Druckartikel: Technik entlastet Pflegepersonal

Technik entlastet Pflegepersonal


Autor: Sigismund von Dobschütz

Bad Kissingen, Montag, 22. August 2016

Das Bad Kissinger Zentrum für Telemedizin hat ein System entwickelt, das die Rund-um-die-Uhr-Betreuung in der Pflege erleichtert.
ZTM-Geschäftsführer Asurnusch Rashid (links) mit dem Senioren-Tablet, rechts hält IT-Systembetreuer Björn Koch ein Smartphone mit der Notfall-Meldung. Foto: Sigismund von Dobschütz


Das Bad Kissinger Zentrum für Telemedizin (ZTM) beginnt mit der Vermarktung eines in den vergangenen zwei Jahren erprobten Modellprojekts für "Ambulante rund-um-die-Uhr-Betreuung". Zielsetzung ist eine bedarfsorientierte technische Wohnraum-Ausstattung zur Entlastung des Personals bei der Tages- und Nachtbetreuung von Senioren und Pflegebedürftigen.


"Walzbachtaler Modell"

Gemeinsam mit der Diakonie-Sozialstation Walzbachtal
im Landkreis Karlsruhe und der AOK Mittlerer Oberrhein, später ergänzt durch die Zusammenarbeit mit den Sozialstationen in Stutensee und Weingarten, entwickelte der Informatiker Asarnusch Rashid seit 2014 am Forschungszentrum Informatik (FZI) in Karlsruhe als "Walzbachtaler Modell" eine Software zur sinnvollen Vernetzung verschiedener technischer und telemediziner Module zur umfassenden Betreuung hilfsbedürftiger Menschen. Mit seinem Wechsel in die Geschäftsleitung des ZTM als Verantwortlicher für Forschung und Entwicklung wurde auch die Vermarktung seines Walzbachtaler Modellprojekts dem ZTM übertragen.
"Wir wollen mit unserem Angebot das Pflegepersonal entlasten", sieht Rashid als zentrale Aufgabe. Es geht also keineswegs darum, auf die persönliche Betreuung durch Pfleger zu verzichten, sondern pflegenden Angehörigen oder professionellem Pflegepersonal die Arbeit in kleinen Dingen zu erleichtern, dem Betreuten mehr Selbständigkeit im Alltag zu geben und Angehörigen Sorgen zu nehmen. "Das GPS-Gerät am Handgelenk des Seniors gibt ihm mehr Sicherheit, da er damit im Notfall selbst Hilfe rufen kann. Andererseits kann er bei längerer Abwesenheit vom Angehörigen oder Pfleger jederzeit geortet werden."
Andere Module, die in diesem neuen Software-System je nach Bedarf des Pflegebedürftigen eingebunden werden können, sind ein Wohnungstürfinder, Schlüsselfinder, Türsignal und -kamera, Telefon mit Bildwahltasten und Video-Telefonie, eine Herdsicherung, Tablettenspender, Nachtlichtregelung, Gas-Warnmelder, Hausnotruf oder Blutdruckmessung.


Vernetztes System

Manches davon gibt es bereits im Handel, bestätigt Rashid. "Aber unser Projekt vernetzt alle einzelnen Module in einem Software-System." Über ein Tablet mit großen Symbolen auf dem Touch-Screen kann der Senior kommunizieren, alarmieren, telefonieren. So sagt ihm die Software auf Nachfrage auch, welche Tabletten er noch zu nehmen hat. "Unser System gibt dem Senior mehr Sicherheit und ermöglicht ihm ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung." Andere Symbole ermöglichen die Lichtsteuerung in der Wohnung, die Bedienung der Rollläden, das Verschließen der Tür und manches mehr.
Natürlich hat der Pflegebedürftige über sein Tablet auch Zugang zum Internet, kann online einkaufen oder Bücher und Spiele hochladen.
Manche Module ermöglichen eine Fernkontrolle, ohne dass der Betreute sich überwacht fühlen muss. So wird zum Beispiel beim Verlassen des Bettes ein Bewegungsmelder aktiviert: Kehrt der Betreute nicht in angemessener Zeit ins Bett zurück, wird der Pfleger über eine App auf dem Smartphone informiert. "Es sind oft nur die kleinen Probleme im Alltag", weist Rashid auf die starke Belastung pflegender Angehöriger hin. Dieser kleine Bewegungsmelder gibt ihnen mehr Sicherheit bei der Betreuung, ohne selbst nachts nach dem Pflegebedürftigen sehen zu müssen. Dennoch: "Das Wohl der Angehörigen ist zwar auch wichtig, aber in erster Linie geht es uns um das Wohl des Seniors."
Die Einsatzmöglichkeiten solcher Module sind inzwischen so vielfältig, dass sie je nach Wohnsituation und sozialer Situation dem Pflegebedarf des Betreuten angepasst werden können.
Aufgabe des ZTM ist es nach erfolgreicher zweijähriger Erprobungsphase des Walzbachtaler Modells, dieses "Rund-um-die-Uhr-Betreuungssystem" nun auch in anderen Regionen zu vermarkten und in Krankenhäusern, bei Pflegediensten oder in Seniorenheimen zum Einsatz zu bringen. Neue Standorte im Raum Karlsruhe sind bereits in Planung. Aktuell führt das ZTM auch im Landkreis Bad Kissingen entsprechende Gespräche mit privaten Einrichtungen, aber auch mit dem Bayerischen Roten Kreuz.
"Leichter wäre die Umsetzung im Markt natürlich, wenn die Krankenkassen sich finanziell am Einbau der erforderlichen Technik finanziell beteiligen würden", macht ZTM-Geschäftsführer Asarnusch Rashid die Schwierigkeit deutlich. Im Raum Karlsruhe folgen inzwischen andere Kassen dem Beispiel der AOK Mittlerer Oberrhein. Denn sinnvoll ist der Einbau dieser Technik in jedem Fall, wie Rashid während der zweijährigen Erprobungsphase des Walzbachtaler Modellprojekt erfahren hat: Die Betreuten nutzen diese Technik gern und die Pflegedienste halten das System für eine ausgezeichnete Ergänzung und Erleichterung zur personellen Betreuung.