TTIP-Ängste bleiben auch in Bad Kissingen hartnäckig
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Sonntag, 25. Oktober 2015
Das Freihandelsabkommen TTIP erregt die Gemüter: Die Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaft der CSU hat das Thema mit einer Expertenrunde im Sparkassenpavillon aufgerollt. Bei den Zuhörern ließ sich das Unbehagen nicht ausräumen.
Das Freihandelsabkommen TTIP mit den Vereinigten Staaten wird emotional diskutiert, von Befürwortern wie auch Kritikern. "Wir laufen Gefahr, gegenüber aufkommenden Wirtschaftsmächten, wie dem asiatischen Raum und China, zurückzufallen", warnte Corina Jantke. Die Wissenschaftlerin leitet das Projekt Ressourcenökonomie an der TUM Weihenstephan. Sie erläuterte, dass asiatische Staaten sich dynamisch mit hoher Wettbewerbsfähigkeit entwickeln.
Die USA stehe uns als strategischer Partner näher, wir stärken mit einem Abkommen auch die EU und sichern uns gegen Wettbewerb aus Fernost ab. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat zum Beispiel auch die Schweiz mit China ein Freihandelsabkommen getroffen, stellte die Lehrstuhlinhaberin fest.
Wenig Agrarexporte in die USA
Die Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaft der CSU (AGL) und die Mittelstands-Union hatte eine
Expertenrunde in den Sparkassenpavillon geladen, um die TTIP-Verhandlungen näher zu beleuchten. Jantke trug ihre Forschungsergebnisse zu den in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Problemfeldern vor. Sie führte aus, dass es bereits über 100 solcher Abkommen mit verschiedenen Ländern gibt mit dem Ziel, Handelshemmnisse zu beseitigen.
Aufgrund der Größe der Handelszone - die EU verhandelt mit USA, Japan, Mexiko, Australien und acht weiteren Ländern - stehe TTIP im Fokus der Öffentlichkeit. Jantke stellte den Befürchtungen die Untersuchungen ihres Hauses entgegen. Wegen der Exportabhängigkeit Deutschlands sei es notwendig, Handelsbarrieren abzubauen und Zölle abzuschaffen. "Wir wollen zwar unsere Standards erhalten, aber ein pauschales Nein verspielt Chancen", sagte sie. Dazu hatte sie anschauliche Beispiele parat, die sie bis auf den Landkreis herunterbrechen konnte. Dass landwirtschaftliche Produkte insgesamt nur zwei Prozent zum Export in die USA beitragen, hat die anwesenden Landwirte zwar überrascht, aber nicht wirklich beruhigt.
Kurt Treumann von der IHK betonte, dass das Abkommen zu Recht solche Aufmerksamkeit erfährt, hat es doch langfristig Auswirkungen auf 800 Millionen Menschen. "Es geht darum, Regeln und Vorschriften so zu gestalten, dass sie besser zusammenpassen", begründete er. Er zeigte Verständnis für die Ängste der Bevölkerung, betonte aber, dass das Wirtschaftswachstum belebt, die Arbeitslosigkeit gesenkt und das Durchschnittseinkommen erhöht werden soll.
Exportabhängigkeit Deutschlands
Auch die übrigen Teilnehmer des Podiums bemühten sich, die positiven Effekte
des geplanten Abkommens zu verdeutlichen. So sah der Landtagsabgeordnete Sandro Kirchner (CSU) einen Zusammenhang des für die Landwirtschaft so beunruhigenden Milchpreisverfalls mit dem Wegbrechen des russischen Marktes aufgrund der EU-Sanktionen sowie der derzeitigen wirtschaftlichen Schwäche Chinas. "Deutschland ist als Exportnation auf offene Märkte angewiesen", meinte Kirchner.
Stefan Köhler, stellvertretender Bezirkspräsident des Bayeri schen Bauernverbandes (BBV) sieht "Chancen für landwirtschaftliche Qualitätsprodukte aus Bayern". Er machte aber deutlich, "dass unsere Standards gehalten werden müssen". Die Argumente konnten einige Besucher, vor allem die anwesenden Landwirte aus Unterfranken, nicht überzeugen. Das Publikum erinnert an die Anti-TTIP-Demo vor 14 Tagen in Berlin. Bei einer der größten Demonstrationen der Nachkriegszeit gingen 200 000 Menschen gegen das Freihandelsabkommen auf die Straße. Andreas Röder aus Ebenhausen befürchtete, "dass nur große Unternehmer davon profitieren".
Widerwille im Publikum
Das Unbehagen war auch bei Armin Zehner aus Oberschwarzach groß. Zum einen, weil die Verhandlungen geheim geführt werden und "weil
Datenschutz, europäische Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelstandards aufgeweicht werden könnten". Katharina Waldherr stand gentechnikveränderten Lebensmitteln skeptisch gegenüber und hatte Angst, dass die Macht der Großkonzerne ausgeweitet werden. Georg Nöth aus Gramschatz befürchtete "das Einknicken der Politik gegenüber einer weltweiten Handelslobby". Sandro Kirchner erinnerte, dass auch bei der EU-Osterweiterung vorher viele Befürchtungen laut wurden, die sich im Nachhinein nicht bestätigt hatten. Er betonte, "dass es um Bürokratieabbau und nicht um Demokratieabbau geht".