobias Freibott blieb noch überlegt genug, sich um seinen im Auto des Freundes tobenden Hund zu kümmern, dann ging er nach Unfallaufnahme und Zeugenaussage zu seinen Kameraden ins Feuerwehrhaus. "Ich habe mir eine Zigarette angezündet und da fragte mich Jens Endres, unser Kommandant, ob es mir gut gehe - denn meine Hände haben wie irre gezittert."
In der Nacht zum Montag habe er nicht geschlafen, erzählt er. Aber nicht wegen eines eventuellen Schocks: "Ich habe mich gefragt, wie es wohl dem Mann ging."
Der Zustand des Unfallopfers ist nach wie vor ernst. "Ich hoffe so, dass er den Unfall gut übersteht", sagt Freibott. Für ihn ist die schnelle Hilfe "überhaupt kein Thema. Ich möchte doch auch, dass mir jemand hilft, wenn ich mal in einer solchen Situation bin. Ich bin einfach nur glücklich, dass es geklappt hat und dass ich ihn aus dem Auto gebracht habe".
Nach wie vor unklar ist der Grund des Zusammenstoßes der beiden Autos. Die Polizei sucht noch nach weiteren Ersthelfern und Zeugen, sie möchten sich unter 0971/17490 melden - auch die Autofahrer, die die beiden Unfallbeteiligten vorher haben fahren sehen. Und auch Tobias Freibott hat zwei Wünsche: "Ich suche den Arzt, der sich um den alten Herren gekümmert hat - und ich wünsche mir, ich kann den Verletzten später einmal treffen, wenn es ihm wieder besser geht."
Und so berichtete "Brisant" auf ARD über den Unfall:
https://www.facebook.com/brisant/videos/1551832534915223/