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Umfrage: USA zum Amtsantritt tief gespalten


Autor: Ralf Ruppert, Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Donnerstag, 19. Januar 2017

Viele Auswanderer aus dem Landkreis und US-Bürger, die hier wohnen, blicken mit Sorge auf Donald Trump, manche wollen ihm aber eine Chance geben.
In Washington herrscht heute Ausnahmezustand: Die ganze Stadt bereitet sich auf die Vereidigung von Donald Trump vor. Hier ein Blick auf die Nationalpromenade.  Foto: John Minchillo/AP/dpa


Bereits am Tag nach der Wahl hat die Redaktion Stimmen zu Donald Trump gesammelt. Nun haben wir zu seinem Amtsantritt gezielt Menschen gefragt, die entweder aus dem Landkreis Bad Kissingen stammen und in den USA wohnen oder umgekehrt. Trump-Befürworterin haben wir dabei nur eine gefunden: "Trump ist genau, was America braucht", sagt Edeltraud Dunkle, die aus Obereschenbach stammt und seit 1996 in den USA wohnt, in Phenix City, Alabama.
Wenig Gutes erwartet dagegen Domingus Lee von Trump: "Unser Land ist immer noch geteilt, Obama hat die Lücke etwas kleiner gemacht, aber Trump ist sehr aggressiv und macht schlechte Stimmung", sagt der 54-Jährige. Genau 31 Jahre und fünf Monate lang war er US-Soldat, davon 26 Jahre in Deutschland stationiert. 1985 heiratete er seine Frau Ursula, sie haben drei Söhne. Seit 2013 ist er in Ruhestand, wohnt derzeit in Sulzthal. Über den Jahreswechsel reiste das Paar in seine Geburtsstadt San Francisco. "Es gibt immer noch viel versteckten Rassismus in den USA", erzählt er.


"Obama hat ein gutes Charisma"

"Alte weiße Männer" wie Donald Trump habe es schon immer in der US-Politik gegeben, umso wichtiger sei die Präsidentschaft Obamas gewesen: "Er hat ein gutes Charisma, er hat sich hoch gearbeitet, kennt die Probleme der Menschen, Obama hat den Menschen eine Plattform gegeben." Zudem habe er die Länder der Welt aufeinander zugeführt. Trump sei das genaue Gegenteil: "Er wird vielleicht den Dollar erst einmal stärken, aber er wird die USA abgrenzen", befürchtet Lee.
"Ich werde Obama vermissen als integren, intelligenten Menschen", sagt seine Frau Ursula Lee. Er habe für Bildung, Umwelt- und Energiepolitik gestanden, auch wenn vieles boykottiert worden sei. "Trump macht mir und vielen meiner Kollegen Angst", sagt die Sulzthalerin. Er sei narzisstisch, habe keine politische Erfahrung. "Ich hoffe, dass er seine radikale Politik nicht durchsetzen kann." Allerdings würden sich viele auch von ihm einen wirtschaftlichen Aufschwung erhoffen. Ursula Lee ist für den Umweltschutz auf US-Stützpunkten zuständig. Deshalb befürchtet sie, dass Trump den Umweltschutz zurückdrehe und Zahlungen an das UN-Klimaschutzprogramm stoppt. "Ein Alptraum."


Lage "gar nicht so schlecht"

Auch Alexandra Bolloch ist kein Trump-Fan. Seit zehn Jahren lebt die Amerikanerin in Deutschland. Der Liebe wegen zog sie nach Aura, wo sie mit ihrem Mann und den Kindern wohnt. Was in ihrem Heimatland passiert, beunruhige sie. Alexandra Bolloch hält die Situation und die wirtschaftliche Lage der USA für "gar nicht so schlecht" wie Trump sie darstelle. Das könne sich aber bald ändern: "Was gerade ganz gut läuft, könnte durch ihn ins Wanken geraten." Er verunsichere die Akteure der Weltwirtschaft durch seine Aussagen: "Auf seine Twitter-Kommentare reagiert der Markt." Sie macht sich Sorgen, dass große Konzerne profitieren und der Naturschutz auf der Strecke bleibt. "Jobs, Jobs, Jobs will er schaffen, aber unter welchen Bedingungen?!"


"Man kann ihm nicht glauben"

Einmal im Jahr fliegen die Bollochs in die USA, besuchen Freunde und Familie. Schon vor der Wahl habe sie Donald Trump nicht ernst genommen. "Trump ist wie ein Kleinkind, das seinen Sturkopf durchsetzen will." Sie ist gespannt auf seine erste Rede als Präsident und hofft, dass er ehrlich ist und niemanden angreift. Die jüngste Vergangenheit hat allerdings ein anderes Bild gezeichnet. "Man kann ihm nicht glauben. Er ändert ständig seine Ansichten. Ich finde ihn als Typ unverschämt." Dass es überhaupt so ein "extremer Kandidat" geworden ist, liege daran, dass es kaum noch ein Mittelmaß gibt, meint Alexandra Bolloch. Und wenn doch, fallen diese Kandidaten hinten runter. "Was extrem und dramatisch ist, verkauft sich." Wie sich die USA unter Trump entwickeln? "Ich habe wenig Hoffnung, dass daraus etwas Gutes wird. Aber: Heutzutage entsteht durch die Medien und die Öffentlichkeit viel Kontrolle."


"Unangenehme Situation"

"Leider muss ich sagen, das ich nicht überrascht war, dass Trump gewonnen hat", sagt Susanne Cundiff, geborene Mann. Die 50-Jährige wanderte vor 27 Jahren aus Münnerstadt in die USA aus. Viele ihrer Bekannten hätten eine Botschaft an die etablierten Politiker senden wollen - ohne dass sie wirklich an den Sieg Trumps glaubten. "Normalerweise beruhigt sich die Stimmung, nachdem die Wahl abgeschlossen ist, Leute krempeln die Ärmel hoch und stellen sich hinter den neuen Präsidenten - nicht so dieses Mal", beschreibt Susanne Cundiff die aktuelle Stimmung.
"Viel Republikaner frohlocken und viele Demokraten erwarten den Untergang. Die übrigen erwarten eine Reality Show von unglaublicher Dimension, während sie auf einen glimpflichen Ausgang hoffen." Es sei aktuell besser, nicht zu sehr auf Politik einzugehen, weil Beziehungen auseinandergebrochen sind und noch zerbrechen: "Ich muss schon sagen, dass ich so eine unangenehme Situation nach der Wahl noch nicht erlebt habe", sagt Susanne Cundiff.
"Seit dem Wahlen gibt es sehr viele Proteste in der Stadt gegen Trump", berichtet Carolin Valentin, geborene Beck, die in der Nähe von New York wohnt. Die 34-Jährige stammt aus Haard, lernte 2003 ihren Mann kennen, der in Schweinfurt stationiert war, und lebt seit 2005 in den USA. 2009 haben beide geheiratet, ihr Mann ist mittlerweile Polizist in New York.


"In vielen Diongen hat er Recht"

"Die Stimmung ist geteilt", sagt auch Carolin Valentin. Trump sei "nicht so fein geschliffen ist wie Obama": "Er sagt halt gerade heraus, was er denkt. In vielen Dingen hat er Recht und die Medien stellen ihn leider schlecht hin. Ich hoffe auf das Beste", sagt die 34-Jährige, die auch Kritik an der Flüchtlingspolitik Merkels übt. Auch wenn sie Obama vermissen werde wegen seiner tollen Familie und seines Einsatzes für die Schwachen: "Zum jetzigen Zeitpunkt sollte man Trump eine Chance geben", betont Carolin Valentin.
"Die Stimmung ist sehr gespalten", berichtet auch Dominik Metzler, der aus Ramsthal stammt und seit sechs Jahren in den USA lebt. Bis zu diesen Wahlen habe er sich nicht sehr viel mit amerikanischer Politik auseinander gesetzt, da er als Visa-Halter ohnehin nicht wählen darf. Das habe sich seit der Wahl Trumps geändert. Die eine politische Seite könne es nach wie vor kaum fassen, dass jemand wie Trump tatsächlich gewählt worden ist. Die andere Seite erwarte viel vom Republikanischen Senat und Präsidenten. Allerdings kenne er in seinem persönlichen Umfeld fast keine Trump-Wähler. Überrascht ist Metzler, dass es zum Teil bereits ein böses Erwachen gebe, weil etwa die von Obama eingeführte Krankenversicherung abgeschafft werden könnte: "Ich verstehe nicht, wieso man erschüttert ist, dass Trump doch tatsächlich seine Wahlversprechen durchsetzten will."
"Anfangs war ich begeistert von der kulturellen Vielfältigkeit und dem höflichen und wohlwollendem Umgang der Amerikaner untereinander. Als dann nach den Vorwahlen die Präsidentschaftskandidaten feststanden, passte das gar nicht ins Bild", berichtet eine 30-Jährige aus dem Alt-Landkreis Hammelburg, die seit gut einem Jahr in den USA lebt und nicht namentlich genannt werden möchte. Und: "Der Ausgang der Wahl ist für mich immer noch unbegreiflich."
Die meisten ihrer Freunde kommen aus dem Ausland, zahlen in den USA ihre Steuern, durften aber nicht wählen. "Zugegebenermaßen ist es mir nach Trumps herablassenden Äußerungen, auch über uns Deutsche, schwer gefallen zur Tagesordnung überzugehen. Willkommen fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr." Für Deutschland wünscht sie sich, dass bei den Wahlen "weder Hasss noch Egoismus siegen".