Druckartikel: Umziehen - und dann?

Umziehen - und dann?


Autor: Klaus Werner

Bad Kissingen, Montag, 24. Februar 2014

Anita Schmitt und Elisabeth Müller haben einen monatlichen Neubürger-Stammtisch gegründet.
Elisabeth Müller (l.) und Anita Schmitt haben den Neubürger-Stammtisch gegründet. Sie haben seinerzeit auch ihre eigene Erfahrungen gemacht. Foto: Klaus Werner


Zu welchen Hausarzt kann ich gehen? Wo kann man gut essen? Es sind die alltäglichen Probleme, die einen umtreiben, wenn man in eine andere Stadt zieht, wenn man sich neu orientieren und einleben muss. Diese Thematik war für Anita Schmitt und Elisabeth Müller der Anlass, einen "Neubürger-Stammtisch" aus der Taufe zu heben.

So ganz neu ist diese Idee nicht, meint Anita Schmitt.

"Von 2000 bis 2007 gab es bereits einen Stammtisch für die Leute, die nach Bad Kissingen gezogen sind" - und da haben sich die beiden Frauen informiert und "das alte Netzwerk aktiviert". "Vernetzen ist mein Ding", meint Anita Schmitt bei der Begrüßung von rund 60 Personen, die mit einem "Namensschild" gekennzeichnet waren und sich in eine Liste eingetragen hatten. Als Neubürgerin kennt sie die Problematik, "auch wenn mir Bad Kissingen nicht fremd ist", und weiß, dass die Tipps nicht an der nächsten Hausecke warten, sondern dass man die Menschen zusammenbringen muss. Und dies geschieht am besten im Rahmen von Essen und Trinken, und deshalb war die Idee mit dem "Neubürger-Stammtisch" schnell geboren.

Eigene Erfahrungen gemacht

In Elisabeth Müller fand sie eine Partnerin, die vor 25 Jahren Neubürgerin war. "Mittlerweile komme ich zurecht", meint sie schmunzelnd. Als Chefin der Firma Laboklin sorgt sie mit ihrer Beschäftigungspolitik dafür, dass Bad Kissingen neue Bürger bekommt - meistens jüngere, "die aber genau die gleichen Probleme und Vorstellungen und Wünsche wie ältere haben". Müller zeigt sich von der Resonanz sehr angetan: "Mit 20 bis 30 Personen haben wir gerechnet. Dass es doppelt so viele sind, freut uns." Direkte Werbung haben sie dafür nicht betrieben - eine Pressemitteilung an die Zeitung und Facebook haben hierfür ausgereicht.

Auch Oberbürgermeister Kay Blankenburg hat den Weg vom "Besucher-Status zum Eingeborenen-Status" vor 25 Jahren beschritten, wie er in seinem Grußwort formulierte. Dies sei nicht leicht, und deswegen sei er den beiden Damen für die Initiative dankbar. Ein Stammtisch zeichne sich dadurch aus, dass man miteinander redet, dass man in Kontakt tritt. Und dieses Vorhaben werde die Stadt unterstützen, indem man den geplanten Termin - an jedem dritten Donnerstag im Monat - in die städtischen "Neubürger-Broschüre" aufnehmen wird.

Dabei sei die Idee gut, dass dieser Stammtisch immer in einem anderen Lokal stattfinden soll - egal ob Innenstadt oder Stadtteil. Das war auch eine der Anregungen, die Anita Schmitt und Dr. Elisabeth Müller aus dem Kreis mitnehmen wollten. Deshalb hatten sie einen kleinen Fragebogen erstellt, in dem u. a. gefragt wurde, welche Kissinger "Persönlichkeit" man jeweils einladen sollte oder welche sonstigen Aktivitäten wünschenswert wären oder welche Ideen man für die "Entwicklung einer Willkommenskultur" habe. So lautete auch die Bitte von Anita Schmitt: "Geben Sie uns Ihre Ideen mit. Vernetzten Sie sich mit anderen, die ein ähnliches Schicksal haben."

Auswertung der Fragebögen

Datenerhebung stand am Anfang der Initiative "Neubürger-Stammtisch". So zeigte die Auswertung der Fragebögen durch Anita Schmitt, dass die zukünftigen "Stammtischler" zwischen 2000 und 2013 nach Bad Kissingen gezogen sind. Als letzte Wohnorte waren Berlin, Bielefeld, Göttingen, Grainau, Bad Bentheim oder das bayrisch-hessische Umland genannt. Bei den Vorschlägen für die Lokalitäten war die Innenstadt genauso vertreten wie die Stadtteile. Als Gäste hätte man gerne Kurdirektor Frank Oette, Kulturreferent Peter Weidisch, Vertreter der lokalen Parteien, Michl Müller, Vertreter der Beiräte, die Rosenkönigin mit Fürst Rakoczy, Spielbankdirektorin Heidrun Vorndran und Personen, die über die Geschichte Kissingens berichten können, eingeladen. Anregungen für weitere Aktivitäten bezogen sich auf Tagesausflüge, Wanderungen, Besuche von Klaushof, Schloss Aschach und Spielbank, sportliche Aktivitäten wie Nordic Walking, Diskussionsrunden zu kulturellen oder lokalpolitischen Themen, Tanzkurse und Literaturkreise. Es gab Vorschläge für ein Mentor-System für Neubürger oder Mehrgenerationen-Wohnen.

In Amerika kennengelernt

"Wir kennen das aus Amerika", meinte das Ehepaar Angela und Werner Roth, "dort ist es gang und gebe, dass man sehr schnell von Firmen, Behörden und Nachbarn angesprochen wird." Die beiden sind seit August 2013 in Bad Kissingen, wohnen im Parkwohnstift und fanden die Idee eines "Neubürger-Stammtisches" hervorragend. Deshalb war es für das kontaktfreudige Paar keine Frage, an der "Gründungsversammlung" teilzunehmen. Zudem ist der dritte Donnerstag im Monat für die Zukunft fest eingeplant und auch die Ideen sprudeln, was man noch so alles in Bad Kissingen machen könnte. Als Wunschkandidat einen der nächsten Stammtische wurde von beiden Kurdirektor Frank Oette genannt, und für die Entwicklung der Stadt wäre eine Ansiedlung von "Garagen-Firmen" wichtig. So nennt Roth Software-Firmen, die mit Köpfchen und wenig Industriebauten Kreatives schaffen.

Dank ihrer Kontaktfreude war Familie Roth nicht alleine da, sondern hatte Lydia Wochnik und Wilfried Hesse dabei. Beide leben schon seit einigen Jahren in Bad Kissingen und betrachten die Stadt von der künstlerischen Seite. Für Lydia Wochnik ist die Stadt eine "Oase der Ruhe, in der ich alles finde, was ich suche". Am Anfang - so meint sie - war es schwierig, aber mittlerweile hat sie sich einen Bekanntenkreis aufgebaut, in dem sie sich wohlfühlt. Etwas kritischer betrachtet Wilfried Hesse die Stadt. Ihm ist der Abriss des Bewegungsbades ein Dorn im Auge, "denn daraus hätte man ein Kunsthaus machen können". Auch mit so manchem anderen - z. B. der Mangel an einer hochwertigen Hotellerie - ist er nicht zufrieden. Für beide gilt: "Wir wollen regelmäßig Gast des Neubürger-Stammtisches sein."