Testlauf für Bad Kissinger Bringmit-App
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Donnerstag, 24. November 2016
Eine neue App vermittelt das Mitbringen von Lebensmitteln im ländlichen Raum. Der Landkreis als Modellregion freut sich über solche Initiativen.
Die Kinder leben in der Großstadt, das Wohnumfeld wird durch Umzüge anonymer, die Busverbindungen sind schlecht, der Dorfladen hat längst geschlossen: Aus vielen Gründen ist die Versorgung mit den Dingen des täglichen Lebens auf dem Land schwieriger geworden. Die Bad Kissinger Agentur "EMZukunft" hat mit Hilfe eines Innovationsgutscheines deshalb die "Bringmit"-App entwickelt, die für Abhilfe sorgen soll: Interessierte können darin ihre Wünsche äußern, wer gerade unterwegs ist oder eh' noch in den Supermarkt fährt, bringt die Produkte einfach mit. Den Rest regeln Besteller und Lieferer direkt untereinander.
Keine Konkurrenz zu Dorfladen
"Da wird Daseinsvorsorge neu gedacht", freut sich Kreis-Wirtschaftsförderer Jürgen Metz über das neue Projekt. Deshalb passe es gut in den Landkreis, der aktuell als eine von bundesweit 18 Modellregion die "Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität im ländlichen Raum" untersucht. Die Idee zur App ist bereits vorher entstanden: "Bei uns darf man auch einfach mal was wagen", sagt Mit-Geschäftsführer Thorsten Ziegler über die Firmen-Philosophie. Also legte Software-Entwickler Andreas May einfach mal los: Beide, Ziegler und May, stammen aus Premich. In dem Burkardrother Gemeindeteil gibt es seit Jahren die Forderung nach einem neuen Dorfladen, weil die Premicher für jede Kleinigkeit lange Wege zurücklegen müssen. Die Diskussion über die App sei aber parallel entstanden, sie sei keine Konkurrenz zu einem möglichen Laden: "Es könnte ja auch der Betreiber des Ladens den Auftrag übernehmen", nennt Ziegler als Beispiel.
Erster Testlauf in Premich
Im Februar gab es bereits einen vierwöchigen Probelauf, der zunächst auf Premich begrenzt blieb. 140 Nutzer installierten die App, aber aktiv beteiligte sich niemand. "Auf dem Dorf will einfach nicht jeder völlig offen legen, was er gerade braucht", fasst Andreas May die Rückmeldungen nach dem Test zusammen. Zudem wollten die Nutzer mitbestimmen, wer mit den Waren vor der Haustür steht. "Deshalb haben wir die App neu programmiert, unter anderem gibt es jetzt eine Gruppen-Funktion wie bei Whattsapp", sagt May. Die Nutzer können also einschränken, wer genau ihre "Bestellung" sieht.Die überarbeitete Bringmit-App steht jetzt als Android- und iPhone-Version allgemein verfügbar im App-Store. Und das Interesse ist groß: "Mit dem Thema kommt man überall gut an", berichtet Ziegler: Über einen Innovationsgutschein gab es 12 500 Euro vom Freistaat, Kommunen unterstützen die Idee, aus der Wirtschaft gibt es bereits Anfragen, weil darüber auch Supermärkte ihren Lieferservice organisieren könnten. Die Grundidee sei zwar die Nachbarschaftshilfe, aber: "Was Besteller und Lieferer zusätzlich vereinbaren, ist ja völlig offen", sagt Thorsten Ziegler.
Aktuell testet Camilla van Veen die neue App im Rahmen einer Bachelorarbeit auf Herz und Nieren: Sie studiert Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Gemeinsam mit acht Freunden nutzt sie nun die App für die Bereiche Schweinfurt und Hammelburg.
Wie läuft das ab? "Über eine freie Nahrungsmittel-Datenbank kann man angeben, was man genau braucht", erläutert van Veen die Handhabung. Entweder man nennt einfach nur das Produkt, etwa zwei Liter Milch, oder man gibt die gewünschte Marke an. Außerdem kann man Angaben zur Dringlichkeit machen, also bis wann man das Mehl zum Backen braucht. Ist die Bestellung raus, bekommen alle Mitglieder der eigenen Gruppe eine Push-Nachricht aufs Handy. Zudem können die Nutzer in einem Umkreis-Radar sehen, welche Wünsche es gerade wo gibt. Vergeben wird nach dem Windhund-Prinzip: "Wenn einer eine Bestellung abgreift, ist sie weg", erklärt Ziegler.
"Die App lebt vom Miteinander", betont Software-Entwickler Andreas May. Seine Programmierung sei nur dazu da, den Kontakt herzustellen, der Rest müsse im direkten Austausch geschehen. Deshalb soll die App auch noch eine Chat-Funktion erhalten. Das sei eines der Ergebnisse des Testlaufs: "Es wäre einfach gut, wenn man wegen der Menge oder Marke mal nachfragen kann", sagt Camilla van Veen. Zudem habe sie auch bereits erste Vorschläge zu technischen Änderungen und dem Design gemacht. Weitere Erkenntnisse erhofft sich die Studentin aus einem Fragebogen für die Test-Nutzer. Bis Februar soll die Bachelorarbeit dann fertig sein.
Und die Ideen gehen weiter: Andreas May überlegt zum Beispiel, Senioren auch mal ein einfaches Smartphone mit der vorinstallierten App zur Verfügung zu stellen. Neben solchen digitalen Hilfen gibt es im Rahmen des Modellprojektes aber auch ganz andere Ansätze: "Man könnte auch mal einen Bus anbieten, mit dem Senioren zum Einkaufen und Kaffee-Trinken gefahren werden", nennt Metz als Beispiel. Eine seriöse "Kaffeefahrt" auf Initiative der Kommunen also...