Üben, was nicht im Handbuch steht
Autor: Peter Rauch
Bad Kissingen, Montag, 14. Sept. 2015
Die Jugendlichen haben gezeigt, dass sie auch in außergewöhnlichen Situationen wissen, wie sie reagieren müssen. Die Veranstaltung, die die Bad Kissinger initiiert haben, wird inzwischen auch andernorts organisiert.
Eine ruhige Nacht hatten sie nicht gerade, die Jugendlichen der Feuerwehren aus Garitz, Hausen, Kleinbrach, Reiterswiesen, Winkels, der Kernstadt und aus Oberthulba. Denn für sie stand der Berufsfeuerwehrtag an. Sie übernachteten in den Gerätehäusern und mussten etliche Aufgaben bewältigen.
So muss von allen Jugendgruppen ein "Schadens-Parcours" durchlaufen werden, wobei eine Alarmauslösung durch eine Brandmeldeanlage (Berufsschulturnhalle Garitz) noch
zu den Standardaufgaben jeder Wehr zählt. Aber schon beim Container- und Garagenbrand (Kläranlage sowie Übungshaus im Heiligenfeld) ging es wirklich heiß her. Die Szenarien waren überall so aufgebaut, wie sie auch real vorkommen können.
Da ist etwa beim Garagenbrand der Tanklöscher bereits leer, der Hydrant gibt nicht genügend Wasser, so dass ein privater Swimming-Pool angezapft werden muss. Dummerweise liegt der 200 Meter von der Brandstelle entfernt. Oder beim Tiefbauunfall: Da ist genügend Wasser da, eigentlich sogar zuviel, denn ein eingeklemmter Arbeiter in einer Grube droht zu ertrinken. So muss nach Absicherung der Grubenwände die eine Hälfte der Gruppe den Schein-Verletzten befreien und bergen, die andere Gruppe versuchen das Wasser mit der mitgeführten Kellersaugpumpe aus dem Schacht zu bekommen, oder soll man doch erst versuchen, den Wassereinbruch zu stoppen?
Manchmal tut's ein Eimer Wasser
Das sind Szenarien, die so nicht im Feuerwehr-Lehrbuch stehen, die aber fast täglich bei den Feuerwehren vorkommen. Beispielsweise der gestellte Verkehrsunfall in Arnshausen, wo ein Rollerfahrer mit einem Pkw kollidiert. Während der Rollerfahrer verletzt auf der Straße liegen bleibt, wird der Autofahrer aus seinem Fahrzeug geschleudert und kommt unter diesem zum Teil im Wasser des
Anbachs zum Liegen. Zu allem Übel fangen Roller und Auto auch noch zu qualmen und leicht zu brennen an. "Wenn da sowieso schon ein wasserführender Bach ist, brauche ich bei einem Entstehungsbrand nicht gleich die große technische Kiste zu öffnen", erklärt Sebastian Seuffert den Jugendlichen und den beiden Gruppenführern und dem Maschinisten.
"In dem Fall hätte ein Eimer Wasser voll genügt, das ist schneller und man kann sich dann auch früher um die Bergung des eingeklemmten Fahrers kümmern", erklärt der Gruppenführer der Kissinger Wehr, der diese Station betreut. Ausgearbeitet haben die Übung und das gesamte Szenario für die mehr als 50 Jugendlichen die drei Hauptorganisatoren Philipp Nosko, Andreas Kröber und Marco Albert, die von der Kissinger Feuerwehrwache aus auch die Einsatzbefehle an die jeweiligen Feuerwehren geben.
In der Regel würde das die Integrierte Rettungsleitstelle in Schweinfurt machen, aber nachdem 36 "Einsätze" zwischen 6.30 Uhr und 22.30 Uhr im Halbstundentakt abzuarbeiten sind, übernahm diesem Part die Kissinger Feuerwache auf einem speziellen Funkkanal, um die übrigen Einsatzkräfte auf keinen Fall zu stören.
Grillfest und Absprache
Damit die Kameradschaft zwischen den einzelnen Jugendfeuerwehrgruppen nicht zu kurz kam, fand am Samstagabend ein gemeinsames Grillfest bei der Feuerwehr Oberthulba statt. Begrüßung und Schluß-Absprache des "Berufsfeuerwehrtages für die Jugendfeuerwehren" war in der Kissinger Feuerwache.
Worauf gerade die Bad Kissinger sehr stolz sind: Ihre "Erfindung", der Berufsfeuerwehrtag wird inzwischen bei vielen Freiwilligen Wehren, die aktiv in der Jugendarbeit tätig sind, nachgeahmt, so dass viele Feuerwehrjugendliche weit mehr als nur nach dem Handbuch üben. "Bei solchen Übungen können wir real arbeiten", sagt Bad Kissingens Kommandant und Kreisbrandinspektor, Harald Albert. Kreisbrandmeister Steffen Kiesel, der bei den Übungen ebenfalls zuschaute, konnte dem nur beipflichten.