Übrig blieb ein Haufen Schutt
Autor: Thomas Mäuser
Bad Kissingen, Freitag, 27. Februar 2015
Der ehemalige Bad Kissinger Kurdirektor Walter Rundler erinnert sich an den Bau des nun abgerissenen Kurgastzentrums. Im Dezember 1975 bezog die Kurverwaltung ihr 15 Millionen Mark teures neues Domizil.
Inzwischen ist fast nichts mehr vom Kurgastzentrum übrig. Die Abrissbagger haben ganze Arbeit geleistet. Im Dezember 1975, als das Kurgastzentrum offiziell in Betrieb ging, hätte sich niemand vorstellen können, dass das damals hochmoderne Gebäude 40 Jahre später dem Erdboden gleichgemacht würde. "Das neue Kurgastzentrum war ein Quantensprung", erinnert sich Walter Rundler.
Ein Quantensprung sowohl für die Kurverwaltung, als auch für Bad Kis singen und seine Gäste.
Bis zum Umzug in den Neubau war die Kurverwaltung im Regentenbau untergebracht. Im 2. Stock, über den Räumen des Kurvereins. "Nicht wenige Kurgäste haben damals gemeckert, wenn sie treppauf mussten, um ihre Kurkarte zu holen", sagt Walter Rundler. Auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter waren alles andere als optimal, es herrschte erheblicher Platzmangel. Selbst der Freistaat hat damals festgestellt, dass es so nicht weitergehen kann. Es musste ein Neubau her.
Unterstützer
Anfang der 1970er Jahre war es noch nicht lange her, dass Walter Rundler vom Finanzministerium in München nach Bad Kissingen zurückgekehrt war. "Ich hatte im Ministerium noch gute Beziehungen, das hat sicher auch ein bisschen mitgeholfen", sagt er heute. Dazu kam auch die ideelle Unterstützung durch die Stadt Bad Kissin gen und ihren damaligen Oberbürgermeister Dr. Hans Weiß. "Da hast du gewusst, der fährt nach München und tut was." Als Standort für den Neubau bot sich das brachliegende Areal zwischen Kurhaushotel und dem Rottmannshaus an. "Es war zentral gelegen", sagt Rundler. Direkt neben Bad Kissingens bedeutendstem Hotel und dem Kurgarten mit Wandelhalle und Arkadenbau.
Das Maxwasser blieb weg
Doch diese exponierte Lage hatte auch Nachteile. "Als der Grundwasserspiegel für den Bau der Tiefgarage abgesenkt wurde, blieb auf einmal das Maxwasser weg", sagt Peter Glatt, Sohn des damaligen Statikers Kurt Glatt. Erst als die Pumpen abgestellt worden waren, folgte die Erleichterung: Der Maxbrunnen begann wieder zu sprudeln.
Zu den Anforderungen an das neue Kurgastzentrum gehörten ausreichend Büroräume für die Mitarbeiter der Kurverwaltung und eine repräsentative Schalterhalle. Auch das Archiv der Kurverwaltung mit Unterlagen, die zum Teil aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg stammten, hatte nun genügend Platz. Damit zum Kurgarten hin nicht der Eindruck eines reinen Bürogebäudes entstand, hatten die Planer eine Geschäftszeile vorgesehen, Arztpraxen wurden eingerichtet. Aber auch das Steigenberger Kurhaushotel profitierte von dem Neubau. "Ohne Schwimmbad sei ein gutes Hotel nicht zu führen", hieß es laut Walter Rundler damals. Also entstanden auf Staatskosten das Hotel-Schwimmbad mit Saunabereich und das Restaurant "Kissinger Stüble." Dazu kam die Tiefgarage mit 95 Stellplätzen.
Auch Steigenberger profitierte
Zu dieser Zeit herrschten noch optimale Beziehungen zwischen der Hoteliersfamilie Steigenberger und dem Freistaat als Verpächter des Kurhaushotels. In all diesen Jahren hat auch der Hotelkonzern regelmäßig viel Geld in das Hotel investiert. Gelobt wurde nach der Fertigstellung des Kurgastzentrums der Innenhof, den die Saale-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 28. November 1975 gar als "Schmuckhof" bezeichnete. Darin ein Brunnen des Schweinfurter Künstlers Gustl Kirchner. Kirchner hatte einen vom Staat ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Anders die Fassade. Die dunkle Alu-Verblendung war nicht jedermanns Geschmack. Sogar der damalige Finanz-Staatssekretär Albert Meyer soll sich lustig gemacht haben: "Das ist ja schwärzer als die CSU."
Oberste Baubehörde hat es abgesegnet
"Gefallen hat's mir nicht so recht, aber ich habe damals nichts gesagt", gesteht auch Rundler heute ein: "Doch die Oberste Baubehörde hatte es abgesegnet, und ich war froh, dass etwas gebaut worden war." Und jene Kissinger, denen die dunkle Alu-Fassade ebenfalls nicht gefiel, verwies Walter Rundler auf die Bayerische Vereinsbank, die etwas ähnliches hingestellt hatte. "Was wollt ihr denn, das ist modern", erwiderte Rundler den Kritikern.
Grundsteinlegung für das Kurgastzentrum war am 20. Oktober 1972. In den Monaten März/ April 1973 folgte der Erdaushub, die eigentlichen Bauarbeiten begannen im Juni 1973. Bereits im September des selben Jahres war die wasserdichte Betonwanne für die Tiefgarage fertig. Die Rohbauarbeiten gingen im April 1974 zu Ende. Zum 1. Mai 1974 konnten die Geschäfte bezogen werden, Schwimmbad und Sauna wurden vom Kurhaushotel in Betrieb genommen. Das "Kissinger Stüble" eröffnete am 1. Oktober 1975, die Kurverwaltung bezog ihr neues Domizil am 1. Dezember 1975. In der Schalterhalle fanden Information, Zimmernachweis, Meldestelle, Konzert- und Theaterkassen, Bäderkassen und das ABR-Reisebüro Platz. Später hatte auch die Deutsche Bundesbahn einen Schalter mit Beratung und Fahrkartenverkauf.
Nur die Tiefgarage bleibt
Gekostet hat der Neubau mit 42 000 Kubikmetern umbautem Raum 15 Millionen Mark. Entstanden sind die Baupläne für das Kurgastzentrum übrigens in bayerischen Amtsstuben, dem Landbauamt, dem auch der damalige Bauleiter Beyrichen angehörte. Zusammen mit dem Hauptgebäude des Kurhaushotels musste nun auch das Kurgastzentrum weichen. Das 40 Jahre alte Gebäude befand sich ohnedies nicht mehr in bestem Zustand. Außerdem will der Freistaat einem potenziellen Investor ein genügend großes freies Areal für einen Neubau bereitstellen. Bleiben wird nur die Tiefgarage.
Walter Rundler hat gerne im Kurgastzentrum gearbeitet. "Es tut weh, wenn ein Teil des Lebens abgerissen wird", sagt er. Stand doch das Kurgastzentrum auch politisch oft im Mittelpunkt. Rundler war 21 Jahre Vorsitzender des Bayerischen Heilbäderverbandes und acht Jahre Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes im Deutschen Heilbäderverband. Verbandspolitik wurde in Bad Kissingen gemacht.
Wie kann man sowas machen?
Richtig ärgern kann sich Walter Rundler aber über den Abbruch des Kurhaushotels. "Wie kann man so etwas abreißen, ohne zu wissen, wer hier neu baut, ohne zu wissen was nachher passiert. Die Politik vor Ort hätte das nicht zulassen dürfen."