Druckartikel: "Trauer ist keine Krankheit." - Aber was machen, wenn die Seele weint?

"Trauer ist keine Krankheit." - Aber was machen, wenn die Seele weint?


Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz

Bad Kissingen, Freitag, 14. Oktober 2022

Der Hospizverein Bad Kissingen bildet eine neue offene Gruppe. Jede und jeder Trauernde kann kommen, um sich auszutauschen und sich gegenseitig in dieser schweren Zeit zu begleiten. Ein Gespräch mit den Trauerbegleiterinnen.
Trauer hat verschiedene Gesichter: Mal ist da nur der Verlust, mal auch Freude über die Vergangenheit. Das Bild zeigt die  ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen Claudia Scheurer (links) und Christine Brandt in den Räumen des Hospizvereins Bad Kissingen.


Jeder Tod ist anders. Jede Trauer ist anders. Jeder spürt den Verlust eines geliebten Menschen auf seine eigene Weise. Dennoch kommen Muster vor, die sich ähneln: Wenn die Tage dunkler werden, es kalt wird und es langsam auf Weihnachten zugeht, beginnt für Trauernde oft eine schwere Zeit.

Die ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen Christine Brandt und Claudia Scheurer haben sich diese Zeit bewusst ausgesucht. Für sie ist es die Zeit, einen neuen offenen Trauertreff in Bad Kissingen zu begleiten.

Offen heißt er, weil jeder kommen kann. Jedes Alter, jedes Geschlecht. Man muss nicht aus Bad Kissingen kommen und auch nicht im Hospizverein Mitglied sein. Der erlittene Verlust kann frisch oder lange her sein.

Trauerzeit

"Wenn zwei Jahre nach dem Verlust vergangen sind, ist das bei Trauer keine Zeit", sagt Christine Brandt. Manche Menschen trügen den Anspruch in sich, "nach so viel Zeit müsste es vorbei sein, das müsste ich doch überwunden haben."

Dabei lasse sich der Trauerprozess nicht in ein strenges Korsett zwängen, wie dies in mancher Literatur für Trauernde gemacht wird. Die beiden Trauerbegleiterinnen teilen die Trauer nicht in Phasen ein, sagen sie, um dann den Trauernden zu sagen: "Du bist jetzt in Phase 2 und mit uns kommst du in Phase 4."

Geschützter Raum

Was sie stattdessen wollen, ist es, den Trauernden einen geschützten Raum zu bieten. Einen Raum für die Emotionen, mit denen Trauernde ihr Umfeld nicht belasten wollen. Einen Raum, um Erlebnisse zu erzählen. Einen Raum, um die innere Not zu durchleben, aber auch um andere Blickwinkel einzunehmen.

"Da ist oft Ärger, Wut, Schuld", sagt Scheurer. "Schuld ist bei fast allen ein Teil des Trauerprozesses. Wir versuchen den Trauernden zu helfen, darauf eine Antwort zu finden."

Corona hat Spuren hinterlassen

Gerade Corona hat auch Spuren in der Seele hinterlassen: Manche Menschen seien vom Abschiednehmen in der Coronazeit traumatisiert, weil sie Sterbende nicht sehen durften, um sich zu verabschieden. Corona habe das Abschiednehmen erschwert, auch weil man sich nicht so leicht Trost spenden konnte, indem man einander in die Arme nahm, sagt Brandt.

Und: Während Corona seien mehr Leute gestorben, der Bedarf nach Trauerbegleitung sei dementsprechend auch höher. Der Tod von Angehörigen konfrontiert Menschen auch mit ihrer eigenen Vergänglichkeit. Das kann Angst machen. "Eine Gemeinschaft ist hilfreich", sagt Brandt.

"Es gibt auch Menschen, die Sehnsucht nach Leben haben", ergänzt Rita Hillenbrand, eine der Koordinatorin des Hospizvereins.

Der Schritt zum Trauertreff könne ein kleiner Schritt in diese Richtung sein, indem man neue Kontakte aufbaue. Denn oft ist es so, dass Angehörige beim Verlust eines Menschen nicht nur diesen verlieren, sondern auch etablierte Strukturen. Viele Trauernde machen die Erfahrung, dass sich die Sozialkontakte ändern. "Etwa wenn man sich immer als Paar mit seiner Clique getroffen hat und sich nach dem Tod nicht mehr erwünscht fühlt oder das Zahlenverhältnis nicht mehr aufgeht", nennt Scheurer ein Beispiel.

Was erwartet Trauernde?

Eine der obersten Regeln ist die Schweigepflicht. "Das was hier gesprochen wird bleibt hier", sagt Christine Brandt. Claudia Scheurer ergänzt: "Das gilt auch, wenn man sich zufällig am Marktplatz trifft."

Besonders wichtig sei diese Regel, wenn eine dritte unbeteiligte Person dabei sei. Die beiden Trauerbegleiterinnen raten: Trifft man jemanden, den man vom Trauertreff kennt, zufällig in der Stadt, sollte nicht über die Trauer gesprochen werden. Es sei denn, beide Seiten zeigen die Bereitschaft, dass dies okay ist und das Gespräch in einem geschützten Rahmen stattfindet. Der Trauertreff findet immer am dritten Donnerstag des Monats um 18 Uhr in den Räumen des Hospizvereins statt.

Jeden dritten Donnerstag

Einen genauen Plan, wie jedes Treffen ablaufen wird, haben sich die beiden Frauen nicht gemacht. Sie geben lediglich Impulse, aus denen sich dann Gespräche entwickeln können. Gesprochen wird zum Beispiel über Erinnerungen an die verstorbene Person oder darüber, wie die Bestattung erlebt wurde.

Wichtig ist den beiden Trauerbegleiterinnen Offenheit für die Trauernden und ihre Bedürfnisse. Thematisch aber auch emotional. "Sie dürfen weinen, sie dürfen lachen, sie müssen sich nicht verstellen." Bei Bedarf könnten individuelle Trauerbegleitungen angeboten werden.

Hospizverein, Christian-Presl-Stiftung, Malteser

Neben dem Hospizverein (Tel. 0971/ 785 88 56) bieten auch die Malteser (Tel. 0971/724 694 22) und die Christian-Presl-Stiftung (Tel. 0971/699 190 70) Hilfe im Trauerfall an.

"Wir haben auch eine offene Trauergruppe. Sie richtet sich aber speziell an Frauen, die ihren Lebenspartner verloren haben", sagt Cornelia Weber von der Christian Presl-Stiftung. Die Gruppe trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat zwischen 15 und 17 Uhr. Um Anmeldung wird gebeten.